Das E-Rezept hängt fest


Karl Lauterbach hat es schon mehrfach angekündigt: Das E-Rezept ist ein zentraler Baustein in der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Doch die Geschwindigkeit erinnert eher an einstige ISDN-Leitungen. Die Hintergründe.

Über die elektronische Gesundheitskarte können künftig immer mehr Menschen ein E-Rezept ausstellen lassen (Fotocredit: gematik GmbH)

Deutschland und das digitale Gesundheitswesen sind nicht gerade für Turbomodus bekannt. Da macht auch das E-Rezept keine Ausnahme. Patient:innen können sich bisher nicht einfach eines ausstellen lassen. Ab dem 1. Juli E-Rezepte über die elektronische Gesundheitskarte einzulösen, geht es zwar voran – allerdings sehr zäh und holprig, wie Reza Mazhari, der den Fachbereich eHealth und Digitalisierung in der Versorgung bei der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen leitet, im Gespräch mit „Heise online“, ausführte. 

Oft fehlen die technischen Voraussetzungen. Praxisverwaltungssysteme (PVS) seien teils nicht für das E-Rezept ausgestattet, einigen Apotheken fehlen Kartenlesegeräte für die elektronische Gesundheitskarte (eGK) und viele Praxen seien ebenfalls noch nicht genug informiert.

Woran hakt es außerdem?

Diversifiziert ist auch der Markt der verschiedenen Praxisverwaltungssysteme (PVS) – nicht alle sind hier auf dem gleichen Stand, ebenso wenig die Mediziner:innen. Zwar sei der größte Teil der PVS mit dem E-Rezept-Modul ausgestattet, wie Mazhari erläuterte. Aber eben noch nicht alle. Hinzu kämen andere Faktoren, etwa ob Ärzte einen aktivierten elektronischen Heilberufeausweis (eHBA) hätten und somit die qualifizierte elektronische Signatur verwenden könnten. Denn selbst wenn die meisten einen eHBA hätten, bedeute das nicht zwangsläufig, dass dieser aktiviert sei.

Als positiven Punkt nannte Mazhari allerdings, dass das E-Rezept für Störungen oder Ausfälle der Telematikinfrastruktur, dem Gesundheitsnetz, gut gerüstet sei. „Beim E-Rezept ist das besser gelöst als bei der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU), nämlich dass man das jahrelang bekannte Muster 16 beibehält“, sagte er im Interview.

Auf welche Wege kann ein E-Rezept eingelöst werden?

  • neue Lösung der elektronischen Gesundheitskarte (eGK)
  • die E-Rezept-App
  • Ausdruck
     

Zukünftig kommen die Apps der Krankenkassen hinzu, wie der Fachmann ausführte. Einige PVS-Hersteller hätten zudem ihre eigenen Patienten-Apps.

Gematik kündigt erleichterte Mehrfachverordnungen an

Aktuell hat die Gematik weitere Neuerungen für Mehrfachverordnungen angekündigt, um Wege, Termine und Verwaltungsaufwand einzusparen:

• Menschen, die dauerhaft ein bestimmtes Arzneimittel benötigen, können bis zu vier identische E-Rezepte auf einmal erhalten, die sie nacheinander einlösen können

• Nicht mehr benötigte E-Rezepte können Ärzt:innen einfach löschen

• Mehrfachverordnungen für E-Rezepte sind gültig wie von Ärzt:innen individuell angegeben (max. 365 Tage)

Der Einlösevorgang in der Apotheke funktioniert über die E-Rezept-App ebenso wie über die Vorlage des Ausdrucks (sowie künftig auch über den dritten Einlöseweg mit der eGK). Versicherte sparen sich also künftig bis zu drei Quartale lang den Weg in die Arztpraxis für ihr Folgerezept, sofern sich an der Medikation nichts ändert. Die Apotheke kann über den Fachdienst auf die jeweils gültige Mehrfachverordnung zugreifen und Versicherte können sich das Arzneimittel beispielsweise auch per Botendienst zustellen lassen. In ihrer Pressemitteilung erläutert die Gematik, das Feature für Mehrfachverordnungen sei im April 2023 erprobt worden.

Das bedeutet allerdings nicht, dass das schon im Alltag funktioniert. Denn generell läuft die Entwicklung des E-Rezepts schleppend. Mazhari kritisierte die Kommunikation von Seiten der Politik als „sehr unglücklich“. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach habe angekündigt, das E-Rezept würde ab dem 1. Juli durchstarten. Und ergänzte: „Damit meinte er allerdings nur, dass die Lösung, das E-Rezept über die elektronische Gesundheitskarte einzulösen, funktionieren wird und auch das ist eher Ende Juli wahrscheinlich.“

Geregeltes E-Rezept erst Ende 2024

Seine Prognose fällt grundsätzlich weitaus pessimistischer aus. Der Experte rechnet damit, dass „wir bis Ende 2024 so weit sind, dass wir von einer geregelten E-Rezept-Ausstellung sprechen können“. 

Dann jedoch werde das E-Rezept die erste Anwendung der Telematikinfrastruktur sein, die viele Änderungen im Praxisablauf mit sich bringe. Aber gleichzeitig habe sie das größte Potenzial, Zeit zu ersparen und bei einer guten Umsetzung tatsächlich die Versorgung zu verbessern. Mehr Potenzial sieht Mazhari, wenn das E-Rezept in die elektronische Patientenakte integriert werde und Versicherte eine App für alles haben.

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