SEMPORA Apothekenmarktstudie 2023: Veränderungen der Märkte


Die Berater haben besonders zwei Herausforderungen ausgemacht: Globale Inflation und digitale Evolution. Und ein anderer Anbieter drängt auf den Markt: Amazon.

Laut SEMPORA ist die Offizin Apotheke ein sehr wichtiger Vertriebskanal für die OTC-Hersteller. Doch Amazon wird bereits als Apotheke wahrgenommen. Der Markt verändert sich also rasant weiter. (Foto von Yusuf Evli auf Unsplash)

Hersteller und Apotheken sind gefordert

Der deutsche Pharmamarkt ist vor allem durch die hohe Inflation sowie die Versorgungsengpässe in Folge von Rohstoffmangel und zerrissener Lieferketten geprägt und herausgefordert.

Das sind die Auswirkungen:

  • Hohe Inflationsraten in Deutschland und der gesamten Eurozone, die in 2022 phasenweise zweistellige Werte erreicht haben, markieren eine gesamtwirtschaftliche Dynamik, die auch den deutschen Pharmamarkt bis in die Gegenwart prägt.
  • Erhebliche Kostensteigerungen bei Herstellern und Apotheken treffen auf eine geschwächte Kaufkraft der Konsumenten – damit sind substantielle Verwerfungen vorgezeichnet, Anpassungen im Marktverhalten werden unvermeidbar.
  • Alle befragten OTC Hersteller offenbaren, dass die Inflation ihre Beschaffungs- und Produktionskosten spürbar erhöht hat, 90% haben bereits im Sinne der Ertragssicherung ihre Preise angepasst, eine deutliche Mehrheit wird sowohl kurz-, als auch mittelfristig Preise weiter erhöhen.
  • In den Apotheken ist die Situation sehr ähnlich: Auch hier sind alle Befragten mit einem substantiellen inflationsbedingten Kostenanstieg konfrontiert, 60% der Apotheker haben bereits die Rabatte am Endverbraucherpreis reduziert und wollen das mehrheitlich in den kommenden Wochen und Monaten erneut tun.
  • Und: Stärker noch als bisher werden die Apotheker (63%) höhere Rabatte von der Industrie fordern; die Industrie rechnet bereits damit und bereitet sich proaktiv vor: 92% der OTC Entscheider wollen ihre Preis- und Konditionensysteme auf zukünftige Marktverhältnisse neu ausrichten oder haben genau das bereits getan.
  • 64% der Konsumenten sagen, dass Rabattaktionen durch die Inflation für sie wichtiger geworden sind.

 

Amazon wird als „Apotheke“ wahrgenommen

SEMPORA zufolge wird Amazon kommen: Jeweils knapp 70% der OTC Manager und der Apotheker halten es für wahrscheinlich, dass sich Amazon in naher Zukunft als dominanter Player im deutschen Gesundheitsmarkt etablieren wird. Und die Einschätzung lautet: Amazons Voranschreiten in den Markt wird stationäre Apotheken bedrohen, aber auch für bestehende Versandapotheken ein ernstzunehmendes Risiko darstellen.

Die Mehrheit der Industrie-Entscheider und Apotheker glauben auch, dass Amazon mit einer eigenen OTC-Produktlinie auf dem deutschen Markt aktiv werden wird – und dadurch das Geschäft etablierter OTC-Player gefährden, so vermuten 64% der OTC Manager.

Die beiden SEMPORA Partner Ulrich Zander und Thomas Golly sind ebenso davon überzeugt, dass eigene Amazon OTC-Produkte sehr wahrscheinlich sind: „… Dass bereits fast 70% der OTC Unternehmen eine Amazon Strategie für ihre Marken haben oder planen ist ein gutes Signal und zeigt deutlich auf, dass Pharmamanager sich mehr als Entscheider in anderen Märkten kontinuierlich auf neue Regeln und Usancen auf ihren Märkten einstellen müssen.“

Seitens der Apotheken bekennen immerhin fast 40% der Befragten, dass eine Partnerschaft mit Amazon-Prime Now für den stationären Vertrieb in Zukunft relevanter wird.

