Hausarztbesuche in Deutschland: Ein Blick auf die Praxis


Kurze Besuche, hohe Frequenz – Einblicke in Deutschlands Hausarztpraxis und ihren Zusammenhang mit Vergütungssystemen. Aktuelle Studienergebnisse.

Der Austausch zwischen Ärzt:innen und Patient:innen ist ein Schlüsselfaktor für gute Versorgung. (Foto Pexels / Thirdman)

 

Der Austausch zwischen Ärzt:innen und Patient:innen ist ein Schlüsselfaktor für gute Versorgung, insbesondere im hausärztlichen Sektor. Wie viel Zeit für die ärztliche Untersuchung und Beratung, die sogenannte Kontaktzeit, allerdings angemessen ist, darüber besteht weder in der gesundheitspolitischen noch in der wissenschaftlichen Diskussion Einigkeit.

Zusammenhang zwischen Vergütungssystem und Kontaktzeit

Eine aktuelle Studie des ZEW Mannheim, unterstützt durch die Strube Stiftung, zeigt, dass sich die hausärztliche Versorgung und deren Vergütung zwischen europäischen Ländern stark unterscheiden. 

Die ZEW-Wissenschaftler:innen haben neben einer systematischen Analyse der bestehenden Literatur deskriptive Daten aus verschiedenen europäischen Ländern verglichen und qualitative Interviews mit Ärztinnen und Ärzten geführt. In den Daten fällt Deutschland im Vergleich dadurch auf, dass Patient:innen nur wenig Zeit beim Arztbesuch verbringen, aber viele Termine wahrnehmen.

 „Für die gesundheitspolitische Diskussion über die Weiterentwicklung der ambulanten Versorgung muss geklärt werden, ob diese Form der Leistungserbringung gesellschaftlich gewünscht und wirtschaftlich nachhaltig ist“, so Prof. Dr. Simon Reif, Leiter der Forschungsgruppe „Gesundheitsmärkte und Gesundheitspolitik“ am ZEW und Co-Autor der Studie.

Vergütung als Ursache?

Ein Faktor, der deutlich mit der durchschnittlichen Kontaktzeit zusammenhängt, ist die Art, wie ärztliche Behandlungen vergütet werden. Länder, in denen jede Leistung einzeln abgerechnet wird, haben im Schnitt die längsten Kontaktzeiten und umgekehrt.

Sabrina Schubert, Wissenschaftlerin in der ZEW-Forschungsgruppe „Gesundheitsmärkte und Gesundheitspolitik“ und Co-Autorin der Studie, erklärt: „Es fällt außerdem auf, dass es einen fast linearen Zusammenhang zwischen durchschnittlicher Kontaktzeit und Kontakthäufigkeit gibt. Die Art, wie das Vergütungssystem gestaltet ist, kann also ein Hebel sein, um die gewünschte Leistungserbringung zu erreichen.“

Fehlende Daten erschweren robuste Evidenz

Die Frage nach der optimalen hausärztlichen Versorgung bleibt bisher unbeantwortet. Es gibt Anzeichen dafür, dass erfahrene Ärzt:innen weniger Zeit pro Patienten benötigen und der sozioökonomische Status die Dauer der Behandlung beeinflusst. Allerdings bleibt der Zusammenhang zwischen Kontaktzeit und Behandlungsqualität umstritten

Co-Autor Jan Köhler bringt es auf den Punkt: „Die unklare Studienlage ist vor allem auf die mangelnde Datenverfügbarkeit zurückzuführen, um solche Verknüpfungen auf empirischer Basis zu quantifizieren. Um die Gesundheitsversorgung auf evidenzbasierter Grundlage weiterzuentwickeln, sind eine umfassendere Datensammlung und kausale Studien dringend erforderlich.“

 

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