Allgemeine Gesundheitsuntersuchung: Neubewertung sinnvoll


Vor allem Personen mit Gesundheitsrisiken profitieren zu wenig, befindet das IQWiG.

Einige Länder wie Österreich und Großbritannien haben ihre Angebote zu den allgemeinen Gesundheitsuntersuchungen in den letzten Jahren wissenschaftlich neu bewertet und – insbesondere in Großbritannien – grundlegend reformiert. (Foto: Total Shape auf Unsplash)  

 

Im Rahmen der allgemeinen Gesundheitsuntersuchung (im Folgenden: aGU) sollen gesundheitliche Risiken und Belastungen frühzeitig erfasst werden. Sie dient außerdem der Früherkennung von häufig auftretenden Krankheiten, insbesondere von Herz-Kreislauf- und Nierenerkrankungen sowie von Diabetes mellitus.

Gesetzlich Krankenversicherte haben seit 1989 Anspruch auf eine regelmäßige Gesundheitsuntersuchung – der sogenannte „Check-Up“. Die Kosten dafür trägt die jeweilige Krankenversicherung.

Dass dieses Angebot in Deutschland aber vor allem von Personen, die ohnehin häufiger Kontakt mit Arztpraxen haben, genutzt wird, ermittelte das IQWiG jetzt in einem Rapid Report im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums (BMG).

Das Hauptfazit der Untersuchung: Menschen mit höheren Gesundheitsrisiken, niedrigerem sozioökonomischen Status sowie nach Deutschland zugewanderte Menschen nahmen seltener teil.

Verschiedene Untersuchungen gibt es bereits

So hat das Zentralinstitut für kassenärztliche Versorgung (ZI) in einem seiner ZI-Trendreports sich für das Jahr 2022 die aGU angeschaut. Der Report beruht auf Abrechnungsdaten der Kassenärztlichen Vereinigungen. Demnach sind in 2022 9,8 Millionen aGU durchgeführt worden. Die Inanspruchnahme stieg um 1,1% im Vergleich zum Jahr 2021. In den ersten beiden Quartalen des Jahres 2023 wurde ein Rückgang der Inanspruchnahme im Vergleich zu den ersten beiden Quartalen 2022 festgestellt (− 4,1% 1. Quartal 2023, − 9,7% 2. Quartal 2023). Auswertungen nach Altersgruppen enthält der Bericht des ZI nicht.

Zur Nutzung der aGU konnten auch Daten aus GEDA (RKI) und Muschol 2023 berücksichtigt werden. Nach den Ergebnissen aus GEDA nehmen sowohl Männer (48,8%) als auch Frauen (48,5%) der Altersgruppe 45 bis 54 Jahre das Angebot der aGU in den letzten zwei Jahren vor der Befragung eher in Anspruch als jüngere Frauen (36,1%) und jüngere Männer (32,7%) der Altersgruppe 35 bis 44 Jahre. Der Unterschied zwischen den Altersgruppen fällt bei den Männern etwas größer aus als bei den Frauen.

Angebot des Health Checks: Meist unbekannt

Viele kennen das Angebot eines Gesundheitschecks nicht oder können sich nicht mehr daran erinnern, zu einem Health Check eingeladen worden zu sein, so ein Ergebnis der Untersuchung. Andere können sich zwar an die Einladung erinnern, haben aber das Einladungsschreiben und damit versandte Informationen nicht bis zum Ende gelesen, da es als zu lang und teilweise als zu kompliziert beschrieben wird. 

Eine fehlende Erinnerung bei einem versäumten Termin / einer Einladung wird bemängelt, ebenso wie die Ansprache im Einladungsschreiben. Einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Studie aus Großbritannien, die den Health Check nicht in Anspruch genommen haben, fühlen sich mit der konkreten Terminvereinbarung alleingelassen.

Bei Angeboten ohne Einladungsverfahren vergessen manche das Angebot und denken im Alltag nicht daran. Die Herausforderung des Alltags oder Lebensprobleme werden als wichtiger angesehen bzw. es bleibt keine Zeit für einen Gesundheitscheck. Andere lehnen das Angebot generell ab. Manche berichten von einem Misstrauen in „öffentliche Institutionen“.

Gründe für die Nichtanspruchsnahme

Viele, die sich als gesund einschätzen, fragen sich, warum sie zu einem Gesundheitscheck eingeladen wurden. Zudem möchten viele die Ärztin oder den Arzt nicht unnötig belasten und ihre bzw. seine Zeit anderen Patientinnen und Patienten nicht „stehlen“. Vielen sind das Ziel und die Inhalte des Angebotes sowie der Umfang der angebotenen Untersuchungen nicht klar. Obwohl Informationen zum Inhalt des Health Checks übermittelt wurden, erwarteten einige eine größer angelegte Untersuchung, die auch Krebserkrankungen, Osteoporose oder andere Erkrankungen umfasst. Die Unsicherheit, was ein Gesundheitscheck konkret beinhaltet, hält manche von einer Inanspruchnahme ab.

Und noch ein wichtiger Punkt: Personen tauschen sich im sozialen Umfeld über die Untersuchung aus. Wenn dabei Unterschiede bei den angebotenen / durchgeführten Untersuchungen im Rahmen eines Gesundheitschecks festgestellt werden, kann dies eine Barriere für die Inanspruchnahme sein.

Was sollte getan werden

Es gehe nun darum, für den Bedarf, vor allem auch für Gruppen, die wenig bis gar nicht erreicht werden, ein geeignetes Informationsangebot zu schaffen, betont Beate Zschorlich, Leiterin des Projektes aus dem IQWiG-Ressort Gesundheitsinformation.

Neben einer gezielten Ansprache – auch in anderen Sprachen – müsse aber auch der gesundheitliche Nutzen des Check-Ups überprüft und das Angebot gegebenenfalls überarbeitet werden.

 

Klaus Koch, Leiter des IQWiG, findet, dass in Zukunft „die allgemeine Gesundheitsuntersuchung in eine dauerhaft begleitende Evaluation eingebunden sein sollte, die auch die gesundheitlichen Auswirkungen des Angebots erfasst.“

Grafik: IQWiG-Report aGU

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