Gesundheitskioske: Bald in der Regelversorgung etabliert?


Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach möchte das Konzept Gesundheitskioske etablieren, einige gibt es bereits. Krankenkassen und Ärzte wünschen sich aber die richtigen „Weichen von der Politik.“ Und zwar am besten sofort.

Der Gesundheitskiosk in fünf Hamburger Stadtteilen möchte „der zentrale Ort für alle Fragen rund um Ihre Gesundheit (sein). Im Mittelpunkt steht immer der Mensch. Wir nehmen uns Zeit, betreuen und begleiten Sie in enger Abstimmung mit Ihren Ärztinnen und Ärzten bei Gesundheit und Krankheit.“ (Foto: Screenshot Website / PM—Report)

Lauterbach ist pro Gesundheitskioske

In einem Interview mit der Welt am Sonntag wird Lauterbach folgendes gefragt: „Sie sprechen von einer angespannten Lage bei der gesetzlichen Krankenversicherung. Gleichzeitig planen Sie 1000 sogenannte Gesundheitskioske in benachteiligten Regionen. Wie passt das zusammen?“

Seine Antwort: „Gesundheitskioske würden zu einer deutlich besseren Versorgung in den ärmsten Stadtteilen Deutschlands führen. Für 200 Kioske rechnen wir mit Kosten von circa 50 Millionen Euro. Langfristig soll es 1000 Kioske geben. Das ist ein Bruchteil der Gesamtausgaben für Krankenhäuser. Halten Sie das wirklich für unverhältnismäßig? Ich nicht ...“

Wie sieht die Situation bisher aus?

Ob es mit dem eingeplanten Geld und vor allem der Weitsicht so auch wirklich passt? Dem würden wahrscheinlich nicht alle zustimmen. Beispielsweise die Gesundheit für Billstedt/Horn UG, die AOK Rheinland/Hamburg und die Mobil Krankenkasse (MKK) appellieren an die Politik, die bundesweite Etablierung von Gesundheitskiosken voranzutreiben. In Hamburg Bramfeld ist aktuell ein Gesundheitskiosk eröffnet worden. Dafür ist aber im Hamburger Stadtteil Billstedt eine Kasse, die Ersatzkassen, aus dem dort angesiedelten Gesundheitskiosk ausgestiegen.

Dementsprechend kritisieren die anwesenden Ärzte, Dr. Gerd Fass als Vorsitzender des Ärztenetzes Billstedt-Horn e.V. und Dr. Mike Müller-Glamann als Hausarzt und 2. Vorsitzender des Hamburger Hausärzteverbandes: „Durch den Ausstieg der Ersatzkassen fallen Beratungen durch den Gesundheitskiosk für rund 2.500 Versicherte in Billstedt weg. Das belastet unsere Praxen noch mehr, die ohnehin schon überlastet sind. Vor diesem Hintergrund können wir uns lange Diskussionen über das Gesetz nicht mehr leisten.“

Alexander Fischer, Geschäftsführer der Trägergesellschaft, ärgert es wiederum, dass nur Versicherte der AOK Rheinland/Hamburg und der MKK die Angebote des Gesundheitskiosks nutzen dürfen. Außerdem findet er: „Ebenso benötigt es mehr Perspektive für die hoch qualifizierten Pflegefachpersonen der Hamburger Gesundheitskioske.“ Fischer betont, dass Projekte des G-BA Innovationsfonds, die eine positive Bewertung für die Aufnahme in die Regelversorgung erhalten, nicht allein von der Initiative zweier Krankenkassen abhängig sein sollen.

„Mit den Gesundheitskiosken nehmen wir als Krankenkasse eine aktive Rolle ein und können mit allen Akteuren passgenaue Lösungen vor Ort entwickeln, also genau da, wo Bedarf besteht“, hebt Mario Heise, Vorstand der MKK, hervor.

Gesundheitskioske als Regelversorgung

Karl Lauterbach ist selber nicht vor Ort, aber BMG-Abteilungsleiter Michael Weller (Abteilung „Gesundheitsversorgung und Krankenversicherung“) hat sich online dazu geschaltet. Und er bekräftigt: „Wir wollen Gesundheitskioske als Regelversorgung etablieren und einen Rechtsanspruch für diese Versorgung für alle Menschen schaffen, unabhängig von ihrem Versichertenstatus. Unser Ziel ist, das Gesetz im April ins Kabinett zu bringen, damit es möglichst im Januar 2025 rechtskräftig ist.“

Hintergrund:

Mit einem durch den Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) geförderten Projekt startete 2017 in den Hamburger Stadtteilen Billstedt und Horn der Aufbau eines regionalen, integrierten Gesundheitsnetzwerks mit Fokus auf Prävention, Gesundheitsförderung und -erhaltung. Der Gesundheitskiosk ist eine wichtige organisatorische Schnittstelle zwischen der medizinischen Versorgung und dem Sozialraum.

Im September 2021 öffnete mit der Quartierszentrale „dieKümmerei“ in Köln-Chorweiler ein weiteres regionales Versorgungsprojekt, Versorgungsverbesserung in sozioökonomisch benachteiligten Vierteln legt. Weitere Standorte gibt es in Essen, Aachen und Solingen.

Im Gesundheitskiosk informieren besonders geschulte Mitarbeitende die Patient:innen über Krankheiten, Therapien und einen gesunden Lebensstil, auf Deutsch, Englisch, Türkisch, Farsi, Dari, Portugiesisch, Polnisch und Russisch. Ratsuchende bekommen aber auch Hilfe, die über klassische Gesundheitsthemen hinausgeht, wie konkrete Unterstützung bei der Suche nach einem Kitaplatz oder bei der Beantragung einer Haushaltshilfe.

Eine Evaluation des Hamburg Center for Health Economics (HCHE) der Universität Hamburg aus dem Jahr 2021 hat gezeigt, dass der Gesundheitskiosk einen verbesserten Zugang zur Versorgung schafft und zur Zufriedenheit der Patientinnen und Patienten sowie zur Entlastung der Ärzteschaft beiträgt.

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