BARMER-Arzneimittelreport 2022: Komplexität der Arzneimitteltherapie


Ein Fazit des Arzneimittelreports ist: Patientinnen und Patienten bekommen etwa 20 Wirkstoffe verordnet, bei Menschen ab 80 Jahren sind es eineinhalbmal so viele.

Grafik: BARMER-Arzneimittelreport 2022

Therapie wird immer komplexer 

BARMER-Versicherte haben im Jahr 2020 knapp 1.900 verschiedene Wirkstoffe verordnet bekommen. Sie wurden mit fast 460.000 verschiedenen Kombinationen aus zwei Arzneimitteln behandelt. Das kann ganz schön komplex werden.

Der Arzneimittelreport analysiert die Arzneimitteltherapie von Versicherten ab dem Alter von 40 Jahren für den Zeitraum von zehn Jahren. Demnach werden je Versicherten im Schnitt 37 Diagnosen innerhalb einer Lebensdekade dokumentiert. In dieser Zeit besucht eine Patientin oder ein Patient im Schnitt rund 21 Arztpraxen. Digitale Hilfen sind nötig und notwendig, betont Prof. Dr. med. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der BARMER: “Für Ärztinnen und Ärzte ist es kaum möglich, angesichts der Komplexität der Arzneimitteltherapie den Überblick zu behalten und Medikationsrisiken einzuschätzen. Um alles zu dokumentieren, ist eine digitale Unterstützung unabdingbar.”

Digitale Arzneimitteltherapie

Im Arzneimittelreport wird ein Konzept beschrieben, das auf drei Innovationsfondsprojekten basiert, welche die BARMER als Konsortialführerin initiiert hat. AdAM unterstützt digital das Medikationsmanagement von Patienten mit Polypharmazie durch Hausärzte, TOP widmet sich der Verbesserung der Arzneimitteltherapie bei Patienten im Krankenhaus und bei sektorenübergreifender Behandlung und eRIKA gewährleistet kontinuierlich die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) mit Hilfe des elektronischen Rezepts.

Projekt AdAM

AdAM steht für “Anwendung für ein digital unterstütztes Arzneimitteltherapie-Management”. Zusammen mit der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe von Juli 2017 bis Juni 2021 hat die Kasse diese Versorgungsform erprobt. Rund 940 Hausärzte haben dabei mehr als 11.000 Patienten mit Polypharmazie betreut. Mit Einverständnis der Patienten sind erstmals Hausarztpraxen digital mit vollständigen Informationen zur Vorgeschichte versorgt worden, welche aus Routinedaten der Krankenkasse stammen. So war der Arzt vollständig über Vorerkrankungen und Arzneimittel informiert worden. Zusätzlich hat er Hinweise auf vermeidbare Risiken der Therapie erhalten, wie gefährliche Wechselwirkungen. Die unabhängige Evaluation des Projektes zeigt, dass AdAM die Sterblichkeit der in das Projekt eingeschlossenen Patienten im Vergleich zur Routineversorgung relativ um 10 bis 20% senkt.

Projekt TOP

Informationsdefizite gefährden Patienten auch bei der Krankenhausaufnahme. Insbesondere Patienten, die als Notfall aufgenommen werden, sind hohen Risiken ausgesetzt. TOP möchte mit Einverständnis der Patienten Informationsbrüche vermeiden, Risiken und Schäden bei Polypharmaziepatientinnen und -patienten von der Aufnahme in die Klinik bis zur Entlassung und Überleitung zum ambulanten Bereich dokumentieren. Das Besondere ist die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen arztunterstützenden Krankenhausapothekerinnen und -apothekern sowie den behandelnden Ärzten. Sie bekommen die von der BARMER gespeicherten Abrechnungsdaten zur Verfügung gestellt. Und dadurch erhalten sie wichtige Informationen zur Gesundheitshistorie der Patienten.

Bei TOP arbeiteten zahlreiche Projektpartner zusammen und mit der AOK Nordost auch eine weitere Krankenkasse mit. 

Autor des Arzneimittelreports, Prof. Dr. med. Daniel Grandt, Chefarzt am Klinikum Saarbrücken, unterstreicht diesen Ansatz vehement: “Ohne vollständige Kenntnis der aktuellen Medikation wird die Arzneimitteltherapie zu einem unkalkulierbaren Risiko. Es ist daher unverständlich, dass bisher nicht gewährleistet ist, dass notwendige Informationen sicher zur Verfügung stehen. Krankenkassendaten sind so offensichtlich nutzenstiftend und zudem zeitsparend für das Krankenhaus, dass TOP ohne Zeitverzug in die Routineversorgung überführt werden sollte.”

Medikationsplan eRIKA

Mit dem Anfang Oktober gestarteten Projekt eRIKA ergänzt die BARMER die beiden anderen Projekte. Dafür nutzt eRIKA das elektronische Rezept und die bei der Abgabe von Arzneimitteln in der Apotheke entstehenden Daten für eine zentrale elektronische Dokumentation der Arzneimitteltherapie. Der Vorteil des Ganzen: Jeder Patient, dem ein Arzneimittel verordnet wird, hat immer einen aktuellen und vollständigen Medikationsplan, und das ohne Zusatzaufwand für Ärzte, Apotheker oder Patienten.

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