AMNOG-Reform: Pharmaverbände sehen Innovationen gefährdet


Der Bundestag hat das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz beschlossen. Sie betreffen auch das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) und die damit verknüpfte Preiseverhandlung für neue Medikamente. Hersteller kritisieren scharf, dass dies den Pharmastandort Deutschland gefährde.

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Was das Gesetz bezweckt

Das Gesetz zur Stabilisierung der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) ist durch und von vielen Seiten hagelt es Kritik. Es beinhaltet etwa eine Erhöhung der Herstellerrabatte, die Einführung neuer Abschläge und eine Reform des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG). Der Preis für ein neues Arzneimittel gilt demnach rückwirkend ab dem siebten Monat nach der Marktzulassung des Medikaments – nicht mehr ab dem 13. Monat wie vorher.

Damit sollen Pharmaunternehmen dazu beitragen, das derzeitige Milliardendefizit der GKV zu bekämpfen. Das sei der völlig falsche Weg urteilt der Verband der Chemischen Industrie (VCI). VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup sagt: „Das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz refinanziert die Krankenkassen auf dem Rücken der pharmazeutischen Industrie, anstatt die wahren Kostentreiber des Systems anzugehen. Das ist vor dem Hintergrund explodierender Energiepreise und der fragilen Lieferketten, unter denen die Unternehmen leiden, mehr als fahrlässig.“ Zwingend notwendig sei eine umfassende Strukturreform des Gesundheitssystems. Denn, kritisiert Große Entrup: „Die Pharmaindustrie ist keine Melkkuh für eine verfehlte Gesundheitspolitik.“ 

Die Arzneimittelpreise seien nicht der Grund für die Finanzierungslücken der gesetzlichen Krankenkassen. Die Bundesregierung sollte die pharmazeutische Industrie vielmehr als Zukunftsbranche und wichtigen industriellen Kern schätzen, anstatt ihre Innovations- und Investitionskraft zu schwächen.

Pharma-Standort Deutschland gefährdet

Ähnlich gefährdend für den Pharmastandort Deutschland bewertet der Präsident des Verbandes forschender Arzneimittelhersteller (vfa), Han Steutel, die Neuerungen. „Dieses Gesetz ändert die Geschäftsgrundlage der pharmazeutischen Industrie in Deutschland grundlegend“, erklärte Steutel. Alleine aus dem sogenannten Herstellerrabatt (künftig zwölf statt bisher sieben Prozent) resultierten zusätzliche Belastungen von 1,3 Milliarden Euro für 2023. Die Eingriffe in das Erstattungssystem seien gravierend. Dies verstärke den Kostendruck und habe unmittelbar negative Konsequenzen für die Investitionstätigkeit. Der vfa rechnet damit, dass das Gesetz die Pharma-Produktion bremst. Dabei leiste das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz, das seit mehr als elf Jahren gilt, was die Politik von ihm erwartet hat: Es sorgt für Milliardeneinsparungen und gewährleistet Versorgungssicherheit.

Sichere Medikamentenversorgung und Innovationen bedroht

Eine sichere Arzneimittelversorgung sehen der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) und der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) in Gefahr.

Der BPI-Vorsitzende Dr. Hans-Georg Feldmeier ist der Meinung, das Gesetz ignoriere das wirtschaftliche Umfeld, in dem die Pharma-Industrie tätig sei und gefährde somit ihre Unternehmen und eine sichere Arzneimittelversorgung. Das betreffe, erläutert BAH-Hauptgeschäftsführer Dr. Hubertus Cranz, innovative wie auch generische Arzneimittel. Denn die Erhöhung des Herstellerabschlags gelte neben patentgeschützten Arzneimitteln auch für die Versorgung ebenso relevanter Bestandsprodukte. 

Zusätzlich würden insbesondere die vom Gesetzgeber angestrebten sogenannten AMNOG-Leitplanken dem therapeutischen Fortschritt in diesem Land nachhaltig schaden. Wenn Arzneimittel, denen der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) einen nicht quantifizierbaren oder geringen Zusatznutzen attestiert hat, systematisch abgewertet werden, nehme man vielen Patienti:nnen die Möglichkeit, besser versorgt zu werden. 

Cranz berichtet: „Die Hürden für Innovationen werden so hochgeschraubt, dass weniger Neueinführungen in der Versorgung ankommen werden. Erste Unternehmen haben bereits Konsequenzen gezogen und Markteinführungen innovativer Arzneimittel zurückgestellt.“

 

Was ist das AMNOG? Der vfa erklärt:

AMNOG steht für das „Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz“ und meint die Preisregulierung innovativer Medikamente in Deutschland. Nach diesem Verfahren werden seit Januar 2011 die Preise für neue, patentgeschützte Arzneimittel auf Basis einer Zusatznutzenbewertung bestimmt. Das heißt: Krankenkassen zahlen nur so viel, wie es dem ermittelten zusätzlichen Nutzen der Arzneimittel entspricht. Ziel des Verfahrens ist eine Balance zwischen Innovation und Bezahlbarkeit. Das AMNOG-Verfahren hat zwei Teile: die Zusatznutzenbewertung und die Preisverhandlung. Beide Verfahrensschritte sind detailliert geregelt und dauern regulär zwölf Monate.

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