GDNG: „Spannende Chancen“ für die Gesundheitsversorgung


Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ist durch mit seiner Digitalisierungsstrategie für das Gesundheitswesen inklusive Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG).

Durch den rechtlichen Rahmen bei Gesundheitsdaten soll sich das Puzzle zusammenfügen und eine bessere Gesundheitsversorgung ermöglichen. (Foto von Hans-Peter Gauster auf Unsplash)

 

Matthias Mieves als Mitglied im Ausschuss für Gesundheit und Digitalisierung freut sich und postet auf LinkedIn:

„Wir haben lange darauf gewartet - jetzt ist es endlich da. Das Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG). Mit dem GDNG schaffen wir einen rechtlichen Rahmen, der es ermöglicht, anonymisierte und sorgfältig geschützte Gesundheitsdaten für Forschungszwecke zu nutzen. Das eröffnet uns spannende Chancen, die Gesundheitsversorgung auf ein neues Level zu heben.“

Diese Punkte können laut Mieves nun umgesetzt werden:

  • Vereinfachung der Datenschutzaufsicht: Nach dem Entwurf unterliegt dem Bundesbeauftragten (BfDI) die ausschließliche Zuständigkeit für Stellen, die mit Sozialdaten arbeiten z. B. für Kranken- und Pflegekassen, das ZI, Prüfstellen und Ethik-Kommissionen. Bei länderübergreifenden Vorgängen wird eine federführend zuständige Aufsichtsbehörde benannt. Bei Uneinigkeit gibt es einen Mechanismus zur Beilegung.
  • Datenschutz by design: Wo möglich, wird mit anonymisierten, aggregierten Daten gearbeitet. Die Pseudonymisierung wird geklärt und eine sichere Arbeitsumgebung für Daten mit Personenbezug definiert. Der Zugang wird erleichtert, indem der Weg und die Anforderungen klar aufgezeigt werden.
  • Verknüpfung von Gesundheitsdaten: Die Daten des Forschungsdatenzentrums und Daten der klinischen Krebsregister können nach einem einheitlichen Antragsprozess datenschutzkonform und rechtssicher verknüpft und genutzt werden.
  • Forschung wird einfacher: Abrechnungsdaten werden früher geliefert. Unbereinigte Daten werden vorab übermittelt, Pflege- und Krankenkassen übermitteln quartalsweise weiter an das Forschungsdatenzentrum, wo die Anträge auf Zugang geprüft werden. Entscheidend ist der Nutzungszweck, nicht mehr die Antragstellungen Institution.
  • Stärkung des Gesundheitsdatenschutzes: Personenbezogene Gesundheitsdaten werden durch die Einführung eines Zeugnisverweigerungsrechts für mit Gesundheitsdaten Forschende und eines Beschlagnahmeverbots für Gesundheitsdaten geschützt. Die Einführung eines Forschungsgeheimnisses ermöglicht zudem die strafrechtliche Verfolgung und Sanktionierung der Preisgabe von Informationen, die im Rahmen einer Weiternutzung von personenbezogenen Gesundheitsdaten abgeleitet werden.
  • Nachhaltigkeit und EHDS: Mit den Maßnahmen für den Ausbau der dezentralen Gesundheitsdateninfrastruktur werden maßgeblichen im EHDS erwarteten europäischen Anforderungen europarechtskonform vorgegriffen, um die Anschlussfähigkeit der künftigen Gesundheitsdateninfrastruktur an den EHDS frühzeitig sicherzustellen. Dieser Ansatz ermöglicht es auch, schon vor Inkrafttreten des EHDS die Datenverfügbarkeit für Einrichtungen im Gesundheitswesen deutlich zu verbessern.

 

Tania Abbas ist u.a. Sprecherin des Bundesverbands Gesundheits-IT (bvitg e. V.), der in Deutschland die führenden IT-Anbieter im Gesundheitswesen vertritt. Auch sie hat auf LinkedIn die für sich wichtigsten Punkte aufgeschlüsselt:

  • Weiterentwicklung ePA: Start ePA zum 15.01.2025 (mit Opt-Out) 
  • Phase 01: E-Medikationsplan; dann folgen elektronische Patientenkurzakte mit Notfall-Daten und die Labordaten-Befunde. | Ziel: 2025 80 % der Versicherten die digitale Akte haben UND nutzen!
  • Zudem können Apotheken Maßnahmen der assistierten Telemedizin anbieten: „Die bestehenden Behandlungsmöglichkeiten im Wege der Telemedizin werden um die begleitende Versorgung und Unterstützungsleistungen durch Apotheken ergänzt“, beschreibt der Entwurf.
  • Weiterentwicklung E-Rezept: E-Rezept-App der Telematik künftig auch mit einer ePA-App nutzbar. Beantragung eGK inklusive PIN und digitaler Identität aus der E-Rezept-App möglich.  
  • Weiterer Ausbau DiGAs: Der Preis einer Digitalen Gesundheitsanwendung (DiGA) soll stärker an Erfolgskriterien ausgerichtet werden. 
  • Weiterentwicklung Telemedizin: Videosprechstunden und Telekonsultationen sollen "qualitätsorientiert" weiterentwickelt werden. 
  • Der Gesetzentwurf sieht auch die Aufhebung der Grenzen für Videosprechstunden vor. „Es obliegt den Institutionen der Selbstverwaltung, Qualitätsanforderungen zu definieren und diese dann bei der Bemessung der Vergütung zu berücksichtigen“, steht dazu im Referentenentwurf.

