Den Pharmastandort Deutschland stärken


Ein Thema im Bundeskabinett: Den Pharmastandort Deutschland attraktiver machen. Das Medizinforschungsgesetz soll genau da ansetzen.

Durch das Medizinforschungsgesetz soll Deutschland für Forschung und Produktion von Pharmafirmen wieder attraktiver werden. (Foto von Victor Freitas auf Unsplash) 

 

Im Januar dieses Jahres betonte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) noch einmal:

„Deutschland soll für Forschung und Produktion von Pharmafirmen wieder attraktiver werden. Das ist Ziel des Medizinforschungsgesetzes, das Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach am 1. Dezember 2023 in Berlin vorgestellt hat. Damit soll die Zulassung von Studien vereinfacht und beschleunigt sowie Bürokratie abgebaut werden.“

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach erläuterte noch: „Wir haben eine sehr gute Grundlagenforschung, aber wenige Patente und Produktion, die daraus folgen. Hier spielt das Medizinforschungsgesetz im Rahmen der Pharmastrategie eine ganz zentrale Rolle. Das Beantragen von klinischen Studien wird zukünftig an einer Stelle möglich sein, beim BfArM. Der ganze Prozess wird deutlich beschleunigt und vereinfacht. Damit haben wir - zusammen mit dem Digitalgesetz und dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz - drei ineinander verschränke Gesetze, die den Pharma- und Forschungsstandort Deutschland deutlich verstärken werden.“

Größter Kritikpunkt: Geheimpreise bei Arzneimitteln

Für den GKV-Spitzenverband und einige andere Krankenkassen ist diese Maßnahme allerdings nicht akzeptabel: die geheimen Erstattungsbeträge bei Arzneimitteln.

Für Stefanie Stoff-Ahnis, Vorständin des GKV-Spitzenverbandes, „… eröffnen Geheimpreise den Pharmaunternehmen Spielräume für eine intransparente Preisgestaltung und werden die Kosten nach oben treiben. Dabei reden wir nicht von Millionen, sondern von vielen Milliarden Euro jedes Jahr an Mehrkosten für die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler ohne Mehrwert für die Versorgung.

Geheimpreise hebeln das Gebot der Wirtschaftlichkeit aus. Wenn den Ärztinnen und Ärzten Preistransparenz genommen wird, dann können sie bei der Verordnung von Medikamenten nicht mehr wirtschaftlich vorgehen. Der Preis eines Arzneimittels spielt dann keine Rolle mehr, weil die Ärztin oder der Arzt den Preis nicht mehr kennt. Die Folge wäre unweigerlich ein deutlicher Anstieg der Arzneimittelausgaben. Geheimpreise machen die Versorgung der Patientinnen und Patienten teurer, aber an keiner einzigen Stelle besser.

Geheimpreise bringen das bewährte System der Preisbildung bei Arzneimitteln aus der Balance und sorgen dazu durch aufwändige Auskunftsverfahren und zusätzliche Abrechnungsverfahren für einen enormen Aufwuchs an Bürokratie. Die Zeche zahlen die gesetzlich Versicherten und die Arbeitgebenden, wenn daraufhin die Zusatzbeiträge angehoben werden müssen. Wir appellieren an den Deutschen Bundestag, diesen Plan, der einzig der Gewinnsteigerung der Pharmaindustrie dient, zu stoppen.“

Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen e. V. (vdek), fordert: „Wir Ersatzkassen rufen die Bundesregierung noch einmal nachdrücklich dazu auf, von den geplanten vertraulichen Erstattungsbeträgen bei neuen patentgeschützten Arzneimitteln im Medizinforschungsgesetz abzurücken. Dieser Weg verbessert keinesfalls die Liefersicherheit von Arzneimitteln und damit die Versorgung der Patientinnen und Patienten. Stattdessen wird die Versorgung teurer, weil bewährte Steuerungsinstrumente, wie die Wirtschaftlichkeitsprüfungen oder die Importförderklausel an Wirkung verlieren, wenn Ärzte und Apotheken keine Auswahl zugunsten wirtschaftlicher Arzneimittel treffen können. Der Aufbau eines komplizierten Rückerstattungsverfahrens beim GKV-Spitzenverband konterkariert zudem den von der Politik propagierten Bürokratieabbau. Am Ende zahlen mit diesem Konjunkturprogramm für die Pharmaindustrie wieder die Versicherten und Arbeitgeber die Zeche – mit höheren Beitragssätzen.“

