Digital-Gesetz und Gesundheitsdatennutzungsgesetz beschlossen


„Das Bundeskabinett beschließt Digitalgesetze für bessere Versorgung und Forschung im Gesundheitswesen“, so heißt es ganz nüchtern beim BMG. Der zuständige Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sieht es als „Aufholjagd“.

Grüner Haken beim Digital-Gesetz und Gesundheitsdatennutzungsgesetz. (Foto von Franck auf Unsplash) 

Beschlossene Sache: Die zwei Digitalgesetze

Nun sind die Entwürfe eines „Gesetzes zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens“ (Digital-Gesetz - DigiG) und eines „Gesetzes zur verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten“ (Gesundheitsdatennutzungsgesetz – GDNG) vom Bundeskabinett beschlossen worden. Damit soll der Versorgungsalltag und die Forschung verbessert werden.

Lauterbach schätzt das so ein und kündigt gleich ein neues Gesetz an:

„Die Digital-Gesetze sind das Fundament digitaler Versorgung und Forschung in unserem Gesundheitssystem. Damit starten wir sowohl im Versorgungsalltag wie in der Forschung eine Aufholjagd und bauen in Deutschland eine der modernsten medizinischen Digitalinfrastrukturen in Europa auf.

Patienten sollen sich darauf verlassen können, dass ihre Gesundheitsdaten überall sicher genutzt werden, um sie besser zu versorgen. Und Wissenschaftler sollen sicher sein, dass sie in Deutschland die beste Voraussetzung für ihre Forschung bekommen. 

Im Anschluss an diese beiden Gesetze, die jetzt ins Kabinett gehen, werden wir noch dieses Jahr ein Medizinforschungsgesetz zur umfassenden Beschleunigung von Klinischen Studien vorlegen.

Mit diesen Reformen starten wir einen Fasttrack, um Krebsforschungsstudien, Demenzstudien durchzuführen und andere wichtige Forschungsfragen in der Medizin zu beantworten. Mein Wunsch ist es, dass wir KI – am besten „Made in Germany“ – einsetzen, um in der Entwicklung von Arzneimitteln und Medizinprodukten wieder spitze zu werden.“

Kernelemente der beiden neuen Digitalgesetze

Die ePA wird ab 2025 im Rahmen des Digital-Gesetzes für alle gesetzlich Versicherten, die dem nicht widersprechen, bereitgestellt (heißt: Opt-Out). Der Austausch und die Nutzung von Gesundheitsdaten sollen dadurch vorangetrieben und die Versorgung gezielt unterstützt werden – im ersten Schritt durch die Einführung eines digitalen Medikationsmanagements. Das E-Rezept wird als verbindlicher Standard in der Arzneimittelversorgung eingerichtet.

Mit dem GDNG sollen Gesundheitsdaten besser und schneller ausgetauscht und verwendet werden können, „um eine optimale medizinische Versorgung bieten zu können und den Gesundheits-, Forschungs- und Wirtschaftsstandort Deutschland an die Weltspitze heranzuführen.“

Vor allem die Nutzbarkeit von Gesundheitsdaten für gemeinwohlorientierte Zwecke wird erleichtert. U. a. wird dafür eine dezentrale Gesundheitsdateninfrastruktur mit einer zentralen Datenzugangs- und Koordinierungsstelle für die Nutzung von Gesundheitsdaten aufgebaut. Außerdem soll der Aufbau einer international wettbewerbsfähigen Gesundheitsdateninfrastruktur beschleunigt werden.

Reaktionen einiger Verbände

Für Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands, „wird mit dem Digitalgesetz nun eine Anwendung vorangebracht, die zu dessen Herzstück werden kann: die elektronische Patientenakte (ePA). Den Paradigmenwechsel zur freiwilligen ePA mit opt-out - alle gesetzlich Versicherten bekommen die ePA, es sei denn, sie widersprechen aktiv - begrüße ich ausdrücklich. Denn nur so kann die Anwendung flächendeckend zum Einsatz kommen, was eine Grundvoraussetzung dafür ist, dass die ePA ihre Vorteile entfalten kann. Dies sind ganz konkret eine bessere Versorgung und mehr Sicherheit für Patientinnen und Patienten. Daher ist es richtig, dass Ärztinnen und Ärzte verpflichtet werden, die ePA mit Daten und Befunden zu füllen.“
 
Das Gesundheitsdatennutzungsgesetz „schafft die Grundlage für eine bessere Datennutzung in Deutschland. Das ist wichtig, denn eine gute Datengrundlage kann die Versorgung verbessern und sogar Leben retten - das hat sich nicht zuletzt während der Corona-Pandemie gezeigt. Diese Chance nicht zu nutzen, wäre fatal, zumal Deutschland hier bereits hinter andere Länder wie die USA oder Israel zurückgefallen ist.

