Vou­cher für anti­mi­kro­bi­elle Arz­nei­mit­tel


Diese Vouchers sollen in der allgemeinen Arzneimittelgesetzgebung eingeführt werden, so will das die EU Kommission. Die Idee stößt aber auf keine Gegenliebe.

Gegen Vouchers stellen sich 14 EU-Mitgliedsstaaten. (Foto von Julia Morales auf Unsplash)

 

Die Idee ist es, über­trag­bare Exklu­si­vi­täts­gut­scheine (auch Vou­cher oder TEE – Trans­fe­ra­ble Exclu­si­vity Exten­sion) ein­zu­füh­ren. Dadurch soll ein Pharmaunternehmen veranlasst werden, ein neues und wir­kungs­vol­les anti­mi­kro­bi­el­les Arz­nei­mit­tel auf den Markt zu brin­gen. Mit dem Gut­schein kann der Exklu­si­vi­täts­zeit­raum ver­län­gert wer­den, in dem ein Unter­neh­men eines sei­ner ande­ren Medi­ka­mente ohne Kon­kur­renz durch Gene­rika-Anbie­ter ver­kau­fen kann. Wird der Vou­cher für einen pro­fi­ta­blen sogenannten „Block­bus­ter“ ein­ge­löst, lässt sich viel ver­die­nen, befürchten Kritiker

Die Euro­päi­sche Kom­mis­sion bemisst den Wert eines Vou­chers, der für ein beson­ders pro­fi­ta­bles Medi­ka­ment ver­wen­det wird, nach Abzug der Pro­duk­ti­ons-, Ver­triebs- und Kapi­tal­kos­ten auf durch­schnitt­lich etwa 360 Mio. Euro jähr­lich. Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten sowie Kos­ten­trä­ger tra­gen aber eine höhere Last; neben den Mit­teln für den Anreiz auch in Form eines ver­zö­ger­ten Gene­rika-Wett­be­werbs, der letzt­end­lich zu höhe­ren Arz­nei­mit­tel­aus­ga­ben führt, so die Kritik von 14 EU-Mitgliedsstaaten

Neben den Niederlanden als Federführer sind das Österreich, Belgien, Finnland, Ungarn, Frankreich, Irland, Lettland, Litauen, Luxemburg, Polen, Portugal, Slowakei und Slowenien.

Widerstand gegen Vouchers

Die Ländergruppe führt ins Feld, dass das Gut­schein­sys­tem die Kos­ten der Gesund­heits­sys­teme auf unvor­her­seh­bare Weise erhöhen könnte. Es beein­träch­tigt den Zugang der Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten zu Medi­ka­men­ten und garan­tiert auch nicht die Ent­wick­lung neu­ar­ti­ger Anti­bio­tika. Im Gegen­teil belohnt der Trans­fer von Exklu­si­vi­täts­rech­ten die Ent­wick­lung von Arz­nei­mit­teln in pro­fi­ta­ble­ren Indi­ka­tio­nen, lauten die weiteren Einwände.

Mit dem Nein zum Vou­cher kri­ti­sie­ren die Län­der zudem den beste­hen­den Rechts­rah­men. Schon das beste­hende Anreiz­sys­tem würde dort zur Pro­dukt­ent­wick­lung ermun­tern, wo die Umsatz­er­war­tun­gen hoch sind und wo hohe Preise gute Pro­fite ver­spre­chen. Letz­te­res sei bei Arz­nei­mit­teln für sel­tene Erkran­kun­gen der Fall. Bei Indi­ka­tio­nen, bei denen drin­gend Inno­va­tio­nen gebraucht wer­den, fän­den keine statt.

Setzung von anderen Anreizen

Stattdessen sollten neben geeig­ne­ten direk­ten finan­zi­el­len Beloh­nun­gen, soge­nannte Pull-Anreize ent­wi­ckelt wer­den. Diese sol­len eine gewünschte Pro­dukt­ent­wick­lung för­dern, wie mit Markt­ein­tritts­prä­mien, bei denen der Ertrag vom Umsatz ent­kop­pelt ist. Modelle hierzu gibt es, wie etwa das soge­nannte „Net­flix-Modell“. 

Bei die­sem Ansatz würde dem Her­stel­ler unab­hän­gig von den Ver­ord­nungs­zah­len ein fes­ter Ein­nah­me­be­trag garan­tiert. Andere Ideen sind eine direkte For­schungs- und Ent­wick­lungs­för­de­rung, bei der die Fort­schritte belohnt wür­den. Anreize sollten aber mit stra­te­gi­schen Zie­len, zum Bei­spiel der Belie­fe­rung aller Mit­glied­staa­ten, der Pro­duk­tion in Europa oder auch zur För­de­rung des ver­ant­wor­tungs­vol­len Umgangs mit anti­mi­kro­bi­el­len Mit­teln, ver­knüp­ft werden.

Weitere Idee abgekanzelt

Einer anderen Idee erteilen deutsche Pharmaverbände eine Abfuhr — der europäischen Nutzenbewertung. Diese Verordnung über die Bewertung von Gesundheitstechnologien (EU-HTA-Verordnung) ist am 11. Januar 2022 in Kraft getreten. Sie sieht eine eine gemeinsame Zusatznutzenbewertung von neuen Arzneimitteln auf europäischer Ebene vor. Ab Januar 2025 soll sie für die ersten Produkte starten, wie für Arzneimittel für neuartige Therapien (ATMP) und onkologische Arzneimittel (auch gegen seltene Leiden).

Momentan erstellt das Konsortium EUnetHTA21 im Auftrag der EU-Kommission Vorschläge für Prozess- und Methoden-Leitlinien, die dann öffentlich kommentiert werden können. Die finalen Dokumente, die bis September 2023 vorliegen sollen, gelten als Grundlage für die implementierenden Rechtsakte der EU-Kommission sowie die Verabschiedung europäischer Methoden durch die HTA-Koordinierungsgruppe der Mitgliedstaaten, die 2024 erwartet werden.

Doch der BPI und der vfa sehen in dem Verfahren, so wie es bisher geplant ist, keine Zukunft. Denn „die gesetzten Ziele sind so nicht erreichbar. Insbesondere hakt es bei der Partizipation. Wir müssen die Beteiligung der Unternehmen im EU-HTA-Prozess stärken und die Expertise aller Stakeholder besser einbeziehen. So können wir die Divergenzen in Europa abbauen und möglichst eine Angleichung an gemeinsame europäische Bewertungsmethoden erreichen,“ schlägt BPI-Vorsitzender Dr. Hans- Georg Feldmeier vor.

Und vfa-Präsident Han Steutel den Entwurf als zu kurz gedacht: „Das Entwicklungskonsortium der EU entwirft die europäische Nutzenbewertung als eine bloße Zusammenführung nationaler Praktiken. Die heutige Fragmentierung der unterschiedlichen Anforderungen und Methoden der Mitgliedstaaten wird damit lediglich auf die europäische Ebene exportiert. Wir brauchen aber eine überzeugende europäische Methode, die in einer globalen Branche verstanden und nachvollzogen werden kann und die Besonderheiten von Orphan Drugs und neuartigen Therapien berücksichtigt. Und die kann ich im Moment leider nicht erkennen.“

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