Der Europäische Rat und das Europäische Parlament haben sich über neue EU-Rechtsvorschriften zu
schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren geeinigt: Am 23. Juni ist eine vorläufige Einigung über den Verordnungsvorschlag zu diesem Thema erzielt worden. Mit der Verordnung soll ein Rechtsrahmen geschaffen werden, der Maßnahmen zur Vorbereitung, Überwachung, Risikobeurteilung und Frühwarnsysteme auf europäischer Ebene koordiniert. Darunter auch die Bevorratung von Arzneimitteln und Medizinprodukten.
Die Europäische Kommission wird zukünftig einen EU-Plan für Gesundheitskrisen und Pandemien aufstellen. Darin wird bestimmt, wie der Informationsaustausch zwischen europäischen und nationalen Stellen, die Frühwarnung und das Risikomanagement zu organisieren ist. Dieser wird zusammen mit den Mitgliedstaaten, EU-Behörden und mit den Internationalen Gesundheitsvorschriften der WHO erstellt. Die jeweiligen Pandemiepläne der EU-Mitgliedstaaten bleiben bestehen; allerdings sollen sich die Mitgliedstaaten mit der Europäischen Kommission abstimmen, um einen kohärenten Rahmen zu schaffen. Mit Stresstests und Simulationsübungen sollen die Bereitschafts- und Reaktionspläne überprüft und wenn nötig angepasst werden.
Einen Kompromiss gibt es bei der gemeinsamen Beschaffung und Bevorratung von Arzneimitteln und Medizinprodukten: Das Europäische Parlament hat erreicht, dass die Mitgliedstaaten keine parallelen Beschaffungsverhandlungen führen und gleichzeitig dieselben Produkte auf EU-Ebene kaufen dürfen. Ebenso wird die Europäische Kommission dazu verpflichten, den Abgeordneten Zugang zu gemeinsamen Beschaffungsverträgen zu gewähren, allerdings vorbehaltlich der sehr vagen Einschränkung eines "angemessenen Schutzes des Geschäftsgeheimnisses, der Geschäftsbeziehungen und der Interessen der Union". Neu geregelt wurde außerdem, dass die Europäische Kommission bis 2024 die HERA, die neue EU-Behörde für Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen, evaluiert. Die Europäische Kommission soll so beurteilen, ob die HERA, anders als bisher, eine von der Europäischen Kommission getrennte Einrichtung werden sollte.
Geplant ist außerdem, dass die Europäische Kommission einen unionsweiten gesundheitlichen Notstand ausrufen kann. Das bedeutet eine verstärkte koordinierende Zusammenarbeit zwischen der EU und den Mitgliedstaaten. Der Notstand wird auf Grundlage von Risikobewertungen des beratenden Ausschusses („Advisory Committee on public health emergencies") ausgerufen. Das Europäische Parlament hat es geschafft, dass sich der One-Health-Ansatz im Gesetzestext wiederfindet. Damit schließt der Rechtsakt neben Infektionskrisen, auch Umwelt-, Bio- und Lebensmittelkrisen ein.
Die Abgeordneten konnten in den Verhandlungen ebenfalls durchsetzen, einen Sitz im Gesundheitssicherheitsausschuss (Health Security Committee – HSC) zu erhalten. Der Ausschuss kann Stellungnahmen und Leitlinien zu Vorsorge- und Kontrollmaßnahmen als Reaktion auf Gesundheitsgefahren
annehmen. Bei einer Abstimmung über Leitlinien entscheidet der HSC mit Zweidrittelmehrheit.
Rat und Europäisches Parlament müssen ihre Einigung noch förmlich, nach der Sommerpause, bestätigen. Der Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI) stimmte bereits am 12. Juli mit großer Mehrheit für die Einigung. Die Verordnung tritt 20 Tage nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.
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