Ein Beispiel sind Daten im onkologischen Bereich. Wenn das neue Gesetz eine bessere pseudonymisierte Verknüpfung von Daten des Forschungsdatenzentrums Gesundheit mit den Krebsregisterdaten der Länder ermöglicht, würde dies die Krebsforschung und -behandlung entscheidend voranbringen. Allerdings: Gesundheitsdaten sind sehr sensibel. Deshalb ist uns der im Gesetz vorgesehene Fokus auf gemeinwohlorientierte Zwecke sehr wichtig“, schlussfolgert Pfeiffer.

Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst begrüßt „das Digitalgesetz und das Gesundheitsdatennutzungsgesetz. Die neuen Gesetze bringen Tempo in die Digitalisierung des Gesundheitswesens. Sie werden helfen, die Qualität der medizinischen Versorgung in Deutschland zu halten und zu verbessern – trotz Ärztemangel, Pflegenotstand und chronischer Unterfinanzierung. Der Wechsel zum Opt-out sowohl bei elektronischer Patientenakte (ePA) als auch bei der Nutzung von Gesundheitsdaten wird dafür sorgen, dass die Vorteile der Digitalisierung bei den Menschen auch ankommen und spürbar werden.

Röntgen- und CT-Bilder auswerten, Tumore oder Veränderungen im Herz-Kreislauf-System im Frühstadium identifizieren, Therapien gegen Krebs individuell anpassen: Technologien wie Künstliche Intelligenz und Big Data haben für Patienten ein riesiges Potenzial und werden Leben verlängern und retten. Dafür braucht man Daten, ohne Daten geht es nicht.“

Laut einer von Bitkom durchgeführten Studie bejahen 68% der Deutschen, dass Daten aus der elektronischen Patientenakte anonymisiert auch für eine verbesserte Forschung genutzt werden.  


Der Verband der Diagnostica-Industrie e.V. (VDGH) erkennt zwar die „positiven Schritte“ an, aber „es bleiben wichtige Bereiche der Gesundheitsversorgung unberücksichtigt.“

VDGH-Geschäftsführer Dr. Martin Walger benennt die Lücken: 

„Das Bundeskabinett hat heute eine Chance verpasst, die Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) tiefer in die Versorgung zu integrieren. Während die vorgesehene Ausweitung der DiGAs für bestimmte Medizinprodukte begrüßenswert ist, wird das Potenzial der In-vitro-Diagnostik komplett vernachlässigt.

Es ist unverständlich, warum DiGAs im Zusammenhang mit In-vitro-Diagnostika (IVD) ausgeschlossen werden. Besonders chronisch kranke Patienten wie Diabetiker könnten mit den digitalen Anwendungen ihre Krankheit deutlich besser selbst managen und so eine Verschlechterung ihrer Krankheit hinauszögern. Das könnte bei über 8 Mio. Diabetikern die Versorgung deutlich effizienter gestalten und Gesundheitsausgaben an anderer Stelle einsparen. Hier sind Nachbesserungen am Digitalgesetz erforderlich.“  


Zum Gesundheitsdatennutzungsgesetz betont er: „Eine einheitliche Auslegung des Datenschutzes wird Innovationen im Gesundheitswesen fördern.“ Auch der geplante zweckabhängige Zugang zu pseudonymisierten Gesundheitsdaten wird als wichtiger Fortschritt gesehen.

Aber: „Es gilt nun, darauf zu achten, dass diese Daten nach internationalen Standards gespeichert werden und der Datenabruf keinen unnötigen bürokratischen Mehraufwand verursacht. Die Gesetzgebung sollte ein Umfeld schaffen, das sowohl dem Datenschutz als auch der Innovationsfähigkeit der deutschen Gesundheitsindustrie gerecht wird“, fordert Walger.

 

 

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