Die Versorgung muss verstärkt dezentral, flexibel und praxistauglich werden. Dr. Sabine Richard, Geschäftsführerin Versorgung im AOK-Bundesverband, findet: „Initiative darf nicht an Vetorechten und sektoralen Grenzen scheitern. Nur so können wir die Versorgung reformfähig machen.“ (Foto von Markus Spiske auf Unsplash)
Herausforderungen in der Versorgung
Lange Wartezeiten, überfüllte Notaufnahmen, Sicherstellungsprobleme, Ambulantisierungsdruck, Arztzentrierung, fehlende Attraktivität für ärztlichen Nachwuchs: Einige der Punkte, die die ambulante Versorgung erschweren und zu ziemlichen Unmut im und mit dem Gesundheitssystem führt. Aufseiten der Ärzt:innen und aufseiten der Patient:innen.
Die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, Dr. Carola Reimann, meint, dass „zwar das Bundesgesundheitsministerium das Stellungnahme-Verfahren zum Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz nun offiziell gestartet hat, dabei sind aber innovative Ideen auf der Strecke geblieben. Das Gesetz wirkt inhaltlich entkernt, Ansätze zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in der Kommune sucht man vergeblich.“
Konzept: Versorgung sektorenunabhängig gestalten
Deswegen hat die Krankenkasse selber ein Konzept erarbeitet: „Gesundheitsregionen: Sektorenunabhängige Versorgung gestalten“. Darin wird u.a. betont:
„Versorgung findet vor Ort statt. Die regionalen Akteure kennen den Bedarf und haben auch Ideen und Ansatzpunkte für die Sicherung einer guten Versorgung. Hierfür brauchen sie mehr Gestaltungsspielraum - jenseits des Sektorendenkens.“
Unterschiedliche Szenarien werden skizziert:
- Szenario A: Umwidmung bisher stationär genutzter Ressourcen für ambulante Versorgungskonzepte
- Szenario B: Interdisziplinäre Zusammenarbeit zur Vermeidung stationärer Einweisungen in Regionen mit hausärztlicher Unterversorgung
- Szenario C: Gründung eines kommunalen Primärversorgungszentrums zur Lösung ambulanter Versorgungsprobleme
Dr. Sabine Richard, Geschäftsführerin Versorgung im AOK-Bundesverband, erklärt dazu: „Zum Beispiel könnten bisher stationär genutzte Ressourcen für ambulante Versorgungskonzepte geöffnet werden, sofern Krankenhäuser für die Sicherstellung vollstationärer Versorgung in der Region nicht mehr erforderlich sind.“
So könne man das medizinische Personal in der Region halten und das bisherige ambulante Angebot ergänzen. Breit getragene Versorgungsprojekte, die vertraglich vor Ort vereinbart werden, sollten nicht mehr an den Widerspruchsrechten einzelner in der Region niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte scheitern. "
Auch unterschiedliche Angebote werden näher erläutert, so wie die Gesundheitskioske:
- Gesundheitskioske (Regelungsvorschlag Anlage Nr. IV)
Insbesondere in sozial benachteiligten Stadtteilen oder Regionen braucht es einen sehr niedrigschwelligen Zugang zum Gesundheitssystem für Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf. Diese Aufgabe können Gesundheitskioske übernehmen. Gesundheitskioske sind ein neutrales, besonders leicht zugängliches Beratungsangebot, das nach dem Walk-in-Prinzip allen Menschen zur Verfügung steht, speziell aber vulnerable Gruppen und deren Unterstützungsbedarf anspricht. Sie bieten stigmatisierungsfreie, mehrsprachige und barrierefreie Beratung und Unterstützung zu sämtlichen gesundheitlichen und sozialen Fragestellungen an.
Darüber hinaus sollen Gesundheitskioske zur regionalen Vernetzung mit den zuständigen Akteuren des Gesundheits- und Sozialwesens beitragen und dadurch Synergieeffekte schaffen. Zentrale Aufgabe der Kioske ist die Navigation der Bevölkerung durch das Gesundheits- und Sozialversicherungssystem. Sie entlasten dadurch auch die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sowie deren Mitarbeitende und schaffen so Freiräume für mehr medizinische Behandlungszeiten.
Flexiblere Rechtsrahmen ermöglichen
Laut des AOK-Konzepts könnten bei Bedarf alle wesentlichen regionalen Akteure zu Vertragspartnern werden. Zudem können die so geschlossenen regionalen Versorgungsverträge ab einer Marktabdeckung von 70% auch Teil der Regelversorgung werden und sich schneller als bisher als dauerhaftes Versorgungsangebot etablieren.
Denn:
„Wir sehen zunehmend Versorgungssituationen, die neue Formen der Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Sektoren erfordern“, betont Richard.
Jede Region habe spezifische Herausforderungen, für die Lösungen gesucht werden müssten. Deshalb sollten zum Abschluss der Verträge vergleichbare Freiräume gelten wie in der besonderen Versorgung nach Paragraf 140a SGB V. Kranken- und Pflegekassen könnten so mit den maßgeblichen Leistungserbringern direkt Verträge zur Etablierung von Gesundheitsregionen schließen. Dadurch könnten alle wesentlichen Akteure auf regionaler Ebene eingebunden werden, auch Langzeitpflege-Einrichtungen und Kommunen.
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