DiGA: Immer noch erklärungsbedürftig


Selfapy und Pfizer kooperieren bei einer DiGA zu chronischen Schmerzen. Dazu haben wir Nora Blum einige Fragen gestellt.

Das 5. Angebot von Selfapy in Kooperation mit Pfizer: Unterstützung bei chronischen Schmerzen.

 

Nora Blum, Gründerin und Geschäftsführerin von Selfapy, hat gerade erst auf der Bits & Pretzels Healthtech 2023 zusammen mit Pfizer in einem Panel über die Herausforderungen der Zusammenarbeit zwischen Pharma und Start-up geredet.

Beide Unternehmen waren sehr offen und selbstkritisch. Gerade der Faktor langwierige und zeitintensive Prozesse auf Seiten von Pharma und schnellere Abstimmungen und mehr Spontanität bei Start-ups können zu Reibungen führen. Aber, so betonte Thorsten Mintel, Director Strategic Innovation bei Pfizer, dass gerade dadurch auch viel Vertrauen ineinander entstanden ist und beide Seiten es so sehen, dass sie voneinander lernen können. Und Nora Blum gab den Rat in Richtung Start-ups, dass sie beim DiGA-Entwicklungsprozess mit sehr viel mehr Zeit rechnen sollten, ca. 1 bis 1,5 Jahre. Denn die Koordination der klinischen Studie und die Abstimmung mit dem BfArM hat durchaus seine Tücken.

 

PM—Report: Frau Blum, Sie schreiben auf LinkedIn, dass Selfapy „klammheimlich“ die fünfte DiGA zertifiziert hat. Warum klammheimlich?

Blum: Wir haben vor der Listung nicht kommuniziert, dass wir eine neue DiGA für Betroffene von chronischen Schmerzen auf den Markt bringen werden. Wir wollten den Überraschungseffekt!

 

PM—Report: Was ist der konkrete Ansatz Ihrer DiGA?

Blum: Die Kursinhalte basieren auf Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie (KVT). Für den Selfapy-Kurs bei chronischen Schmerzen wurden außerdem achtsamkeitsbasierte Elemente und Elemente der Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) im Kurs aufgenommen. In zwölf Lektionen werden unter anderem Informationen zur Schmerzentstehung und -aufrechterhaltung, Entspannungstechniken und Achtsamkeitsstrategien vermittelt, sowie das Aktivitätsniveau und das Selbstwirksamkeitserleben der Kursteilnehmer:innen erhöht. Regelmäßige Übungen zu typischen Problembereichen von Betroffenen mit chronischen Schmerzen sollen helfen, die Schmerzsymptomatik der Teilnehmer:innen zu reduzieren und ihre Lebensqualität zu verbessern.

 

PM—Report: Kooperiert haben Sie mit Pfizer. Wie kam es dazu?

Blum: Durch Nutzer:innenfeedback, zum Beispiel im Selfapy Online-Kurs bei Depression, haben wir bemerkt, dass chronische Schmerzen ein großes Thema für die Betroffenen sind. Einen Therapieplatz bei einem:r Psychotherapeut:in zu finden, ist schwierig. Suchen Patient:innen außerdem nach Therapeut:innen, die eine Zusatzqualifikation als Schmerz-Psychotherapeut:innen besitzen, kann die Suche noch länger dauern. Hier wollen wir ansetzen und eine Möglichkeit für  Betroffene schaffen, eine niedrigschwellige und fachgerechte Unterstützung zu erhalten. Bei der Behandlung von chronischen Schmerzen ist ein multimodales Therapiekonzept erforderlich. Hierbei steuert Selfapy seine Expertise bezüglich der Umsetzung verhaltenstherapeutischer Behandlungsstrategien in ein digitales Angebot bei. Pfizer ergänzt dieses Angebot durch eine hohe Expertise bei der fachgerechten somatischen Behandlung chronischer Schmerzerkrankungen.  Für uns stand fest, dass wir „Selfapys Online-Kurs bei chronischen Schmerzen” innerhalb einer solchen Partnerschaft auf den Markt bringen wollen.

 

PM—Report: Was bringt Pfizer mit ein, Sie nennen als Stichwort die Vermarktung?

Blum: Genau. Pfizer begleitet uns bei der Markteinführung sowie der Vermarktung unseres neuen Kurses. Als starker Partner mit einer besonderen Expertise im Bereich der Schmerzbehandlung steht Pfizer uns vor allem auch mit seinem Expert:innen-Netzwerk zur Seite.

 

PM—Report: Erhält man durch ein Pharmaunternehmen mehr Schub?

Blum: Ich denke, vor allem durch die Unterstützung im Bereich der Vermarktung erhalten wir mit der Hilfe von Pfizer eine höhere Reichweite. Als Pharmaunternehmen hat Pfizer den notwendigen Zugang zu Ärzt:innen, die entscheidend für die Verschreibung der Selfapy-DiGA sind. Selfapy kann durch die Kooperation wichtige Ressourcen schonen und diese in die weitere Verbesserung des Kursangebotes investieren. Das verleiht Schub.  

 

PM—Report: Dr. med. Alexandra Widmer verschreibt ihren Patient:innen bereits DiGA. Sie fordert: „Die #DiGAs müssen in der #Apotheke eingelöst werden. Und zwar an dem Tag, wo der Patient beim Arzt war und die Motivation hoch ist!“ Was halten Sie davon?

Blum: Selfapy möchte psychologische Unterstützung niedrigschwellig zugänglich machen. Wir halten es daher für enorm wichtig, Ärzt:innen, Psychotherapeut:innen sowie Patient:innen über die Selfapy-DiGA aufzuklären. Dass die Betroffenen nach der Verschreibung über die Krankenkasse gehen müssen und teilweise relativ lange auf einen Freischaltcode warten müssen, halten wir ebenfalls für nicht optimal. Ein schnellerer, einheitlicher und vor allem für Patient:innen bekannter Weg zum Freischaltcode, z. B. über die Apotheke, halte ich für eine gute Idee, um den Zugang noch niedrigschwelliger zu gestalten.

Das komplette Interview lesen Sie in der Sommerausgabe des PM—Report (29. Juni 2023).

Mittlerweile ist bekannt worden, dass Nora Blum nach über sieben Jahren ihr Start-up verlässt. Dazu hat sie ein Interview mit der Gründerszene gegeben.

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