Bedarfsplanung in Notaufnahmen: Gegen die Überfüllung


Die Notaufnahmen sollen entlastet werden – durch ein „Ersteinschätzungsverfahren“. Dadurch wird entschieden, ob Patient:innen stationär aufgenommen werden oder in eine Praxis gehen sollen.

Die Notaufnahmen sollen entlastet werden, damit diese nicht mehr so überflutet werden. (Foto von Martha Dominguez de Gouveia auf Unsplash)

 

Durch das Ersteinschätzungsverfahren „soll schnell und verlässlich beurteilt werden, wie dringend bei Hilfesuchenden der Behandlungsbedarf ist. Nur wenn ein sofortiger Behandlungsbedarf festgestellt wird, soll die Patientin oder der Patient ambulant im Krankenhaus behandelt oder ggf. auch stationär aufgenommen werden. In allen anderen Fällen soll die Behandlung grundsätzlich in der vertragsärztlichen Versorgung erfolgen“, erklärt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA).

Und der G-BA hat dafür die Vorgaben definiert und für die Krankenhäuser auch verschiedene Übergangsfristen vorgesehen, um beispielsweise das benötigte Personal weiterzubilden und ein digitales Assistenzsystem zu implementieren.

Ersteinschätzung: Die definierten Vorgaben

Bereits jetzt wird in Notaufnahmen die Dringlichkeit einer ärztlichen, unmittelbar notwendigen Behandlung mithilfe von sogenannten Triagesystemen festgestellt: So werden Hilfesuchende mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung oder Verletzung schnellstmöglich identifiziert und behandelt.

Es werden zwei sogenannte Dringlichkeitsgruppen unterschieden:

  • Bei Dringlichkeitsgruppe 1 sollte die Behandlung innerhalb von 24 Stunden beginnen: Entweder ambulant im Krankenhaus oder in einer im oder am Krankenhaus gelegenen Notdienstpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) beziehungsweise einem entsprechenden Medizinischen Versorgungszentrum des Krankenhauses.
  • Bei Dringlichkeitsgruppe 2 ist keine Behandlung innerhalb von 24 Stunden erforderlich. Die Versicherten erhalten einen Vermittlungscode, mit dem sie über die Terminservicestelle der KV einen Termin buchen können.

 

Beratungsverfahren war „nicht einfach“

Der Ausschuss hat damit seinen gesetzlichen Auftrag erfüllt und Prof. Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des G-BA, findet auch, dass „wir einen weiteren wichtigen Baustein für eine umfassende Reform der Notfallversorgung beschlossen haben.“ Er gibt aber auch zu:  

„Das Beratungsverfahren für die neue Richtlinie war nicht einfach, denn natürlich ist jedes Detail für einen so sensiblen Prozess wie der Einstufung des medizinischen Behandlungsbedarfs hoch relevant … Eine Herausforderung war es, den kurzfristig geänderten Regelungsauftrag des Gesetzgebers an uns umzusetzen – zumal die Interpretationen, was das in der Folge konkret bedeutet, ganz unterschiedlich ausfielen …“

Hecken betont ebenso: „Im Vorfeld des heutigen Beschlusses waren Stimmen zu hören gewesen, ob Regelungen des G-BA angesichts der anstehenden Krankenhausreform verzichtbar sind – dem ist nicht so. Denn erstens ist derzeit offen, wann die Reform tatsächlich stehen wird. Und zweitens wird es einige Jahre dauern, bis die für die Krankenhausreform angedachten Strukturveränderungen reale Versorgungspraxis sind. Angesichts von überfüllten Notaufnahmen braucht es auch für diese Übergangszeit praktikable und sachgerechte Lösungen.“

Dem stimmt Stefanie Stoff-Ahnis, Vorstand beim GKV-Spitzenverband, zu: „Die medizinische Ersteinschätzung ist ein wichtiger Schritt, der die bedarfsgerechte Versorgung Hilfesuchender ermöglicht und gleichzeitig die Notaufnahmen entlasten kann. Was leider noch fehlt, ist die Möglichkeit, Menschen direkt einen verbindlichen Termin in einer ambulanten ärztlichen Praxis zu geben – das wäre für Hilfesuchende ein großer Mehrwert. Der Gesetzgeber ist gefordert, diese Chance auf eine bessere Versorgung bei den nächsten Reformschritten noch zu nutzen.“

Denn wer nicht sofort im Krankenhaus behandelt werden muss, bekommt einen Vermittlungscode für die Terminservicestelle der KV, der helfen soll, einen Termin bei einer vertragsärztlichen Praxis zu finden. Konkrete Termine in Praxen können nicht vermittelt werden – dies wurde mit den letzten Änderungen an der gesetzlichen Grundlage, dem Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz, verhindert.

 

Inkrafttreten: Die Richtlinie des G-BA tritt nach Nichtbeanstandung des Bundesministeriums für Gesundheit und anschließender Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.

Hintergrund: Gesetzliche Grundlage des Beschlusses zum Ersteinschätzungsverfahren ist § 120 Absatz 3b SGB V, zuletzt geändert durch das Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz. Danach hat der G-BA Vorgaben zur Durchführung einer qualifizierten und standardisierten Ersteinschätzung des medizinischen Versorgungsbedarfs von Hilfesuchenden zu beschließen, die sich zur Behandlung eines Notfalls an ein Krankenhaus wenden.

Weitere Schritte nötig: Die gesetzlichen Vorgaben, auf denen die Richtlinie basiert, haben jedoch weiterreichende Verbesserungen verhindert. Der GKV-Spitzenverband appelliert daher an den Gesetzgeber, bei den kommenden Reformschritten zur Notfallversorgung noch nachzusteuern.

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