Die Eckpunkte stehen nun endlich fest und zum 1. Januar 2024 soll die Krankenhausreform umgesetzt werden. (Foto von Marcelo Leal auf Unsplash)
So betonte Lauterbach am Nachmittag des 10. Juli: „Wir lösen das System der Fallpauschalen ab, durch ein System der Vorhaltepauschalen. Die Kliniken erhalten so Geld dafür, dass sie bestimmte Leistungen anbieten – selbst dann, wenn sie sie nicht immer erbringen. Das nimmt den ökonomischen Druck von den Klinken, erlaubt eine Entbürokratisierung und sorgt für mehr Sicherheit und Qualität bei der medizinischen Versorgung von Patienten. Das ist eine Revolution.”
Am 10. Juli hatten sich die Gesundheitsressorts von Bund und Ländern in Berlin erneut getroffen, um noch strittige Punkte und offene Fragen zur geplanten Krankenhausreform zu klären.
Was nun geplant ist
Krankenhäuser brauchen bisher viele Patienten, um sich wirtschaftlich halten zu können. Vor allem kleine Kliniken auf dem Land verfügen nicht über genügend Fälle. Seit langem wird von der Deutschen Krankenhausgesellschaft moniert, dass es zu einem Krankenhaussterben kommt.
Das bisherige System führt dazu, dass „Eingriffe gemacht werden, die nicht unbedingt medizinisch notwendig sind, nur damit das Krankenhaus überleben kann“, kritisierte Lauterbach am 6. Dezember 2022 im Deutschlandfunk. Zudem seien medizinische Fachbereiche in diesem System schwer finanzierbar, z. B. die Kinderheilkunde und die Pflege, aber auch oft die Spitzenmedizin.
Deswegen sollen sich die Krankenhäuser nun neu aufstellen: In „Allrounder“ und in „Spezialisten“ ganz vereinfacht gesagt. Dafür sind verschiedene „Level“ vorgesehen, die den Patient:innen zeigt, ob ein Krankenhaus vor allem die medizinische Grundversorgung oder auch komplizierte Behandlungen übernimmt. Auch spezialisierte Kliniken wie in der Krebsversorgung sollen so besser für Betroffene erkennbar sein.
Lauterbach erklärt, dass nur Kliniken, die die Qualitätskriterien für bestimmte Leistungen auch erfüllen, die Vorhaltepauschalen erhalten. „Die Patienten können sich darauf verlassen, dass die angebotenen Krankenhausbehandlungen auch immer nötig sind und vom Krankenhaus mit der entsprechenden Qualität durchgeführt werden können.“
Außerdem sei die Vorhaltepauschale von 60% eine Existenzgarantie für kleine Klinken. So könne eine flächendeckende medizinische Versorgung vor allem auf dem Land gesichert werden - trotz einbrechender Fallzahlen.
Die Eckpunkte
Übersicht der Einigung:
- Das überholte System der Fallpauschalen wird beendet. Stattdessen bekommen notwendige Kliniken Vorhaltepauschalen. Das heißt sie bekommen eine Art Existenzgarantie, selbst wenn sie vergleichsweise wenige Behandlungen anbieten.
- Somit bestimmt die Qualität und nicht mehr die Quantität die Versorgung. Durch das neue System der Vorhaltepauschalen erhalten Krankenhäuser die Chance, zu überleben. Patient*innen können sich darauf verlassen, dass ihre Behandlung wirklich nötig ist und gut gemacht wird.
- Der Bund legt nach der Sommerpause ein eigenes Gesetz zur Transparenz vor. Patienten haben ein Recht darauf zu wissen, welches Krankenhaus welche Leistungen mit welcher Qualität anbietet. Die Transparenz-Offensive soll am 1. Januar 2024 starten.
Das ganze Eckpunktepapier (15 Seiten) finden Sie hier.
Enttäuschung bei der DKG
So sehr sich Lauterbach freut, so enttäuscht ist die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG). Deren Vorstandsvorsitzender Dr. Gerald Gaß findet: „Das Ergebnis der Bund-Länder-Gespräche ist in seinen konkreten Auswirkungen enttäuschend. Aus der großen Krankenhausreform, die vollmundig als Revolution angekündigt wurde, wurde nun ein Eckpunktepapier voller Absichtserklärungen und Prüfaufträgen. Natürlich ist es gut und richtig, dass man sich auf Eckpunkte für diese Reform geeinigt hat, denn wir brauchen diese Reform dringend. Positiv ist auch, dass man von dem radikalen Totalumbau, den die Regierungskommission und Minister Lauterbach ursprünglich durchsetzen wollten, Abstand genommen hat und sich auf das Modell aus Nordrhein-Westfalen geeinigt hat, das unter Beteiligung von Krankenkassen und Krankenhausgesellschaft entwickelt worden ist. Positiv ist auch, dass es Öffnungsklauseln gibt, um regionale Besonderheiten abzudecken. Doch das wiegt die negativen Auswirkungen für die nähre Zukunft nicht auf.“
Diese sind seiner Meinung nach: „Für den großen Transformationsprozess gibt es auch nur eine Absichtserklärung einen entsprechenden Fond aufzulegen. Näheres bleibt aber vollständig unklar. Für einen geordneten Transformationsprozess wäre es aber dringend erforderlich gewesen, klarzustellen, welche Mittel für den Umbau der Krankenhauslandschaft bereitgestellt werden. Dort wo Krankenhausstandorte geschlossen werden sollen, müssen an anderen Stellen Krankenhäuser erweitert oder neu gebaut werden. Diese fehlende Planungssicherheit ist auch für die Menschen in der Region, gerade in den ländlichen Gebieten hoch problematisch. Die Länder haben sich noch nicht einmal zu einer verbindlichen Selbstverpflichtung zur Aufstockung ihrer Investitionsmittel auf das erforderliche Niveau bereit erklärt. Damit negieren auch die Länder ihren Anteil an der derzeitig miserablen Lage der Krankenhäuser.“
Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Dr. Carola Reimann, ist nicht mit allem einverstanden:
„... Am Ende muss eine Reform stehen, die die stationäre Versorgung tatsächlich voranbringen wird. Es besteht die Gefahr, dass zu viele Abstriche in Sachen Qualität gemacht werden, die auf Kosten der Patientinnen und Patienten gehen.