Auch Prof. Dr. Jens Peters, Geschäftsfeldleiter Klinische Forschung beim Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI), sieht die vertraulichen Erstattungsbeträge nur in Einzelfällen als relevant an:

„Denn diese neue Regelung verursacht zusätzliche Kosten dadurch, dass pharmazeutische Unternehmen die höheren Listenpreise in den Handelsstufen und bei der Mehrwertsteuer permanent ausgleichen müssen. Wichtig ist vielmehr ein Bekenntnis zur Förderung von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten, welches sich in einem gesunden Preisgebilde widerspiegelt.“

Er sieht den echten Schmerzpunkt in einem anderen Bereich: „ ... bei der Preisbildung für innovative Therapien sind die neuen AMNOG-Leitplanken und Kombi-Abschläge – hier besteht dringender gesetzgeberischer Korrekturbedarf.“ 

So erklärt er, dass das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) dazu führt, dass Therapieinnovationen oft nicht mehr angemessen honoriert werden. Ein Zusatznutzen gegenüber einer zweckmäßigen Vergleichstherapie wird oft nicht mehr mit einem höheren Preis übersetzt. 

Peters begrüßt aber die vereinfachten Genehmigungs- und Anzeigeverfahren für sichere klinische Prüfungen, die „ein wichtiger Schritt sind, damit Deutschland wieder an Attraktivität als Studienstandort gewinnt.“

Dr. Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, begrüßt zwar „die von der Bundesregierung geplanten Verbesserungen für den Forschungsstandort Deutschland ... Allerdings sehen wir keinerlei Verhältnismäßigkeit mit Blick auf die zu erwartenden erheblichen finanziellen Belastungen für die Solidargemeinschaft durch vertrauliche Preise. Es drohen finanzielle Mehrbelastungen der Beitragszahlenden in Milliardenhöhe - ohne Mehrwert für die Patientinnen und Patienten.“

Sie führt ins Feld, dass „das Preisniveau in Deutschland europaweit bereits heute das Höchste ist, die Netto-Kosten für den Markt patentgeschützter Arzneimittel haben sich in den letzten zehn Jahren nahezu verdoppelt. Die Arzneimittel-Ausgaben sind mit 48,84 Milliarden Euro im Jahr 2022 der zweitgrößte Ausgabenposten der GKV. Vor diesem Hintergrund ist es nicht nachvollziehbar, dass jetzt die bewährten Mechanismen zur Preisregulierung und Wirtschaftlichkeit von der Bundesregierung aufs Spiel gesetzt werden, um den pharmazeutischen Unternehmen in einem ohnehin schon attraktiven Markt einen weiteren Gefallen zu tun.“

Carolin Crockett, Director External Communication bei Pfizer, sieht das ein wenig anders und stützt sich auf eine Untersuchung, die das Unternehmen initiiert hat. Deswegen fragt sie: „Um als Standort für pharmazeutische Unternehmen attraktiv zu sein und die Versorgung mit innovativen Arzneimitteln sicherzustellen, braucht es investitions- und innovationsfreundliche Rahmenbedingungen. Doch wie beeinflussen regulatorische Voraussetzungen des Gesundheitsmarktes unternehmerische Standortentscheidungen und welche Auswirkungen kann das auf die hiesige Wirtschaft und Gesellschaft haben?“

Als ein Fazit zieht sie: „Deutschland wird nicht wieder die 'Apotheke der Welt'. Aber es kann seine führende Rolle bei der Produktion von innovativen Arzneimitteln und Impfstoffen festigen und ausbauen. Und wenn das Mindset für Translation und Wertschöpfung hierzulande besser ausgeprägt wird, kann die Spitzenforschung vor Ort einen direkteren Nutzen für Patientinnen und Patienten haben.“

 

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