Digitale Biomarker in Kleidung zur Diagnose und Überwachung 


Unter der Leitung von Prof. Dr. Aldo Faisal, Inhaber der Professur für Digital Health an der Universität Bayreuth, ist ein neues Instrument entwickelt worden: In der Kleidung sind digitale Biomarker eingebaut — so können bei neurologischen Erkrankungen die Patient:innen überwacht werden.

Digitale Biomarker ermöglichen die Diagnose und Überwachung von Krankheiten. (Foto von Solen Feyissa auf Unsplash)

Neues KI-System

Für ihre Fallstudien haben die internationalen Forschungsgruppen Sensoren genutzt, die in Kleidungsstücke eingebaut sind und die Körperbewegungen erkrankter Personen während ihres normalen täglichen Lebens registrieren. Algorithmen verarbeiten die von den Sensoren übermittelten Signale in ihrem Gesamtzusammenhang.

Dieses neue KI-System kann die für eine neurologische Erkrankung charakteristischen Bewegungsmuster identifizieren, die so klein sind, dass sie selbst für erfahrene Neurolog:innen unsichtbar bleiben. Aber es kann auch das Krankheitsstadium von Patient:innen ermitteln und in jedem Einzelfall mit hoher Genauigkeit vorhersagen, welchen weiteren Verlauf die Erkrankung ohne therapeutische Eingriffe voraussichtlich nehmen wird.

Digitale Biomarker als Monitoring

Die sensorgestützten Algorithmen fungieren als digitale Biomarker, die erstmals ein präzises und kontinuierliches Monitoring der Patient:innen ermöglichen. In diagnostischer Hinsicht sind diese Biomarker den etablierten klinischen Verfahren zur Erkennung neurodegenerativer Krankheitsbilder überlegen: Vom Ausbruch einer Erkrankung bis zum Aufspüren charakteristischer Symptome verstreicht nur etwa halb so viel Zeit wie bei der Anwendung traditioneller Methoden.  

Die beiden jetzt veröffentlichten Fallstudien zur Friedreich-Ataxie und zur Duchenne-Muskeldystrophie zeigen, dass die zugrunde liegende neue Technologie vom Prinzip her auf alle Erkrankungen anwendbar ist, die Störungen oder Veränderungen des Bewegungsverhaltens verursachen. Vor allem bei Erkrankungen, für die ein schleichender oder sehr wechselhafter Verlauf charakteristisch ist, kann sie wertvolle diagnostische und therapeutische Unterstützung leisten.

KI und Wearables

„Die systematische Verknüpfung von Wearables und Künstlicher Intelligenz versetzt die Medizin erstmals in die Lage, auch für seltene neurodegenerative Krankheiten Therapiekonzepte zu entwickeln, die auf die individuelle körperliche Verfassung der Patientinnen und Patienten zugeschnitten sind. Nach Beginn einer Therapie können unsere Biomarker dabei helfen, deren Wirksamkeit zu überprüfen und gegebenfalls nötige Anpassungen vorzunehmen“, sagt Prof. Dr. Aldo Faisal.

Wichtige Forschungsbeiträge zu der neuen Technologie sind unter seiner Leitung am Imperial College in London in Zusammenarbeit mit weiteren britischen Partnereinrichtungen entstanden. Als Professor für Digital Health an der Universität Bayreuth wird er sie am Standort Kulmbach in einem neuen „Quantitative Living Lab (QLiLa)“ weiterentwickeln, das sich derzeit im Aufbau befindet.  

Das Quantitative Living Lab (QLiLa) ist ein weltweit einzigartiges Vorhaben. Der Fokus der Forschungsarbeiten wird sich darauf richten, KI-Methoden für die Lösung gesundheitsrelevanter Fragen einzusetzen und sie dabei zugleich in den Lebensalltag zu integrieren. Dem von Prof. Faisal geleiteten interdisziplinären Team gehören Forscher:innen aus den Ingenieurwissenschaften, der Informatik, den Verhaltens- und den Neurowissenschaften an. Gemeinsames Ziel ist die Analyse menschlicher Verhaltensweisen und die Entwicklung neuer Technologien, die ein langes, gesundes und selbständiges Leben unterstützen. Die Idee des „Living Labs“ – auch „Reallabor“ genannt – überträgt den naturwissenschaftlichen und technischen Labor-Begriff auf einen Ort des täglichen Lebens, konkret auf zwei Wohnungen. Statt Wissenschaft in abstrakten Experimenten im Labor oder im Krankenhaus durchzuführen, sollen Menschen künftig in ihrem täglichen Leben mit digitalen Verfahren untersucht und behandelt werden können.

Originalpublikation:

B. Kadirvelu et al.: A wearable motion capture suit and machine learning predict disease progression in Friedreich’s ataxia. Nature Medicine (2023), DOI: https://dx.doi.org/10.1038/s41591-022-02159-6

V. Ricotti et al.: Wearable full-body motion tracking of activities of daily living predicts disease trajectory in Duchenne muscular dystrophy. Nature Medicine (2023), DOI: https://dx.doi.org/10.1038/s41591-022-02045-1

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