AMNOG-Daten 2022: Innovative Arzneien verschwinden wieder vom Markt


Es ist ein langer Prozess, bis ein neues Medikament auf den Markt kommt. Damit es dann im Handel bleibt, muss es viele Hürden nehmen. Die aktuellen AMNOG-Daten zeigen: Zu viele innovative Arzneimittel verlassen ihn wieder.

Welches neue Medikament erhält welchen Zusatznutzen?

Marktaustritte: Ein bestehendes Problem

Marktaustritte bleiben ein Problem – so lautet das Fazit des Berichts zu den Daten des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG) des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI). Immer noch verlassen zu viele Arzneimittel, nämlich derzeit jedes achte, wieder den Markt, nachdem es das AMNOG-Verfahren durchlaufen hat.

Das ist nicht nur ein Rückschlag für die Hersteller. Sondern bedeutet auch, dass diese Innovationen den Patient:innen nicht mehr zur Verfügung stehen. Die Befürchtung der Autoren der ANMOG-Daten 2022, der Gesundheitsökonomen Prof. Dieter Cassel und Prof. Volker Ulrich: Das Gesetz zur Stabilisierung der gesetzlichen Krankenkassen (GKV-Finanzstabilisierungsgesetz) könnte diesen Trend noch verstärken. Dieses war direkt nach seinem Beschluss von Pharmavertretern scharf kritisiert worden. Sie bemängelten, dass die Hürden für Innovationen extrem hochgeschraubt wurden und sahen unter anderem dadurch den Pharmastandort Deutschland gefährdet.

Die AMNOG-Daten 2022 zeigen zudem: Innovative Arzneimittel, bei denen im Rahmen der frühen Nutzenbewertung Patientendaten zur Lebensqualität einfließen, werden insgesamt besser bewertet. „Der G-BA hat jedoch keineswegs alle eingereichten Lebensqualitäts-Daten berücksichtigt“, schreiben die Autoren. Im Durchschnitt lag demnach der Anteil an den eingereichten Lebensqualitäts-Daten bei 62% und in der Spitze bei 71% (2017).

Betrachtet man nur die Orphan-Drug-Verfahren, zog der G-BA in 60% der Verfahren Lebensqualität-Daten heran. Bei Nicht-Orphan-Drug-Verfahren sind es 41%.

Insgesamt zeigt sich ein deutlicher Unterschied in der Verteilung der Nutzenkategorien:

Bekamen Medikamente das Etikett „erheblicher bzw. beträchtlicher Zusatznutzen“, hatte der G-BA in 100% bzw. 81% der Verfahren die eingereichten Lebensqualität-Daten für seine Bewertung herangezogen. Wurde kein Zusatznutzen attestiert, war dies in nur 32% der Verfahren der Fall. Aus alledem lässt sich schließen, schreiben die Autoren, dass Erheben und Einreichen von Lebensqualität-Daten die Chance für ein besseres Ergebnis bei der Nutzenbewertung bieten. Allerdings gewährleisten sie keineswegs automatisch einen höheren Zusatznutzen, denn sie müssten unter allen Umständen den hohen Anforderungen des G-BA genügen.

Das „AMNOG-Dilemma“

Cassel und Ulrich weisen im Bericht daher auf ein weiteres Grundsatzproblem der Nutzenbewertung hin: „Je strikter bzw. rigoroser die Nutzenbewertung ist, desto größer ist das Risiko, dass wichtige therapeutische Vorteile und Optionen den Patienten versagt bleiben; und je weniger strikt bewertet wird, desto wahrscheinlicher ist es, dass Präparaten ein Zusatznutzen zugesprochen wird, den sie gar nicht haben.“ Allerdings sei diese Gratwanderung, die als „AMNOG-Dilemma“ gilt, unausweichlich.

Zu den AMNOG-Daten: Die bereits im sechsten Jahr von Cassel und Ulrich verfassten und vom BPI herausgegebenen „AMNOG-Daten“ informieren ausführlich über Grundlagen, Abläufe und Ergebnisse der Zusatznutzenbewertung und Preisfindung innovativer verschreibungspflichtiger Arzneimittel in Deutschland und gehen auf kritische Aspekte der AMNOG-Regulierung ein.

Was ist das AMNOG? Der Verband forschender Arzneimittelhersteller erklärt:

AMNOG steht für das „Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz“ und meint die Preisregulierung innovativer Medikamente in Deutschland. Nach diesem Verfahren werden seit Januar 2011 die Preise für neue, patentgeschützte Arzneimittel auf Basis einer Zusatznutzenbewertung bestimmt. Das heißt: Krankenkassen zahlen nur so viel, wie es dem ermittelten zusätzlichen Nutzen der Arzneimittel entspricht. Ziel des Verfahrens ist eine Balance zwischen Innovation und Bezahlbarkeit. Das AMNOG-Verfahren hat zwei Teile: die Zusatznutzenbewertung und die Preisverhandlung. Beide Verfahrensschritte sind detailliert geregelt und dauern regulär zwölf Monate.

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