Die Einführung der Leistungsgruppen ist für uns das zentrale Element der Reform. Sie sollten allerdings auf der Bundesebene vorgegeben werden - ohne faule Kompromisse auf Kosten von Qualität und Patientensicherheit. Wichtig ist auch, dass Finanzierung und Planung künftig Hand in Hand gehen. Die Kliniken brauchen eine verlässliche finanzielle Perspektive, denn einen kalten Strukturwandel will keiner. Daher ist die geplante Einführung der Vorhaltefinanzierung notwendig.
Die Vorhaltefinanzierung läuft allerdings Gefahr, nicht wirklich den Sprung weg von der Fallpauschalen-Fixierung zu schaffen. Hier muss deutlich nachgebessert werden. Nur mit einem klaren Bevölkerungsbezug und Pauschalen, die vorab und unabhängig von der Rechnung des einzelnen Falls ausgezahlt werden, lassen sich die Planungssicherheit der Kliniken und die Bedarfsorientierung der Finanzierung strukturell verbessern.“
Dagegen begrüßt die Deutsche Gesellschaft für Integrierte Versorgung im Gesundheitswesen e.V. (DGIV) die Regelungen zu sogenannten „Level 1i-Krankenhäusern“:
„Natürlich müssen wir noch das finale Reformgesetz abwarten, aber mit der nun zwischen Bund und Ländern konsentierten Etablierung einer sektorenübergreifenden Versorgungsebene werden wichtige Forderungen und Anregungen der DGIV erfüllt ... In den nun vorgelegten Ideen ... sehen wir gute Grundlagen, mit integrierten Angeboten grundsätzlich neue Ansätze für eine bessere Versorgung insbesondere chronischer Patientinnen und Patienten zu realisieren“, betont der DGIV-Vorstandsvorsitzende Prof. Dr. mult. Eckhard Nagel.
Auch BMC-Vorstandsvorsitzender Prof. Dr. Lutz Hager findet sogar, dass „ ... die Verbindungen mit den ambulanten Leistungen und einer Regionalisierung der Versorgung noch konkreter werden müssen. Die geplanten sektorenübergreifenden Versorger (ehem. „Level 1i-Krankenhäuser“) bieten dafür einen guten Startpunkt. In diese Schnittstellen sollte mehr Energie fließen, dort schafft die Reform Zukunft.“
VdK-Präsidentin Verena Bentele plädiert dafür, „... dass Krankenhäuser weiterhin für Notfälle, Geburten und einfache Eingriffe für Patientinnen und Patienten gut erreichbar sein müssen. Für planbare und komplizierte Eingriffe muss eine gute Behandlungsqualität das ausschlaggebende Kriterium sein. Allerdings müssen sich Patientinnen und Patienten darauf einstellen, dass für solche Operationen ein längerer Anfahrtsweg in Kauf genommen werden muss.
Am Ende hilft allen, dass spezialisierte Ärztinnen und Ärzte sowie Krankenhäuser eine bessere Behandlung gewährleisten, was Studien belegen. Minister Lauterbachs Plan, Daten zur Behandlungsqualität aller Kliniken zu veröffentlichen, wird den Patientinnen und Patienten auch zugutekommen. Wichtig ist, dass diese Daten gut aufbereitet sind, um verständlich und nachvollziehbar zu sein.
Die teilweise Ablösung der Fallpauschalen durch eine sogenannte Vorhaltepauschale ist der Schritt in die richtige Richtung. Das Eckpunktepapier sieht bisher eine Vorhaltepauschale von 60 Prozent lediglich als Übergang bis 2026 vor. Danach ist dieser Anteil offen. Der VdK fordert, dass auch nach 2026 der Anteil der Vorhaltevergütung zwischen 40 und 60 Prozent bleibt. So sollen Anreize für eine gewinnorientierte Behandlung abgeschwächt werden.“
Über den Sommer wird auf Grundlage der vereinbarten Eckpunkte der Gesetzentwurf erarbeitet und danach ins parlamentarische Verfahren eingebracht. Zum 1. Januar 2024 soll die Reform dann umgesetzt werden. Nachdem das Gesetz verabschiedet wurde, wird die Reform fortlaufend evaluiert, um die Wirkung beurteilen zu können.
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