EMA lässt einarmiges Studiendesign erörtern


Arzneimittel könnten künftig öfter ohne Placebo-Studien zugelassen werden. Die Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) hat die Diskussion darüber eröffnet, wie einarmige Studien Evidenz für die Zulassung von Medikamenten in der EU liefern können.

Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) mit Sitz in Amsterdam schützt und fördert die Gesundheit von Mensch und Tier durch die Bewertung und Überwachung von Arzneimitteln innerhalb der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraums. (Fotocredit: European Union, 2020)

Weithin gelten randomisierte klinische Studien (RCTs) als Goldstandard, wenn es darum geht, Nachweise zu generieren, die von den Zulassungsbehörden benötigt werden, um die Wirksamkeit und Sicherheit eines neuen Arzneimittels zu bewerten. Dabei wird eine neue Behandlung mit einem Placebo oder einem bestehenden Behandlungsstandard verglichen. In RCTs werden die Patienten nach dem Zufallsprinzip entweder der aktiven Behandlung oder dem Kontrollarm zugeteilt. Üblicherweise werden in diese Studien große Patientenzahlen eingeschlossen, um belastbare Daten zur Wirksamkeit einer Behandlung zu bekommen.

Auf bestimmten Gebieten wie seltenen Krankheiten einschließlich seltener Krebsarten, in denen die Zielgruppen neuer Arzneimittel oft sehr klein sind, wird ein Teil der Zulassungsanträge mit klinischen Daten aus einarmigen Studien (single-arm trials, SATs) als zentrale Evidenz bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) eingereicht.

Da es in einer einarmigen Studie keine randomisierten Vergleichspersonen gibt, erhalten alle Patienten in der Studie die experimentelle Behandlung. Beobachtet werden nur die Ergebnisse unter der experimentellen Behandlung.

Reflexionspapier der EMA zu SATs

Die EMA hat nun anhand eines Reflexionspapiers die öffentliche Konsultation eröffnet, in dem Schlüsselkonzepte für einarmige klinische Studien erörtert werden. Das Reflexionspapier skizziert Überlegungen zu SATs, die als zentrale Evidenz zum Nachweis der Wirksamkeit in einem Zulassungsantrag eines Arzneimittels in der Europäischen Union (EU) eingereicht werden.

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Der Begriff SAT ist für das aktuelle Papier weit gefasst. In der Beschreibung heißt es:

„Im Allgemeinen erstrecken sich die Überlegungen in diesem Reflexionspapier auch auf Studien, die mehr als einen Arm enthalten, aber zu einer Kontrolle nicht für einen formalen Vergleich randomisiert werden. Dazu gehören nicht-randomisierte Studien sowie Studien, in denen nur experimentelle Arme randomisiert werden, aber keine formalen Vergleiche zwischen den Armen. Ein Beispiel für eine solche Studie wäre eine Plattformstudie, in die mehrere Behandlungsarme eingeschlossen, aber nicht formal verglichen werden, und die als ‚Serie von SATs‘ angesehen werden kann. Alle diese Designs gelten für die Zwecke dieses Reflexionspapiers als SATs.“

Was einarmiges Studiendesign limitiert

Generell weist die EMA noch einmal auf die Faktoren hin, die ein einarmiges Studiendesign einschränken: Da die Randomisierung fehle, unterstütze das Design keine kausale Interpretation als Wirkung der Behandlung und müsse sich auf Wissen außerhalb des SAT stützen. So ließe sich das durchschnittliche Ergebnis der Studienpopulation abschätzen, wenn Patienten nicht mit dem experimentellen Medikament behandelt worden wären.

Auch könne der Effekt der Behandlung nicht quantifiziert werden. Dieser sei demnach schwieriger zu interpretieren und weniger verlässlich zu belegen.

Wie SATs dennoch zur Zulassung beitragen können

Aus diesen Gründen betont die EU-Arzneimittelbehörde, was wichtig ist, wenn aus SATs abgeleitete Ergebnisse als zentrale Nachweise für die Zulassung verwendet werden sollen. Auf ihre Angemessenheit müsse im Hinblick auf ihre Merkmale, Einschränkungen und verbleibenden Unsicherheiten systematisch hingewiesen werden.

Dies helfe dabei festzustellen, ob der Nachweis der Wirksamkeit überhaupt auf SATs beruhen könne, und wenn ja, wie die Wirkung der Behandlung charakterisiert und verbleibende Unsicherheiten verstanden werden können, um über die Nutzen-Risiko-Bewertung bestmöglich zu informieren.

Interessengruppen können Kommentare einreichen

Ziel ist der EMA es nun, die wissenschaftliche Diskussion über Schlüsselkonzepte und Herausforderungen im Zusammenhang mit einarmigen Studien anzuregen und deren Design und Durchführung zu verbessern.

Das Reflexionspapier wurde vom Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der EMA mit Beiträgen des Ausschusses für neuartige Therapien (CAT), der Methodology Working Party (MWP) und der Oncology Working Party (ONCWP) angenommen. Dies ist das erste Leitliniendokument einer internationalen Arzneimittelbehörde, das die Überlegungen und Herausforderungen im Zusammenhang mit dieser Art von klinischen Studien formuliert. Interessengruppen werden gebeten, ihre Kommentare bis zum 30. September 2023 um Mitternacht (MEZ) über ein Online-Formular einzusenden.

Nach der öffentlichen Konsultation werden Kommentare von Interessenträgern analysiert und im endgültigen Dokument berücksichtigt, das 2024 veröffentlicht werden soll.

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