Beliebte OTC-Medikamente, aber nicht gut informiert


Welche Rolle die OTC-Präparate konkret für hausärztliche Patient:innen spielen, hat eine Wartezimmerbefragung untersucht. Die Ergebnisse im Überblick.

Grafik: Wartezimmerbefragung nach der Rolle von OTC-Medikamenten und den Indikationen

Patient:innen lassen sich oft nicht beraten

Seit Jahren steigt der Konsum von Over-the-counter-Arzneimitteln (OTC). Das gilt für Deutschland wie auch andere westliche Länder. Selbstmedikation ist beliebt. Gleichzeitig beobachten Fachleute, dass die Menschen über mögliche Nebenwirkungen der rezeptfreien Arzneimittel nicht immer gut informiert sind. Das bestätigt eine „Wartezimmerbefragung“ vom Zentrum für Allgemeinmedizin und Geriatrie der Universitätsmedizin Mainz.

Befragung von 300 Patienten in 20 hausärztlichen Praxen

„Welche Rolle spielen rezeptfreie Medikamente für hausärztliche Patient:innen?“, fragten daher Dr. Julian Wangler von der Universitätsmedizin Mainz und Michael Jansky. Um sich ein Bild zu machen, welche Einstellung Menschen zu OTC-Medikamenten haben und wie sie die freiverkäuflichen Präparate nutzen, haben die Wissenschaftler 300 Patienten in 20 hausärztlichen Praxen in Rheinland-Pfalz und im Saarland befragt. Der anonymisierte Fragebogen beinhaltete Blöcke zum Einkaufs- und Konsumverhalten von rezeptfreien Arzneimitteln, zum Informationsverhalten, zur Internetnutzung sowie zu Einstellungen hinsichtlich Eigenschaften, (Neben-)Wirkungen und präferierten Anwendungsgebieten.

Die zentralen Ergebnisse

  • 63% der Befragten gaben an, rezeptfreie Medikamente häufig oder gelegentlich zu konsumieren.
  • 37% nahmen OTC-Präparate selten ein.
  • Arzneimittel wurden am häufigsten in der Apotheke vor Ort gekauft und nur gelegentlich über das Internet.

 

Unterschiede fallen zwischen den Geschlechtern und nach Bildungsstand auf:

  • 40% der Frauen greifen häufig zu den OTC-Präparaten, nur 20% der Männer.
  • Auch Personen mit einem höheren Bildungsniveau erwerben öfter freiverkäufliche Präparate (42%) als Menschen mit einem niedrigeren Abschluss (27%).

 

Oft behandeln sich die Menschen, ohne sich genauer zu informieren. Die Untersuchung offenbarte, dass sie sich nicht beraten lassen. Frauen aber noch eher als Männer. So gaben 45% der Befragten an, vor dem Kauf oder der Einnahme von OTC-Arzneimitteln üblicherweise keinen Rat einzuholen und sich auch sonst nicht über Wirkungen, Risiken und Nebenwirkungen zu informieren. Nur knapp mehr als die Hälfte (55%) ließen sich der Studie zufolge durch Hausärzt:innen und/oder Apotheker:innen beraten. Frauen holen seitens Ärzt:innen oder Apotheker:innen im Vergleich zu Männern öfter Rat ein (66% zu 44%), schreiben die Wissenschaftler.

Wofür OTC-Präparate als geeignet gelten

Mehr als 80% der Befragten halten OTC-Medikamente für besonders gut geeignet zur Behandlung von Erkältungsbeschwerden und grippalen Symptomen (84%), gefolgt von der Behandlung von Sonnenbränden/Insektenstichen (67%), Kopfschmerz (65%) oder Verdauungsproblemen (35%). 

Auch hinsichtlich der Anwendungsgebiete zeigen sich den Wissenschaftlern zufolge Unterschiede zwischen den Geschlechtern: Männer meinen zu 19%, dass sich OTC gut zur Prophylaxe eignen, gegenüber 2% der Frauen. Ebenfalls geben Männer im Vergleich zu Frauen deutlich öfter an, rezeptfreie Medikamente seien zur Stärkung nach einer Krankheit sinnvoll (28% zu 5%).

Einschränkungen der Studie

Allerdings: „Aufgrund der begrenzten Fallzahl und des regionalen Rekrutierungsschwerpunktes kann die Studie keinen repräsentativen Anspruch erheben“, schreiben die Autoren selbst. Zudem könne nicht ausgeschlossen werden, dass thematisch interessierte Arztpraxen in stärkerem Maße Bereitschaft signalisiert haben, in ihrer Patientenschaft eine Wartezimmerbefragung durchführen zu lassen; ähnliches gelte für die Teilnahmebereitschaft der Patient:innen selbst. Es braucht also weitere Forschung, um die Ergebnisse zu bestätigen und viele Aspekte der Thematik zu konkretisieren.

Was das für Apotheker:innen und Ärzti:innen bedeutet

Fazit: Rezeptfreie Medikamente sind leicht verfügbar und werden als unkompliziert anzuwenden, niedrig dosiert und schwach wirksam wahrgenommen. Gleichzeitig sind sie durch Werbung allgegenwärtig. Das könne über mögliche Nebenwirkungen hinwegtäuschen und die Anwendung verharmlosen, schreiben die Autoren. Insbesondere ein Teil der Männer im Sample zeigte eine gesteigerte Anwendungsbereitschaft und neigte zur Unterschätzung von möglichen Nebenwirkungen.

Daher spiele neben der Beratung durch Apotheker:innen gerade die vertrauensvolle, langjährige Begleitung durch Hausärzt:innen eine zentrale Rolle, lautet das Fazit der Wissenschaftler. Wichtig erscheine es demnach, dass diese ihre Patienten regelmäßig auf deren Konsum rezeptfreier Arzneimittel ansprechen, Multimedikation beziehungsweise Multimorbidität konsequent berücksichtigten und entsprechend passende OTC-Medikamente empfehlen.

 

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