Was vom 127. Deutschen Ärztetag wichtig bleibt


Das Gesundheitswesen muss klimafreundlich werden, in Sachen Digitalisierung sollen DiGAs besser integriert werden und „gesunde Ernährung“ muss Schule machen. Das sind zentrale Ergebnisse des Ärztetags. Und: Die Führungsspitze der Bundesärztekammer ist für die kommenden vier Jahre gewählt.

Dr. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, bei seiner Rede auf der Eröffnungsveranstaltung des 127. Deutschen Ärztetages (Fotocredit: Screenshot Twitter)

Zum Auftakt erinnert der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK) Dr. Klaus Reinhardt: Ärztinnen und Ärzte sollten sich darauf besinnen, was sie trotz der enormen Bandbreite unterschiedlicher ärztlicher Tätigkeiten eint und miteinander verbindet. Nämlich: „Die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen – sowohl für unsere Patientinnen und Patienten als auch für die Gesellschaft als Ganzes. Genau dafür bereiten wir in den Gremien der Bundesärztekammer und den Landesärztekammern den Weg. Wir analysieren den Handlungsbedarf, wir debattieren Lösungswege und wir entscheiden und positionieren uns auf Grundlage dieser Debatte.“

Mit diesen Worten startete der 127. Deutsche Ärztetag in Essen, der in herausfordernde Zeiten fiel: Die Abgeordneten widmeten sich in diesem Jahr unter anderem den angekündigten Versorgungsgesetzen I und II, der Neuausrichtung der Krankenhausplanung und -vergütung sowie vielen weiteren gesundheitspolitischen Themen.

Debatte um Digitalisierung im Gesundheitswesen

Eines der zentralen Themen, die die Fachleute intensiv diskutierten, drehte sich um die Digitalisierung. Sie durchdringt das Gesundheitswesen ebenso wie alle anderen Bereiche der Gesellschaft – und ist hier dennoch einerseits besonders sensibel zu betrachten angesichts des Datenschutzes, andererseits mit großen Chancen verbunden.

Ganz klar positionierte sich die Ärzteschaft in Sachen gematik-Übernahme durch den Bund, die das Bundesgesundheitsministerium (BMG) plant. Die Ausgrenzung der bisherigen Gesellschafter aus der gematik passe nicht zu der Stärkung der Nutzerorientierung, die das BMG mit der neuen Digitalstrategie für das Gesundheitswesen angekündigt hat, kritisierten die Abgeordneten. Stattdessen müsse die BÄK weiter Mitwirkungs- und Entscheidungsrechte in der gematik haben, die der Rolle der Ärzteschaft im Gesundheitswesen gerecht werden.

Debattiert wurde auch über medizinische Apps – vor allem Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA). Sie gehören immer mehr zum Versorgungsalltag. Um ihr Potenzial voll auszuschöpfen, sind aus Sicht der Ärzteschaft diverse Anforderungen zu erfüllen. Basierend auf dem Positionspapier der Bundesärztekammer „Der Arztberuf im Wandel digitaler Transformation – eine Standortbestimmung zum Einsatz medizinischer Apps in der Versorgung“ forderte der 127. Deutsche Ärztetag, DiGA stärker in die ärztliche Therapie zu integrieren. Gleichzeitig müssten ärztliche Tätigkeiten im Zusammenhang mit digitalen Anwendungen angemessen honoriert werden.

In einem weiteren Beschluss hat die Ärzteschaft die Pläne der EU-Kommission für einen europäischen Gesundheitsdatenraum begrüßt. Allerdings sei für dessen Erfolg entscheidend, dass Patientinnen und Patienten ein sofortiger und einfacher Zugang zu ihren Gesundheitsdaten ermöglicht werde und sie einer Datenweitergabe zu Forschungszwecken widersprechen könnten, ohne dass ihnen dadurch Nachteile entstehen, betonten die Abgeordneten. Auch müsse die unerwünschte Re-Identifizierung von Patientinnen und Patienten anhand ihrer Gesundheitsdaten verboten und wirksam sanktioniert werden. Dafür seien alle technischen und organisatorischen Maßnahmen zu treffen.

