Halbjahresbilanz 2024: Zwei Drittel mehr Arzneimittelzulassungen als vor einem Jahr


Im 1. Halbjahr 2024 hat die Europäische Kommission nach dem zentralisierten Verfahren 35 neue Arzneimittel für den Europäischen Wirtschaftsraum (EU plus Irland, Liechtenstein und Norwegen) zugelassen.

Für das Gesamtjahr ist mit einer deutlich stärkeren Zulassungsbilanz als 2023 zu rechnen. (Foto von Mika Baumeister auf Unsplash)

 

Das sind 66% oder zwei Drittel mehr als in der gleichen Vorjahreszeit (21).  Auch für das Gesamtjahr ist mit einer deutlich stärkeren Zulassungsbilanz als 2023 zu rechnen.

Analysiert von Bertold Schmitt-Feuerbach.

Unsere Auswertung* erfasst auch Biosimilars, nicht jedoch Generika. Ebenfalls außen vor bleiben Informed-Consent-Einreichungen. Zulassungen identischer Arzneimittel unter mehreren Handelsnamen wurden nur einmal gezählt.

Die Top 3 Indikationen

Die Zulassungen verteilen sich auf 13 Indikationsgruppen. Mehr als die Hälfte der Zulassungen konzentrieren sich jedoch auf die „Top 3 Indikationen“. An der Spitze standen Arzneimittel für Krebspatient:innen  (antineoplastische Substanzen) mit 8, gefolgt von Immunsuppressiva mit 6 Zulassungen. Den 3. Platz belegen mit 4  Zulassungen Arzneimittel zur Anwendung bei Hämatologischen Erkrankungen.

Fast jedes dritte Arzneimittel hat Orphan-Drug-Status

Von den Neuzulassungen des 1. Halbjahres 2024 hatten 11 zum Zeitpunkt der Zulassung den Status eines Arzneimittels für seltene Leiden (Orphan Medicinal Products); das sind beinahe so viele wie im Gesamtjahr 2023 (12 Zulassungen). Damit war fast jedes dritte der im Berichtshalbjahr zugelassenen Arzneimittel ein Orphan-Drug.

Debüt für Biosimilars von Stelara, Xgeva und Xolair

Mit den ersten Zulassungen von Biosimilars von Stelara (Ustekinumab), Xgeva bzw. Prolia (Denosumab) sowie Xolair (Omalizumab) im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) gab es im 1. Halbjahr 2024 gleich 3 Biosimilar-Premieren. 

  • Bei den ersten Biosimilars von Stelara, ein Immunsuppressivum zur Anwendung u. a. bei Psoriasis, Psoriatischer Arthritis und Morbus Chron, handelt es sich um Uzpruvo von Stada und Alvotech, um Wezenla von Amgen sowie um Pyzchiva von Samsung Bioepis und Sandoz. 
  • Xgeva-Biosimilars gaben mit 2 Produkten von Sandoz ihr Debüt: Wyost und Jubbonti. Wyost erhielt die Zulassung u. a. zur Prävention skelettbezogener Komplikationen bei Erwachsenen mit fortgeschrittenen Krebserkrankungen und Knochenbefall, Jubbonti zur Anwendung u. a.  bei Osteoprorose. 
  • Außerdem erhielt das erste Biosimilar von Xolair (Omalizumab) eine Zulassung:  Omlyclo von Celltrion, zur Anwendung bei Allergischem Asthma, Chronischer Rhinosinusitis (CRSwNP) sowie Chronischer spontaner Urtikaria. 
  • Insgesamt ließ die EU-Kommission im Berichtshalbjahr 8 Biosimilars zu. Das sind bereits mehr als im Gesamtjahr 2023 (7 Zulassungen).  

 

Gut 15 Monate von der Einreichung bis zur Zulassung

Aus den Angaben der Europäischen Kommission zum Zulassungsdatum und dem in den EPARs genannten Einreichungsdatum konnte für die 35 Neuzulassungen des 1. Halbjahres 2024 jeweils die Verfahrensdauer errechnet werden. Sie lag im Mittel bei rund 474 Tagen, was rund 15,5 Monaten entspricht.  

Am schnellsten ging es bei dem am 03.06.2024 zugelassenen trivalenten intranasalen Grippeimpfstoff Fluenz von AstraZeneca. Von der Einreichung des Zulassungsantrags bei der EMA bis zur Zulassung durch die EU-Kommission vergingen nur 84 Tage. 

Dabei spielte eine Rolle, dass Fluenz (trivalent) schon einmal (am 27.01.2011) eine Zulassung erhalten hatte.  Der Impfstoff wurde allerdings zurückgezogen zugunsten der am 04.12.13 zugelassenen quadrivalenten Vakzine Fluenz Tetra, die zusätzlich einen Virusstrang der B/Yamagata-Linie enthielt. Die Emergency Task Force der EMA erklärte jedoch, dass das B/Yamagata-Virus seit März 2020 nicht mehr zirkuliert und empfahl, Antigene der Linie aus allen Influenza-Vakzinen zu entfernen, aus Lebendimpfstoffen idealerweise bereits für die Grippesaison 2024/25.

Ebenfalls deutlich weniger als ein Jahr dauerten die Zulassungsverfahren für das Antibiotikum Emblaveo (Aztreonam + Avibactam) von Pfizer (249 Tage) sowie für Ixchiq, den Chikungunya-Lebendimpfstoff von Valneva (247 Tage). Beide Produkte wurden nach dem Verfahren der beschleunigten Bewertung (Accelerated Assessment) zugelassen.

Am längsten dauerte das Zulassungsverfahren für Ryzneuta (Efbemalenograstim alfa) von Evive Biotech und Apogepha. Von der Einreichung bis zur Zulassung des rekombinanten G-CSF-Fusionsproteins zur Anwendung bei Chemotherapie-induzierten Neutropenien vergingen 924 Tage.

Wie geht es weiter?

Zu Beginn des 2. Halbjahres deutete bereits alles darauf hin, dass sich das lebhafte Zulassungsgeschehen fortsetzen wird. Noch im Juli (Stand 31.07.24) wurden 4 weitere Arzneimittel zugelassen, 2 davon haben Orphan-Drug-Status. 

Zudem registrierten wir bis Ende Juli dieses Jahres 21 Positive Opinions für Arzneimittel, die noch auf die Entscheidung durch die EU-Kommission warteten. Darunter befinden sich auch zwei Arzneimittel mit Orphan-Drug-Status. Da die EU-Kommission den CHMP-Empfehlungen nahezu immer folgt, kann man Stand Ende Juli ein Potenzial von 60 Zulassungen für 2024 in die Bücher schreiben (39 bereits erfolgte Zulassungen plus 21 CHMP-Empfehlungen). Zum Vergleich: Im Gesamtjahr 2023 registrierten wir nur 54 Zulassungen.

Im weiteren Jahresverlauf steht jeden Monat eine CHMP-Sitzung im Kalender, und zumindest die Entscheidungen bis einschließlich der Oktobersitzung dürften von der Europäischen Kommission noch bis Jahresende berücksichtigt werden. 

Es erscheint daher realistisch, dass das Jahr 2024 nach dem schwachen Verlauf 2023 wieder ein starkes Jahr für die Zulassung neuer Arzneimittel werden wird und vielleicht sogar an den Fünfjahres-Rekord von 2022 von 75 Zulassungen anknüpfen kann.

 

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* Ausgewertete Quellen: Union Register of Medicinal Products (Europäische Kommission), EPARs (EMA-Website, Rubrik Medicine), CHMP Meeting Highlights (EMA-Website, Rubrik Committees).

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