Die Hälfte aller Konsument:innen/Patient:innen kann sich vorstellen, in naher Zukunft rezeptfreie Medikamente auf Amazon zu bestellen, wenn dort das für sie relevante Sortiment vorhanden wäre; für verschreibungspflichtige Arzneimittel teilen immerhin noch 27% der Befragten diese Vorstellung. Sie schätzen vor allem den schnellen Versand, die Einfachheit der Bestellung, die praktische Möglichkeit Medikamente zusammen mit anderen Produkten bestellen zu können und die Erwartung grundsätzlich guter Preise bei Amazon. So geben fast 30% der Befragten an, „bereits Medikamente auf Amazon bestellt“ zu haben – für immerhin jeden 6. ist „Amazon längst eine Apotheke“.

Digitalisierung erweitert die Interaktion

Die digitalen Möglichkeiten der erweiterten Interaktion mit Kunden und Lieferanten zu nutzen, ist klar erkennbar: Das geht über Online-Vorbestellungen, die via eigenem Botendienst zum Kunden geliefert werden können, bis zu Kundenkarten und Bonusprogramme und breit angelegten Social Media Maßnahmen.

59% der Apotheken verkaufen Arzneimittel bereits über einen eigenen Online-Shop, weitere 15% planen dieses in naher Zukunft zu tun. Knapp 80% haben oder planen Online-Services, z. B. einen Verfügbarkeits-Check von Medikamenten, für ihre Kunden. Auch eigene Apotheken- oder Gesundheitsapps oder Medikationsüberwachungen (z. B. Blutzucker) haben oder planen viele der befragten stationären Apotheken.

Ihre Ziele mit Blick auf die Digitalisierung können die Apotheker klar benennen: Es geht ihnen im Wesentlichen darum, die Kernkompetenzen der eigenen Apotheke deutlich herauszuarbeiten und neue Kunden zu gewinnen sowie bestehende Kunden zu binden – im Wettbewerb mit anderen stationären Apotheken und den Versendern.

Der Großteil der befragten Pharmazeuten hält weitere Investitionen in digitale Angebote und Services für absolut notwendig, um zukunftsfähig zu bleiben, und würde gerne mehr digitale Leistungen in der Apotheke anbieten. Ebenso deutlich zeigen die Apotheker Unterstützungsbedarf durch Experten an – und setzen hier auch Hoffnungen in die OTC Hersteller.

Geht es um das eRezept, rechnet die Mehrheit der Industrie-Entscheider damit aber erst ab 2025/26. Damit wird nach Meinung der Industriemanager und Apotheker eine deutliche Veränderung der Apothekenlandschaft und ein Umsatzschub für Versandapotheken verbunden sein. Außerdem werden auch Plattformen an Relevanz gewinnen. Bereits heute arbeitet ein substantieller Teil der OTC Hersteller sowie der Apotheken mit Plattformen zusammen.

Offizin-Apotheken weiterhin als wichtiger Vertriebskanal

Die Offizin-Apotheke in allen Varianten, ob Einzel- oder Verbundapotheken, ist und bleibt für die OTC Hersteller ein ganz entscheidender Vertriebskanal – daran ändert auch der von der Industrie erwartete Rückgang auf ca. 15.000 Apotheken bis 2028 nichts (die Apotheker rechnen bis 2028 mit nur noch 14.700 Apotheken).

Ebenso wichtig als Vertriebskanal für OTC Produkte sind Versandapotheken, die (wie auch Verbundapotheken) in den kommenden Jahren noch an Bedeutung zulegen werden. Auch die weiteren klassischen Key Accounts Großhandel und Kooperationszentralen sind und bleiben bedeutsam für die Pharmahersteller; Franchiseapotheken mit Außenauftritt werden in den kommenden Jahren sogar einen besonderen Bedeutungszuwachs erfahren.

Unter den Versandapotheken gewinnt Shop Apotheke deutlich an Bekanntheit und ist nun mit 64% die bekannteste Versandapotheke beim Konsumenten, DocMorris liegt auf Platz zwei. 

Erhalten Sie jetzt uneingeschränkten Zugriff auf alle interessanten Artikel.
  • Online-Zugriff auf das PM-Report Heftarchiv
  • Aktuelle News zu Gesundheitspolitik, Pharmamarketing und alle relevanten Themen
  • 11 Ausgaben des PM-Report pro Jahr inkl. Specials
Mehr erfahren