Vor dem Start der Europäischen Nutzenbewertung


Am 11. Januar 2022 trat die EU-HTA-Verordnung in Kraft und wird ab Januar 2025 greifen. Die deutschen Pharmaverbände finden, dass noch einiges bei den Prozessen nachzubessern ist.

U.a. sollten die Ergebnisse der europäischen Bewertung im deutschen AMNOG-Prozess umfassend genutzt werden. Und die Verwendung und Übernahme der gemeinsamen europäischen Arbeitsergebnisse müssen im nationalen Prozess für den G-BA verpflichtend werden. (Foto von Elena Mozhvilo auf Unsplash)

Die gemeinsame europäische Nutzenbewertung von neuen Arzneimitteln auf europäischer Ebene (EU-HTA) startet ab Januar 2025 – und zwar mit der Bewertung von Arzneimitteln für neuartige Therapien (ATMP) und onkologischen Arzneimitteln.

Hierfür müssen auf europäischer Ebene folgende Punkte berücksichtigt werden, finden vfa, BAH und BPI:

  • Entwickler von Gesundheitstechnologien besser einbeziehen: Hersteller müssen als unverzichtbare Hauptakteure anerkannt werden und sind als solche angemessen und konstruktiv am gesamten EU-HTA-Prozess, insbesondere bei der Bestimmung des Bewertungsumfanges (Scoping), zu beteiligen. Das wird die Qualität bedeutend stärken.
  • Gemeinsame europäische Evidenzanforderungen anstreben: EU-HTA als eine bloße Zusammenführung nationaler Praktiken kann den Aufwand für Unternehmen und HTA-Behörden nicht verringern. Daher ist eine Angleichung der Evidenzanforderungen anzustreben. Dabei ist die Entwicklung eines EU-PICO, das sich auf das konzentriert, was den Mitgliedstaaten gemeinsam ist, entscheidend.
  • Schlanke Prozesse gewährleisten und an Zeitrahmen anpassen: Die Machbarkeit bezüglich der Anforderungen ist stärker zu berücksichtigen, um Dossier-Vorbereitungen und HTA-Bewertungen innerhalb des engen Zeitrahmens parallel zum Zulassungsprozess abschließen zu können. Der EU-HTA-Prozess muss sowohl für Hersteller als auch für Gutachter innerhalb begrenzter Zeiträume effizient und praktikabel sein.
  • Kontextspezifische Bewertungsmethoden schaffen: Bewertungsmethoden müssen stärker an den klinischen und regulatorischen Kontext angepasst und flexibel angewendet werden. Insbesondere Orphan Drugs und ATMP benötigen angepasste Methoden (wie es die EU-HTA-Verordnung in Erwägungsgrund Nr. 24 vorsieht), die dem Therapiebereich gerecht werden können (inkl. Verwendung von Surrogat-Endpunkten, indirekten Behandlungsvergleichen und von Real World Evidence).
  • Kapazitäten für wissenschaftliche Beratung sicherstellen: Auf EU-Ebene müssen ausreichend Kapazitäten und Fachwissen für rechtzeitige und qualitativ hochwertige gemeinsame wissenschaftliche Beratungen verfügbar sein.

 

Im Rahmen der Implementierung auf nationaler Ebene sind folgenden Punkte erforderlich:

  • Umfassende Nutzung der europäischen Bewertung gewährleisten: Zur Vermeidung von Doppelarbeit müssen die Ergebnisse der europäischen Bewertung im deutschen AMNOG-Prozess umfassend genutzt werden. Folglich müssen Verwendung und Übernahme der gemeinsamen europäischen Arbeitsergebnisse im nationalen Prozess für den G-BA verpflichtend werden.
  • Anforderungen an zusätzliche Analysen reduzieren: Die Anforderungen in den nationalen Dossiervorlagen im AMNOG-Prozess, insbesondere an Subgruppen- und bestimmte Arzneimittelsicherheitsanalysen, bedürfen insoweit einer Überprüfung, dass sie deutlich effizienter auszugestalten sind. Hierbei sollte man sich an europäischen Leitlinien orientieren, um die EU-HTA-Bewertung ohne Qualitätsverlust zu erreichen.
  • G-BA-Beratungen bezüglich nationaler Zusatzanalysen stärken: Für ein optimales Zusammenspiel des AMNOG-Verfahrens mit dem EU-HTA müssen die nationalen G-BA-Beratungen gestärkt werden. Dies betrifft vorwiegend zusätzliche Beratungen zu nationalen klinischen Zusatzanalysen in Ergänzung zum EU-HTA. Diese sollten sich auf wenige und absolut notwendige Analysen beschränken.
  • Schnellen Marktzugang absichern: Eine Herausforderung für den schnellen Start des AMNOG-Prozesses ist der späte Zeitpunkt des Vorliegens des europäischen HTA-Bewertungsberichts erst mehrere Wochen nach Zulassung. Die AMNOG-Regelung bezüglich ihrer schnellen Marktzugangsmöglichkeit mit Vorliegen der Zulassung ist abzusichern, damit Innovationen auch zukünftig schnellstmöglich zur Verfügbarkeit stehen.
  • Nationale Orphan-Drug-Regelung passgenau verzahnen: Die Orphan-Drug-Regelung im AMNOG ist zu bestärken, indem festgehalten wird, dass auch im Kontext des EU-HTA der Zusatznutzen für Orphan Drugs als belegt gilt und Nachweise gegenüber einer Vergleichstherapie im nationalen Prozess erst nach der Überschreitung der Umsatzschwelle von 30 Mio. Euro erbracht werden müssen. Dies sichert den schnellen Zugang zu neuen Orphan Drugs in Deutschland weiterhin ab.

 

vfa-Präsident Han Steutel schätzt die Situation so ein, dass „... beim sogenannten EU-HTA sich keineswegs alles von selbst regeln und zum Guten richten wird. Nur wenn die europäischen und nationalen Prozesse bestmöglich verzahnt werden und die Arbeit effizient aufeinander aufbaut, kommen wir weiter ...“

BAH-Hauptgeschäftsführer Dr. Hubertus Cranz betont, dass „... bei der Gestaltung zukünftiger Prozesse auf die Einbeziehung der Hersteller zu achten ist, insbesondere bei der Bestimmung des Bewertungsumfanges ...“

BPI-Hauptgeschäftsführer Dr. Kai Joachimsen bringt folgenden Punkt an: „... ist ein ausreichendes Beratungsangebot beispielsweise zu Endpunkten und Studiendesigns vorzusehen. Auf nationaler Ebene ist die Anzahl der Beratungen des G-BA vorbildlich, aber auf EU-Ebene werden die Kapazitäten knapp gehalten. Beratung ist aber das A und O für einen erfolgreichen Prozess und gute Ergebnisse.“

 

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