DAK-Kurzreport: Arzneimittelmarkt nach AMNOG-Reformen


Die DAK hat ein Zwischenfazit gezogen mit einem Ergebnis: Das Einsparvolumen bleibt bislang weit hinter den Erwartungen in der Gesetzesbegründung zurück.

In den Gesetzgebungen, die Arzneimittel betreffen, geht es oftmals um Einsparungen. (Foto von Josh Appel auf Unsplash) 

Einführung und Vorwort

Prof. Dr. Wolfgang Greiner, einer der Autoren des Kurzreports, und Andreas Storm, Vorstandsvorsitzender der DAK-Gesundheit, schreiben in ihrem Vorwort:

„Das im Oktober 2022 verabschiedete GKV-Finanzstabilisierungsgesetz umfasste weitreichende Änderungen an der bis dato etablierten Systematik der frühen Nutzenbewertung und Preisbildung neu zugelassener Arzneimittel in Deutschland. Infolge kontinuierlich steigender Ausgaben für patentgeschützte Arzneimittel sowie neuer technologischer Möglichkeiten und damit verbundener hoher Preisforderungen einzelner Produkte stand einmal mehr dieses Marktsegment im Mittelpunkt gesundheitspolitischer Debatten.

Aus diesem Grund haben wir die Neuregelungen des GKV-FinStG im März diesen Jahres mit dem AMNOG-Report 2023 einer frühen Bewertung unterzogen. Der Report bediente sich dabei entweder historischer Marktdaten oder Modellierungen und stellte damit eine erste, evidenzbasierte Orientierung zur Tragweite der AMNOG-Reformen dar. Die Ergebnisse zeigten, was im Gesetzgebungsprozess vielfach schon vermutet wurde: Die Maßnahmen des GKV-FinStG, insbesondere die Rückwirkung des Erstattungsbetrages und die Absenkung der Orphan Drug-Schwelle, könnten zwar geringfügige zusätzliche Einsparungen erzeugen, lösen aber keine strukturellen Probleme.

Einzig aus einer konsequenten Umsetzung der neuen Leitplanken zur Preisbildung und einer damit wieder eingeführten stärkeren Orientierung der Preise am tatsächlichen Mehrwert für Patientinnen und Patienten, könnten Einsparungen in der Arzneimittelversorgung erzielt werden. Gleichzeitig machen diese Leitplanken das etablierte System der nutzenbasierten Preisbildung bedeutend komplexer. Unsere Befürchtung war, dass die formulierten Leitplanken eine so starke Abweichung vom eingespielten AMNOG-Verfahren darstellen würden, dass sie sich letztlich in kontroversen Verfahrensdebatten zur Festlegung der Vergleichstherapien und den Bewertungen der verfügbaren Evidenz in verschiedenen herausfordernden Konstellationen verfangen würden.

Ein pauschaler Abschlag auf Kombinationstherapien sollte hingegen den dynamischen Mengen- und Preisentwicklungen in Kombination eingesetzter hochpreisiger Arzneimittel Rechnung tragen. Unklar war allerdings, wann eigentlich eine Arzneimittelkombination eine Kombinationstherapie ist und wie man diese in einer Abrechnungs-und Abwicklungssystematik identifizieren sollte.“

Fazit des Kurzreports

Derzeit laufen hierzu die Anhörungen maßgeblicher Verbände und Organisationen. Laut DAK haben die AMNOG-bezogenen Maßnahmen des GKV-Finanzstabilisierungsgesetztes (GKV-FinStG) „bisher weder nennenswerte Einsparungen noch negative Folgen generiert. Gleichzeitig ist das Verfahren um ein Vielfaches komplexer geworden… Demnach hat einzig die Erhöhung des Herstellerabschlags zu einer relativen Entlastung beigetragen. Dieser soll jedoch im nächsten Jahr nicht fortgeführt werden.“

So wird in dem AMNOG-Kurzreport betont:

Das Einsparpotenzial des GKV-FinStG wird nicht ausgeschöpft. Demnach hat das Gesetz insgesamt Einsparungen in Höhe von 1,88 bis 1,98 Mrd. Euro pro Jahr bzw. für das Jahr 2023 avisiert. Im AMNOG-Markt wurden konkrete Einsparziele in Höhe von bis zu 735 Mio. Euro erwartet. Dieses Ziel wird es weder für 2023 noch voraussichtlich für die Folgejahre erreichen, insbesondere wenn der erhöhte Herstellerabschlag ab 2024 wieder entfällt. Diese Erhöhung des allgemeinen Herstellerabschlags um fünf Prozentpunkte generiert im Jahr 2023 voraussichtlich 1,1 bis 1,3 Mrd. Euro zusätzliche Einsparungen.

Neben den unausgeschöpften Einsparpotenzialen zeigt der Kurzreport, dass das GKV-FinStG bisher keine negativen Effekte auf die Marktverfügbarkeit neuer Arzneimittel sowie die Versorgungssituation im Allgemeinen hat. Gleichzeitig hat das GKV-FinStG zu einem deutlichen Komplexitätszuwachs des Verfahrens geführt, weswegen einige der vorgesehenen Maßnahmen wie der Abschlag auf Kombinationstherapien bislang nicht umgesetzt werden.

Andere Schlussfolgerungen:

  • Zudem deutet sich mittlerweile in einigen Bereichen in der Gesundheitspolitik ein Umdenken an, dass die Verfeinerung der Regelungen im Sinne höherer Komplexität nicht immer zu einer Verbesserung der Situation führt, sondern Pragmatismus notwendig ist, um die Regelungen überhaupt rechtssicher umsetzen zu können.
  • Es bleibt abzuwarten, ob die Minderung von Spielraum bei den Preisverhandlungen (z. B. durch Vorgaben, ab welchem Zusatznutzen überhaupt ein Preiszuschlag gesetzlich erlaubt ist) zu substanziellen Einsparungen führt, ohne die Versorgung der Patientinnen und Patienten zu beeinträchtigen.
  • Offenbar kommen auch die langfristigen, kaum valide monetär bewertbaren Effekte solcher Neuregelungen (z. B. im Hinblick auf die Standortdebatte in Deutschland für Hochtechnologie und Produktion) mehr in das Blickfeld der Gesundheitspolitik.
  • Das öffnet gegebenenfalls in den kommenden Monaten auch die Möglichkeit für Reformschritte, die bislang in Deutschland als völlig ausgeschlossen galten (wie die optionale Nutzung von Kosten-Nutzen-Analysen, vertraulicher Erstattungspreise und Pay-for-Performance-Regelungen als Ergebnis der Preisverhandlungen auf GKV-Ebene).

 

Eine grafische Darstellung der Änderungen laut des GKV-FinStG. (Grafik: DAK)

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