Im Bereich der digitalen Pathologie sind laut Dr. Alexandra Farfsing „sind die technischen Voraussetzungen längst vorhanden – wir müssen uns nur trauen, den nächsten Schritt zu wagen.“ (Foto von National Cancer Institute auf Unsplash)
KI und Ärzt:innen: Tandem aus Mensch und Maschine
Roche stellt in seinem „Snackable Science - der LinkedIn-Newsletter von Roche in Deutschland“ Dr. Alexandra Farfsing vor. Sie ist Strategic Business Development und Lead Co-Creation beim Unternehmen. Vor allem geht es dabei darum, inwieweit KI dabei unterstützen kann, um schneller und gezielter aus Analysen Diagnosen stellen oder sogar frühzeitig schon z. B. Krebsrisiken erkennen zu können.
Farfsing findet, dass „von den rund 450 Pathologien es nur sehr wenige sind, die sich wirklich als digitale Vorreiter bezeichnen können. Das ist in anderen Ländern deutlich fortgeschrittener – und ich würde mir wünschen, dass wir auch in Deutschland viel weiter wären. Denn keine Frage: die technischen Voraussetzungen sind längst vorhanden – wir müssen uns nur trauen, den nächsten Schritt zu wagen!“
Sie betont, dass „es immer ein Tandem aus Mensch und Maschine sein wird, das ineinander greift und eine noch präzisere Diagnostik stellen kann.“
Pathologie: Feld der Diagnosestellung
„Das Feld der Pathologie ist das Feld der Diagnosestellung. Ein Pathologe ist derjenige, der von Ärzt:innen, beispielsweise einem Onkologen, Gewebematerial bekommt. Dieses Gewebe wertet der Pathologe durch eine makroskopische, mikroskopische oder molekulare Analyse aus und kann anhand dessen die eigentliche Diagnose stellen. Digitale Pathologie bedeutet, dass das Gewebe nicht nur unter dem Mikroskop betrachtet wird, sondern dass es auch digitalisiert wird und anschließend von den Ärzt:innen ausgewertet werden kann. So kann die Diagnosestellung am Computer auch digital mithilfe von KI oder Algorithmen weitergeführt werden“, erklärt Farfsing.
Ein Beispiel aus ihrer Arbeit: „Ein Onkologe schickt Gewebe ein, um herauszufinden, ob ein Patient Krebs hat und in welchem Stadium. Der Pathologe analysiert dann den eingescannten Gewebeschnitt, möglicherweise sogar unter Zuhilfenahme eines Algorithmus. Dieser kann dann die einzelnen Zellen zählen oder anhand der Färbung des Gewebes errechnen, wie viel Prozent der Zellen tatsächlich befallen sind und welche genau. Somit hilft KI, den Ärzt:innen einzuschätzen, welchen Krankheitsgrad der Patient hat. Schlussendlich stellen natürlich die Ärzt:innen die finale Diagnose – jedoch mit der Unterstützung des Vorschlages der KI.
Unsere Softwarelösungen können dann noch einen Schritt weiter gehen und anhand von Studiendaten den Vergleich anstellen, welche Therapie zu genau diesem Patienten am besten passt. Hier ergänzen sich Mensch und Maschine also wirklich perfekt.“
Tandem Mensch - Maschine
Und weiter zu dem Thema ergänzt sie:
„… Es gibt auch Ärzt:innen, die mit der Nutzung von KI sehr positive Erfahrungen machen. Deren Meinung ist eindeutig: Eine KI wird Behandler:innen niemals ersetzen – aber sie kann die Qualität der Therapieentscheidung und Behandlung unterstützen. Es wird meiner Meinung nach immer ein Tandem aus Mensch und Maschine sein, das ineinander greift und eine noch präzisere Diagnostik stellen kann. Auf der einen Seite bringen die Ärzt:innen neben der persönlichen Bindung und Empathie zu den Patient:innen ihre medizinische Expertise ein. So können sie dieses mikroskopische Bild in den Gesamtkontext der Erkrankung einordnen und auf Basis ihrer Erfahrung eine Diagnose stellen. Auf der anderen Seite kann die KI mehrere Biomarker-Färbungen in Tumorgeweben viel präziser erkennen und auswerten. Diese Fähigkeit, mehrere Farben optisch übereinander zu legen und trotzdem jede einzelne Färbung genau auszuwerten, hat unser menschliches Auge nicht.
