Dr. med. Stefan Sauerland, Leiter des Ressorts Nichtmedikamentöse Verfahren beim IQWiG, und Institutsleiter Prof. Dr. Jürgen Windeler kommen in einem gemeinsam verfassten Beitrag zum Schluss, dass bei den Medizinprodukten noch viel zu tun ist, obwohl es neue Regelungen gibt. "Viele Staaten scheuen aus Kostengründen den eigentlich sinnvollen Aufwand, eine breitere Bewertung neuer Medizinprodukte und Behandlungsmethoden aufzubauen," schreiben sie.
Auf EU-Ebene gibt es seit 2017 die Medical Device Regulation (MDR) 2017, die die CE Kennzeichnung von Medizinprodukten neu regelt. Verbessert werden soll dadurch die bisherige Regulierung in den drei zentralen Problemfeldern: den unzureichenden klinischen Evidenzanforderungen, der dezentralen Prüfung durch wirtschaftlich abhängige "Benannte Stellen" und der Intransparenz des gesamten Verfahrens. Obwohl neben Sicherheit und Leistung zukünftig auch das Nutzen-Risiko-Verhältnis neuer Medizinprodukte geprüft wird, wird das Bewerten des (Mehr-)Nutzens auf nationaler Ebene weiter erforderlich sein – insbesondere für neue Behandlungsmethoden, die auf der Anwendung von Hochrisikomedizinprodukten beruhen. "Die hierzu in Deutschland neu eingeführte regelhafte Nutzenbewertung (§ 137 h SGB V) greift zu kurz, wie sich nach zwei Jahren und nur zwei bewerteten Methoden erkennen lässt", kritisieren Windeler und Sauerland.
Diese drei bereits oben genannten Kritikpunkte führen sie weiter aus:
Als Fazit ziehen sie den Schluss: "Mögliche Synergien zwischen den Ebenen von CE-Kennzeichnung und HTA-Bewertung lassen sich bereits jetzt erkennen. Denn gerade dort, wo gänzlich neue Hochrisiko-Medizinprodukte auf den Markt kommen, muss der Hersteller nun ohnehin meist aussagekräftige klinische Evidenz zum Nutzen-Risiko Verhältnis vorlegen. Ähnlich wie bei neuen Arzneimitteln wird aus Herstellersicht darauf zu achten sein, dass idealerweise ein RCT durchgeführt wird, der gegen den aktuellen Behandlungsstandard vergleicht und auch patientenrelevante Endpunkte umfasst. In manchen Indikationen würde wohl auch ein Vergleich zu keiner Behandlung und ein Erfassen von fraglich relevanten Kurzzeit-Ergebnissen für eine CE-Kennzeichnung ausreichen. Dennoch kann und wird ein Hersteller idealerweise versuchen, mit nur einer klinischen Studie alle wesentlichen Daten für CE-Kennzeichnung und HTA-Bewertung zu bekommen.
Insgesamt lässt sich erkennen, dass die EU-Kommission relevante Verbesserungen entwickelt hat, um die vielen Probleme der CE-Kennzeichnung anzugehen. Aktuell ist aber nicht zu erwarten, dass es auf dieser Ebene zu weiteren Änderungen kommen wird. Stattdessen könnten die Bemühungen um eine europäische Harmonisierung in den nächsten Jahren Veränderungen der HTA-Prozesse in Europa bringen. Diese sollten auch genutzt werden, um die in Deutschland vorhandenen Möglichkeiten zur Nutzenbewertung neuer Medizinprodukte zu erweitern."
Den gesamten Beitrag (veröffentlicht in "Gesundheitswesen aktuell 2018. Beiträge und Analyse. Herausgegeben von Uwe Repschläger, Claudia Schulte und Nicole Osterkamp, Barmer Krankenkasse) finden Sie unter:
https://www.barmer.de/blob/165612/9e0cebc59a1e4c14609382f5b85f7ce0/data/dl-06-medizinprodukte-regulierung---alles-im-gruenen-bereich-nach-medical-device.pdf