Debatte über Schulfach „Gesundheit“

In einem weiteren Schwerpunktthema beriet das Ärzteparlament – gemeinsam mit externen Referenten, wie zum Beispiel der nordrhein-westfälischen Bildungsministerin Dorothee Feller – über die Förderung der Gesundheitskompetenz bei Kindern und Jugendlichen und die Einführung eines Schulfachs „Gesundheit“. Denn die Ärzteschaft blickt mit großer Sorge auf die gesundheitlichen Folgen von Bewegungsmangel, Übergewicht oder Drogenkonsum bei Kindern und Jugendlichen.

„Kitas und Schulen spielen eine entscheidende Rolle dabei, Kindern und Jugendlichen Wissen und Kompetenzen für eine gesunde Lebensführung zu vermitteln“, sagte BÄK-Präsident Reinhardt. Das Bildungssystem könne sicher nicht alle Fehlentwicklungen stoppen. Dennoch wäre es zukunftsweisend, bundesweit, an allen Schulen, Gesundheitsthemen fächerübergreifend zu vermitteln. 

Der Ärztetag ist sich einig: Das Thema „gesunde Ernährung“ müsse spätestens ab der fünften Klasse bundesweit fest im Lehrplan des Sachkundeunterrichts verankert werden. Die Kultusministerkonferenz (KMK) müsse eine länderübergreifend abgestimmte Strategie entwickeln, mit der die Förderung der Gesundheitskompetenz von Erziehungs- und Bildungseinrichtungen nachhaltig integriert werden könne. Neben Fortbildungen für das Schulpersonal seien Mustercurricula und fächerübergreifende Lehr- und Unterrichtsmaterialien notwendig.

Debatte um Klimafreundlichkeit

Zu guter Letzt widmete sich die Ärzteschaft auch dem aktuell alles beherrschenden Thema „Klima“ – und fordert alle Verantwortlichen in Politik, Gesellschaft und im Gesundheitswesen dazu auf, Klimaschutz und Klimaanpassung durch entschiedene Maßnahmen voranzutreiben. Auf allen Ebenen des Gesundheitswesens müssten hierfür Voraussetzungen geschaffen werden: von den Rahmenbedingungen für die individuelle Behandlungssituation über die Einrichtungen in der medizinischen Versorgung bis hin zum gemeinsamen Handeln mit den weiteren verantwortlichen Akteuren in Politik und Gesellschaft.

Zudem sehen die Fachleute ihre Verantwortung, Klimakrise, Klimaanpassung und Gesundheitsschutz in der Ausbildung von medizinischem und psychologischem Fachpersonal angemessen zu berücksichtigen. Sie möchten künftig bei der Erstellung von gesundheitsbezogenen Leit- und Richtlinien ebenso die Folgen für das Klima abschätzen.

So setzt sich die neue Führungsspitze zusammen

Auf dem 127. Deutschen Ärztetag 2023 fanden darüber hinaus Wahlen statt: Präsident:in, zwei Vizepräsident:innen und zwei weitere Ärzt:innen.

Wiedergewählt zum Präsidenten der Bundesärztekammer (BÄK) ist Dr. Klaus Reinhardt. In ihrem Amt als Vizepräsidentin bestätigt wurde die 72-jährige Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. Ellen Lundershausen. Sie arbeitet seit 1991 in Erfurt als niedergelassene HNO-Ärztin.

Neu ins Amt der Vizepräsidentin gewählt wurde Dr. Susanne Johna. Sie arbeitet als Oberärztin für Krankenhaushygiene am St. Josefs-Hospital in Rüdesheim. Damit ist das Präsidium der Bundesärztekammer komplett.

Zudem entschieden die Verantwortlichen über die Besetzung der beiden Ämter als weitere Ärztin/weiterer Arzt im Vorstand der Bundesärztekammer: Gewählt wurde Christine Neumann-Grutzeck. Die 58-jährige Fachärztin für Innere Medizin ist seit 2016 in einer diabetologischen Schwerpunktpraxis in Hamburg-Harburg tätig. Des Weiteren gewählt wurde Dr. Andreas Botzlar. Der 55-jährige Facharzt für Chirurgie arbeitet als Oberarzt an der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Murnau.

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