Die Rechtsaufsicht über den G-BA hat das Bundesministerium für Gesundheit. (Fotocredit: Svea Pietschmann/G-BA)
Wirkstoffe kann der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) nun rechtssicher auf ihren Nutzen bewerten – auch wenn sie in einem Anwendungsgebiet das einzige bisher zugelassene Arzneimittel sind. Es sind die sogenannten therapeutischen Solisten. Das regelt das in Kraft getretene Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) in § 35a SGB V.
Zunächst hatte das Bundessozialgericht (BSG) im Frühjahr 2023 die Nutzenbewertung bei therapeutischen Solisten als rechtswidrig betrachtet („Solisten-Urteil“). Jetzt ist deutlich, dass die frühe Nutzenbewertung auf alle erstattungsfähigen Arzneimittel anzuwenden ist und daher auch auf Solisten (§ 35a Abs. 1 Satz 1 SGB V). In der Pressemitteilung des G-BA heißt es: Als zweckmäßige Vergleichstherapie könne der G-BA in Ausnahmefällen die zulassungsüberschreitende Anwendung von Arzneimitteln (Off-Label-Use) ebenso bestimmen. Dies sei möglich, wenn sie in einem Anwendungsgebiet nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse bislang als Therapiestandard galt. Darüber hinaus könne eine zweckmäßige Vergleichstherapie auch
- eine nicht-medikamentöse Therapie,
- die bestmögliche unterstützende Therapie oder
- das beobachtende Abwarten sein.
Diese Regelung sieht der neu ergänzte § 6 Abs. 2 der Arzneimittel-Nutzenbewertungsverordnung (AM-NutzenV) vor. Der G-BA begrüßt die klarstellenden Regelungen. Sie würden rechtssicher die bis zum BSG-Urteil geübte, die Versorgung berücksichtigende Verfahrenspraxis des G-BA, stützen.
Weitere Informationen
Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG), Bundesgesetzblatt vom 26.07.2023
Bundessozialgericht, Urteil vom 22. Februar 2023, B 3 KR 14/21 R („Solisten-Urteil“)
TTE-Daten sind mangelhaft
Damit die Solisten keine Einzelkämpfer bleiben, forscht die Branche ständig an neuen Arzneimitteln. Der G-BA ist hier in stetem Austausch mit dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Hierbei fließen – wie in anderen Bereichen der klinischen Forschung – regelmäßig sogenannte Time-to-Event- oder kurz TTE-Daten ein. Sie geben an, wie viel Zeit bis zu einem vorher definierten Ereignis vergangen ist.
Das sind beispielsweise geschätzte Kurven, die zeigen, wie sich der Anteil der überlebenden Patient:innen in der Interventions- und der Kontrollgruppe einer randomisierten kontrollierten Studie über die Zeit entwickelt.
Dass TTE-Ergebnisse in Studien häufig unvollständig und unsystematisch berichtet werden, ist schon länger bekannt. In einer Arbeit im „Journal of Clinical Epidemiology“ haben Forschende – darunter Ralf Bender, Leiter der Medizinischen Biometrie im IQWiG – nun untersucht, ob sich diese Mängel auch in Publikationen von Studien finden, die in systematische Übersichten eingeschlossen wurden.
Das Ergebnis: Mängel in der Dokumentation von Time-to-Event-Outcomes in klinischen Studien schwächen systematische Übersichtsarbeiten.
Häufig wären Ereignisse beispielsweise nicht klar definiert, heißt es in der Analyse oder Methoden und Nachbeobachtungszeiten nicht gut dokumentiert. Derlei Angaben seien aber nötig, um einzuschätzen, wie sicher die Ergebnisse von TTE-Analysen sind. Zudem variiere die Darstellung der TTE-Daten zwischen den Studien erheblich.
Das Team fordert daher: Autor:innen von Studienpublikationen randomisierter Studien sollten sich genau an die existierenden Richtlinien für TTE-Analysen halten. Zudem seien Berichtsstandards für Metaanalysen der Time-to-Event-Ergebnisse auf der Grundlage aggregierter Daten dringend notwendig.
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