Frauengesundheit: Durch Kooperationen medizinische Versorgung verbessern


In der Biopharma-Branche gewinnt die Gesundheit von Frauen als Zielbereich für Forschung und Arzneimittelentwicklung immer mehr an Bedeutung.

Frauen leben im Durchschnitt zwar länger als Männer, verbringen aber 25% mehr ihrer Lebenszeit in einem schlechteren Gesundheitszustand. (Foto von Joel Muniz auf Unsplash)

 

Lücken in der Frauengesundheit

Große Pharmaunternehmen erkennen zunehmend Lücken und unerfüllte Bedürfnisse bei der Diagnose und Behandlung von Krankheiten. Das betrifft nicht nur Krankheiten, die im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt stehen, sondern auch Unterschiede in den Therapieergebnissen bei zahlreichen weiteren Krankheitsbildern, wird in einem Fachbeitrag im Life Science Leader betont. 

Das bietet eine große Chance, auch Marktchance, denn Investitionen im Bereich der Frauengesundheit könnten laut einem Bericht des Weltwirtschaftsforums und des McKinsey Health Institute die globale Wirtschaft bis 2040 jährlich um eine Billion Dollar ankurbeln. 

Bis heute: Ungleichheiten bei klinischen Studien

Die damalige Entscheidung der FDA (U.S. Food and Drug Administration), Frauen aus frühen klinischen Studien auszuschließen, um Frauen und ungeborene Kinder zu schützen, führte zu den Ungleichheiten in der klinischen Forschung, die bis heute bestehen: es stehen beispielsweise weniger Daten über Behandlungsergebnisse zur Verfügung, die Frauen überproportional betreffen, wie Alzheimer oder Multiple Sklerose. 

Das unglückliche Ergebnis dieses Sicherheitsansatzes: Frauengesundheit als Fachgebiet sei erst etwa 30 Jahre alt, so Michael Annichine, CEO des Magee-Womens Research Institute and Foundation. „Bis heute werden nur etwa 13 Cent pro Dollar in die Frauengesundheit investiert.“

Vor der Verabschiedug des NIH* Revitalization Act 1993 war es per Gesetz nicht erforderlich, Frauen in klinische Studien einzubeziehen, um NIH-Fördermittel zu erhalten. In den späten 1990er und frühen 1980er Jahren empfahl die FDA sogar aktiv, Frauen im gebährfähigen Alter von Phase-1 und Phase-2-Studien auszuschließen – eine entscheidende Phase zum Verständnis der Pharmakokinetik.

Ohne die Teilnahme von Frauen können geschlechtsbezogene Unterschiede in Bezug auf die Sicherheit und Wirksamkeit neuer Therapien nicht angemessen verstanden werden.

*National Institute of Health

Gemeinnützige Partnerschaften zur Verbesserung der Gesundheit von Frauen

Magee-Womens Research Institute and Foundation

Das Magee-Womens Research Institute and Foundation mit Sitz in Pittsburgh, Pennsylvania, arbeitet regelmäßig mit Partnern aus der Life-Science-Industrie zusammen: zum einen, um die Sicherheit und Wirksamkeit bestehender, von Frauen verwendeter Produkte zu verbessern, und zum anderen, um neue Medikamente und Diagnostika auf den Markt zu bringen. 

Annichine nennt drei Beispiele, wie das Institut mit Life-Science-Unternehmen zusammenarbeitet:

  • Präklinische Forschung zur Unterstützung von Medikamenten, die von schwangeren Frauen verwendet werden.
  • Segmentierung und Analyse von Patientenkohorten.
  • Reaktion auf Sicherheitssignale oder unerwünschte Ergebnisse.
     

Das Institut verfügt außerdem über die Magee Obstetric Maternal and Infant (MOMI) Daten- und Biobank, welche bis ins Jahr 1995 zurückreicht und Daten von 220.000 Schwangerschaften enthält. Jährlich werden neue klinische Informationen von 10.000 Geburten hinzugefügt. MOMI ist „die größte Datenbank ihrer Art in der Welt“, zudem unterhält die Organisation auch eine „große Tumor-Biobank, die über viele Jahre gesammelt wurde“, erklärt Annichine. 

Women's Brain Foundation

Dr. Antonella Chada ist Mitbegründerin und ehrenamtliche CEO der gemeinnützigen Women's Brain Foundation. Die Foundation, entstanden durch Chadas Arbeit, klinische Richtlinien zu Alzheimer zu entwickeln, arbeitet nun daran, 30 Millionen Dollar zu sammeln, um das Research Institute for Sex and Gender Precision zu gründen.

Als erste internationale Organisation, die sich ausschließlich auf geschlechtsspezifische Unterschiede im Kontext der Arzneimittelentwicklung und -behandlung konzentriert, wird sich das Forschungsinstitut auf vier Schlüsselbereiche konzentrieren: 

  • Präklinische und klinische Forschungen und Real-World-Daten,
  • regulatorische Rahmenbedingungen und klinische Praxis,
  • Forschungspolitik und Advocacy
  • sowie neue Technologien und KI.
     

Unterstützt werden Institut und Stiftung von einer Koalition aus Wissenschaftlern und Experten aus der Industrie, internationalen Forschungsorganisationen und akademischen Zentren sowie politischen und gesundheitlichen Netzwerken. 

Was es kostet, Geschlecht und Gender zu ignorieren

Abgesehen von den sehr realen gesundheitlichen Folgen einer Diskrepanz zwischen klinischen Studienpopulationen und der Verschreibung eines Medikaments in der realen Welt, steht auch viel Umsatz auf dem Spiel.
Der Abzug eines Medikaments vom globalen Markt bedeute einen Verlust von 20 Jahren Forschung zusätzlich zu den Einnahmen des Medikaments, merkt Santuccione Chada an. 

Das volle Ausmaß der geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Medizin, von der Arzneimitteldosierung bis zu altersbedingten Veränderungen, wird erst allmählich deutlich.

Allzu oft werde Frauengesundheit noch auf „Bikini-Medizin“ reduziert, also Unterschiede in der Genital- und Reproduktionsanatomie, sagt Santuccione Chada. Zukünftig müssten Arzneimittelentwickler die Tatsache berücksichtigen, dass „wir erhebliche Unterschiede haben, die in Betracht gezogen werden müssen.“

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