Warum Pharmariesen stark zukaufen


Eine Welle von Übernahmen und Fusionen (M&A) rollt über die Pharmabranche hinweg. Warum sich die Branche in einer außergewöhnlichen Phase im Biotech-Sektor befindet.

Eine Welle von Übernahmen und Fusionen (M&A) rollt über die Pharmabranche hinweg, angetrieben von verschiedenen, miteinander verflochtenen Faktoren. (Foto von Max Harlynking auf Unsplash)

Eingeordnet von Mario Linimeier und Kristoffer Unterbruner von der Medical Strategy GmbH.

Warum wird zugekauft

Große Pharmafirmen stehen unter enormem Druck. Denn viele Patente umsatzstarker Medikamente laufen in naher Zukunft aus. Betroffene Arzneimittel können dann von anderen Unternehmen kopiert und weit günstiger verkauft werden.

Allein in den USA sind bis zum Jahr 2027 Produktumsätze von mehr als 140 Milliarden US-Dollar durch Patentabläufe bedroht. Große Pharmakonzerne wie Pfizer, Sanofi, AstraZeneca oder Novartis brauchen also ständig neue bahnbrechende Medikamente mit neuen Patenten, um die Verluste auszugleichen. Die Arzneimittelentwicklung ist jedoch lang, kostspielig und immer auch mit Risiken verbunden. Eine Übernahme kann daher eine effektive und schnelle Lösung sein, um die „Pipelines“ mit Innovationen wieder aufzufüllen und den Umsatzverlust zu kompensieren.

Im Fokus: Seltene Erkrankungen

Interessanterweise sind seit Frühjahr dieses Jahres 17 M&A-Deals angekündigt worden, von denen mehr als 70 Prozent so genannte „Orphan Drugs“ betreffen. Damit lassen sich seltene, meist schwere Krankheiten behandeln, für die es bisher oft keine Therapie gibt.

Die Besonderheit: Sie sind in den USA von den anstehenden Medicare-Preiskürzungen in vielen Fällen ausgenommen, denn der Staat fördert diesen Bereich besonders. Das macht sie für große Pharmaunternehmen besonders attraktiv. Es ist zu erwarten, dass dieser Trend angesichts der bevorstehenden Reform der Medikamentenpreise in den USA an Dynamik gewinnen wird.

Ausgebremst durch Wettbewerbshüter

Dies bedeutet jedoch nicht, dass der M&A-Prozess im Biotech-Sektor reibungslos verläuft. Einige Herausforderungen könnten die Dynamik bremsen. Eine davon ist die aggressivere Haltung der US-Wettbewerbsbehörde Federal Trade Commission (FTC) gegenüber großen Deals. Ähnlich wie in Deutschland das Bundeskartellamt kontrolliert sie solche Zusammenschlüsse.

Geklagt hat die FTC bereits gegen die geplante Übernahme des Biotech-Unternehmens Horizon Therapeutics, ein Spezialist für seltene Krankheiten. Dessen Konkurrent Amgen, der zu den weltweit größten Biotechkonzernen gehört, will dafür rund 28 Milliarden US-Dollar auf den Tisch legen. Ob die Klage Bestand haben wird, bleibt abzuwarten. Auch die angekündigte Akquisition von Seagen, einem Biotech-Pionier gegen Krebs, durch den Pharmariesen Pfizer könnte gefährdet sein.

Engere Kreditbedingungen, aber riesige Liquidität


Ein weiterer möglicher Bremsfaktor ist das veränderte Kreditumfeld. Engere Kreditbedingungen könnten sehr große M&A-Deals behindern. Allerdings verfügen große Biopharma-Gesellschaften derzeit über gewaltige Kapitalreserven. Experten zufolge beträgt die M&A „Firepower“, d.h. die liquiden Mittel plus Fremdbeleihungskapazitäten, der großen Pharma- und Biotech-Unternehmen rund 1,4 Billionen US-Dollar.  

Trotz dieser Herausforderungen ist die allgemeine Erwartung, dass die M&A-Aktivitäten im Biotech-Sektor stark bleiben. Angesichts drohender Patentabläufe, der attraktiven Bewertungen kleinerer Unternehmen und der bevorstehenden Änderungen in der Preisgestaltung von Medikamenten sehen die großen Pharmaunternehmen M&A als attraktive Strategie zur Wahrung ihrer Position. Es bleibt spannend zu beobachten, wie sich die Landschaft in den kommenden Jahren weiterentwickeln wird.

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