 

Reaktionen der Verbände

Der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) und auch der Verband der Diagnostica-Industrie (VDGH) begrüßen das Vorhaben, die Digitalisierung im Gesundheitswesen und eine bessere Datennutzung voranzutreiben. Für den BVMed ist der verbesserte Zugang zu Versorgungsdaten für forschende Unternehmen, die einheitliche Auslegung des nationalen und europäischen Datenschutzrechts sowie die Ausweitung der digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) auf Medizinprodukte der Klasse IIb ausschlaggebend.

Für den VDGH könnte bei den DiGA aber noch mehr gehen. Versicherte werden weiterhin keinen Anspruch auf In-vitro-Diagnostik-Software bekommen. Insbesondere chronisch kranke Patienten wie Diabetiker, Patienten mit Lungenerkrankungen oder Pflegebedürftige werden von zahlreichen digitalen Gesundheitsanwendungen, die Daten aus In-vitro-Diagnostika verarbeiten, nicht profitieren, kritisiert der VDGH.

Marcus Kuhlmann, Leiter des Fachverbandes Medizintechnik bei SPECTARIS, findet: „Die Gesetze sind wichtige Bausteine, um die seit Jahren stockende Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen voranzutreiben und der Innovationsdynamik im Bereich Medizintechnologien neuen Schwung zu verleihen.“

Entscheidend wird nicht mehr sein, wer den Antrag auf Daten zu Forschungszwecken beim Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), der künftigen zentralen Sammel- und Koordinierungsstelle für Gesundheitsdaten, stellt, sondern wozu diese Daten genutzt werden sollen. „Damit können zukünftig auch Unternehmen der Medizintechnikindustrie bestimmte Gesundheitsdaten nutzen, sofern das BfArM dem Forschungszweck zustimmt“, erklärt Kuhlmann.

Positiv bewertet er auch, dass die Maßnahmen für den Ausbau einer dezentralen Gesundheitsdateninfrastruktur auch die durch den Europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS) zu erwartenden Vorgaben erfüllen sollen und damit die ebenfalls geforderte Anschlussfähigkeit des GDNG an den EHDS sichergestellt sein soll.

Dass der Leistungsanspruch auf digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) mit Medizinprodukten höherer Risikoklassen ausgeweitet werden soll, ist für Kuhlmann der richtige Schritt, „dass das BMG nach wie vor und völlig zurecht an den DiGAs festhält und diese nunmehr sogar, wie von den Medizintechnikverbänden lange gefordert, auf DiGAs mit Medizinprodukten höherer Klassen ausweiten will.“ Dass die Preisgestaltung bei DiGAs dabei künftig stärker als bisher an Erfolgskriterien ausgerichtet und damit für eine Steuerung des Angebots besser nutzbar werden soll, ist nachvollziehbar und richtig, sagt Kuhlmann.

bevh-Arbeitskreis Digital Health

Der Bundesverband E-Commerce & Versandhandeler bevh hat den Arbeitskreis Digital Health ins Leben gerufen. Dr. Philip Nölling, Geschäftsführer von dpv-analytics und Sprecher dieses Arbeitskreises, erklärt die Ziele: „Der Arbeitskreis will die Rahmenbedingungen der Branche durch den Verband politisch mitgestalten und verbindet die Mitglieder zu einem starken Netzwerk. Gemeinsam wollen wir zeigen, was der E-Commerce bereits für das Gesundheitswesen leistet und welche rechtlichen Stellschrauben noch angegangen werden müssen.” 

Unterstützt wird der Arbeitskreis von der Otto Group, weil „... die Herausforderungen der Zukunft eine Anpassung des regulatorischen Rahmens verlangen, um eine nachhaltige Gesundheitsversorgung weiterhin sicherzustellen. Der Zusammenschluss innerhalb des bevh will hier hilfreiche Impulse setzen und mit relevanten Stakeholdern in Austausch treten", so Manuel Grahammer, der bei der Otto Group zuständig ist für Public Affairs im Bereich Digital Health.

Wichtigstes Anliegen sei es, das grundgesetzlich verankerte Politikziel zu verwirklichen, eine Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse zu sichern. Denn dort, wo Apotheken und Ärzte fehlen, können digitale Lösungen und der Arzneimittelversandhandel den Menschen vor Ort eine bessere Versorgung ermöglichen.

Data for Health Conference

Am 20. und 21. Juni hat das BMG währenddessen zusammen mit der Harvard Medical School die Data for Health Conference 2023 veranstaltet. So soll an künstlich erzeugten, sogenannten Synthetischen Daten untersucht werden, welche Auflagen es in der internationalen Forschung an Gesundheitsdaten gibt und wie diese erfüllt werden können. In Podiumsdiskussionen und Workshops wurden mögliche neue Impulse und Lösungsansätze diskutiert, um die Forschung mit internationalen Gesundheitsdaten zu verbessern.

Zu den Videostreams der beiden Kongresstage kommen Sie hier.

 

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