Und KI kann noch mehr: Sie macht Vorschläge, sie wertet aus und zeigt auf, wie komplex eine Erkrankung ist. Außerdem kann sie Literatur nach passenden Studien durchsuchen und Therapieverläufe bei ähnlichen Patientenfällen untereinander vergleichen. Aber aus juristischer Sicht darf die KI nicht alles entscheiden, denn niemand kann eine KI für eine falsche Entscheidung verantwortlich machen. Die Hauptverantwortung für den Befund und das letzte Wort haben immer noch die Ärzt:innen.“
Digitalisierung der Pathologie: Chance der Früherkennung
Farfsing wünscht sich, „dass die Pathologien viel flächendeckender digital aufgestellt wären. Doch tatsächlich ist es so, dass die Digitalisierung der Pathologie in Deutschland noch in den Kinderschuhen steckt …“
Zudem erzählt sie weiterhin aus ihrem Arbeitsalltag, „… Dass wir wissen, nach welchen Früherkennungsmerkmalen wir im Körper suchen müssen. Ein Beispiel aus dem Bereich des Leberzellkarzinoms: Roche hat einen Algorithmus entwickelt, der vier verschiedene Parameter betrachtet. Das Geschlecht, das Alter und zwei Biomarker. Diese Biomarker können wir im Körper nachweisen, noch bevor sich ein Leberzellkarzinom entwickelt hat. Da Alter und Geschlecht feststehen, müssen wir dementsprechend nur zwei klinische Parameter testen. Anschließend berechnet ein Algorithmus ein Verhältnis zwischen null und zehn. Wenn der Grenzwert von 2,57 überschritten wird, ist das ein Hinweis auf ein erhöhtes Krankheitsrisiko. Je nach Erkrankung gibt es verschiedene Parameter, nach denen wir gezielt suchen können – noch bevor eine Krankheit entsteht.“
Und sie ergänzt noch: „Wir können durch Vorsorgeuntersuchungen Zellveränderungen sehen, bevor die Erkrankung überhaupt ausbricht. Ein Beispiel: der durch Humane Papillomaviren ausgelöste Gebärmutterhalskrebs. Sobald ein:e Gynäkolog:in im PAP-Abstrich und der molekularen Analyse erkennt, dass die Zellen entarten, kann noch frühzeitig gehandelt werden. Zusätzlich kann die KI die tiefere Diagnostik und Befundung unterstützen. Ich finde, genau hier liegt der Hebel in der Medizin. Das Thema Vorsorge und Früherkennung sollte einen viel höheren Stellenwert im Bewusstsein und Alltag der Bevölkerung haben …“
Interdisziplinäre Zusammenarbeit erwünscht
„Es gibt bereits strukturierte Netzwerke in Deutschland, die sich für eine bundesweit harmonisierte, qualitätsgesicherte molekulare Diagnostik sowie personalisierte Therapie für Krebspatienten einsetzen. Hierbei sitzen sehr viele Akteure mit an einem Tisch: akademische Zentren, niedergelassene Ärzte, Industriepartner, Verbände, Vertreter aus Politik und Krankenkassen. Wir alle arbeiten an einem gemeinsamen Ziel: wir möchten aus Daten der Patient:innen lernen und damit in Zukunft eine noch qualifizierte Gesundheitsentscheidung für alle Patient:innen ermöglichen. Aus gut strukturierten und konsolidierten Patientendaten können wir neue und prädiktive Algorithmen trainieren. Wir können also aus Daten lernen und sie für Vorsorge und Prävention nutzen,“ betont sie.
Herausforderungen von KI im Gesundheitswesen
Dazu hat sie folgende Einschätzung:
„Die erste Herausforderung ist, dass KI heutzutage noch nicht vergütet wird. Wir müssen erst einmal nachweisen, dass sie einen Mehrwert gegenüber dem zeigt, was Ärzt:innen bereits ohne KI leisten. Eine zweite Herausforderung ist, dass viele Ärzt:innen diese Einführung als große Hürde sehen, da die Digitalisierung zunächst einen zusätzlichen Aufwand bedeutet. Erst wenn digitales Arbeiten und die Nutzung von KI zur Routine werden, können wir eine effiziente, passgenaue und zeitnahe Diagnostik für unsere Patient:innen ermöglichen.“
Ein anderes Beispiel: Die KI BakeryScanAI aus Japan. Ursprünglich dazu entwickelt, um Croissants und andere Backwaren zu unterscheiden, wurde diese KI mit einer neuen Mission betraut: der Erkennung von Krebszellen auf Röntgenbildern der Lunge. Denn Croissants und verschiedene Teigwaren sehen Krebszellen verdächtig ähnlich – zumindest unter dem Mikroskop.
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