Ein drei Jahre währender Aufwärtstrend bei Arzneimittelzulassungen ist seit 2023 unterbrochen worden. Denn im vergangenen Jahr sind weniger neue Arzneimittel oder Impfstoffe zugelassen worden als in 2022. (Foto von Diana Polekhina auf Unsplash)
Ein drei Jahre währender Aufwärtstrend wurde damit unterbrochen.
Unsere Statistik erfasst neue Therapien, neue Wirkstoffe und Wirkstoffkombinationen sowie Biosimilars. Nicht mitgezählt wurden Generika und Informed-Consent-Zulassungen. Ebenfalls nicht erfasst wurden die Anpassungen bereits zugelassener COVID-19-Vakzinen an neue Omikron-Subvarianten. Zulassungen identischer Arzneimittel unter mehreren Handelsnamen wurden nur einmal gezählt.
Nach dieser Statistik wurden im vergangenen Jahr 54 neue Arzneimittel zugelassen, nach 75 im Jahr 2022.
Die 54 Zulassungen 2023 waren bereits als Prognose in unserem Beitrag „EU-Zulassungsbilanz bleibt deutlich hinter dem Vorjahr zurück“ (PM—Report, Heft 12, Dezember 2023) enthalten, der sich mit der EU-Zulassungsbilanz der ersten neun Monate 2023 befasste. Der vorliegende Artikel ist daher eine Fortschreibung des Beitrags mit Schwerpunkt auf dem 4. Quartal.
Krebsarzneimittel mit Abstand führende Indikationsgruppe
Wie im Vorjahr waren auch 2023 Antineoplastische Substanzen das führende Indikationsgebiet. Auf diese entfielen 17 Zulassungen. Damit ist nahezu jedes dritte, im vergangenen Jahr neu zugelassene Arzneimittel für Krebspatient:innen bestimmt.
Auf den nächsten Plätzen folgen:
- Immunsuppressiva mit 6 Zulassungen (3 davon sind Biosimilars)
- ZNS-Arzneimittel (5 Zulassungen)
- Arzneimittel für das Indikationsgebiet Alimentäres System und Stoffwechsel (4)
- Dermatologika mit 3 Zulassungen
Auf diese Top-Fünf-Indikationen entfallen knapp zwei Drittel der Zulassungen.
12 neue Orphan Drugs
Von den 2023 neu zugelassenen Arzneimitteln haben 12 (Vorjahr: 23) Orphan-Drug-Status; allein 5 von ihnen erhielten ihre Zulassung im Schlussquartal.
Im 4. Quartal wurden diese Arzneimittel im Gemeinschaftsregister zugelassener Arzneimittel für Seltene Leiden eingetragen:
- Finlee (Dabrafenib) von Novartis in Kombination mit Trametinib zur Behandlung von pädiatrischen Patient:innen mit einem malignen Gliom mit einer BRAF-V600E-Mutation
- Yorvipath (Palopegteriparatid) von Ascendis, eine Parathormon(PTH)-Substitutionstherapie für Erwachsene mit chronischem Hypoparathyreoidismus
- Agamree (Vamorolon) von Santhera für die Behandlung von Duchenne-Muskeldystrophie (DMD) bei Patient:innen ab 4 Jahren
- Loargys (Pegzilarginase) von Immedica zur Behandlung von Arginase-1-Mangel (Hyperargininämie)
- Rezzayo (Rezafungin) von Mundipharma zur Behandlung der invasiven Candidainfektion bei Erwachsenen
Sieben neue Biosimilars
In der Berichtszeit wurden 7 Biosimilars zugelassen:
- Tyenne von Fresenius Kabi, ein Biosimilar des Immunsuppressivums RoActemra (Tocilizumab)
- Yesafili von Biocon (Viatris), ein Biosimilar des Ophthalmikums Eylea (Aflibercept), u. a. für Patient:innen mit AMD
- Tyruko von Sandoz, ein Biosimilar von Tysabri (Natalizumab), für Patient:innen mit schubförmig remittierend verlaufender Multipler Sklerose (RRMS)
- Kauliv von Strides, ein Biosimilar von Forsteo (Teriparatid), zur Anwendung bei Osteoporose
- Epysqli von Samsung Bioepis und Bekemv von Amgen, zwei Biosimilars von Soliris (Eculizumab), zur Behandlung von Patient:innen mit Paroxysmaler Nächtlicher Hämoglobinurie (PNH);
- Herwenda von Sandoz, ein Biosimilar des Brustkrebs-Arzneimittels Herceptin (Trastuzumab)
Gut 15 Monate durchschnittliche Bearbeitungszeit
Die Verfahrensdauer von der Einreichung des Antrags bei der EMA bis zur Zulassung durch die EU-Kommission hat sich durch die Einbeziehung des 4. Quartals nicht wesentlich geändert, weshalb hier hinsichtlich der Details auf die Neunmonatsbilanz im PM—Report 12/23 verwiesen wird. Auch für das Gesamtjahr 2023 gilt: Das Zulassungsverfahren dauert im Mittel rund 15,5 Monate.
Ein kurzer Blick auf 2024
Bis zum 31. Januar 2024 haben wir im Gemeinschaftsregister der Europäischen Kommission in diesem Jahr 6 Neuzulassungen gefunden, die den Kriterien für diese Statistik entsprechen. Gleichzeitig warteten noch 3 Zulassungsempfehlungen des CHMP aus der Sitzung von Dezember 2023 und 2 Positive Opinions aus der Januarsitzung des Ausschusses auf eine Entscheidung durch die Kommission.
Schaut man lediglich auf die Zahlen, sieht das nach einem verhaltenen Start aus. Ein anderes Bild ergibt sich, wenn man die Therapieoptionen betrachtet:
So wurden bereits drei neue Orphan Drugs zugelassen:
- Omjjara (Momelotinib) von GSK für Patient:innen mit Myelofibrose
- Rystiggo (Rozanolixizumab) von UCB zur Anwendung bei generalisierter Myasthenia gravis
- Spexotras (Trametinib) von Novartis, das in Kombination mit Finlee (Dabrafenib) bei pädiatrischen Gliompatient:innen mit BRAF-V600E-Mutation indiziert ist.
Aus der Dezembersitzung des CHMP warten zwei Arzneimittel auf die Zulassung, die zum Zeitpunkt der Positive Opinion Orphan-Drug-Status hatten: Skyclarys (Omaveloxolon) von Biogen (Reata) für Patient:innen mit Friedreich-Ataxie sowie Casgevy (Exagamglogen autotemcel) von Vertex zur Behandlung transfusionsabhängiger β-Thalassämie und Sichelzellanämie, eine Geneditierungstherapie unter Anwendung der CRISPR/Cas9-Technologie.
Wenn die Europäische Kommission ihr Plazet gibt, würde mit Casgevy erstmals eine Genscheren Therapie zugelassen.
Ausgewertete Quellen: Union Register of Medicinal Products (Europäische Kommission), EPARs (EMA-Website, Rubrik Medicine), CHMP Meeting Highlights (EMA-Website, Rubrik Committees).
Für uns zusammengestellt und analysiert von Bertold Schmitt-Feuerbach, ehemaliger Chefredakteur der Arzneimittel Zeitung und Verfasser des MAA-Reports.
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