Im Gespräch: Nahrungsergänzungsmittel


Wie steht es um Nahrungsergänzungsmittel? 

Die Apothekenteams sind der Meinung, dass die Auswahl von NEM einer ausführlichen Beratung bedarf und dass das Angebot von NEM im Mass Market deswegen gefährlich ist. (Foto von Diana Polekhina auf Unsplash)

NEM: Emotionale Aspekte 

Für den Schweizer Markt wurde bereits der emotionale Aspekt durch die EmoCompass®-Studie von Nahrungsergänzungsmitteln (NEM) analysiert: Demnach gehören zur emotionalen Wahrnehmung u.a. Namings, Bilder, Headlines, Werbebotschaften, Packagings. 

Bei der Schweizer Bevölkerung sind Vitamine sehr beliebt: Bisher nimmt fast jeder dritte Schweizer mindestens ein Nahrungsergänzungsmittel. Für das Jahr 2023 ist ein Umsatz von ca. 120 Mio. CHF (ca. 121 Mio. Euro) prognostiziert worden. Das ist ein Wachstum von rund 4% im Vergleich zum Vorjahr. Bis im Jahr 2027 wird mit einem Marktvolumen von ungefähr 140 Mio. CHF (ca. 141 Mio. Euro) gerechnet.

Zutt & Partner, eine Unternehmensberatung für Neuromarketing, hat drei der in der Schweiz bekanntesten Nahrungsmittelergänzungs-/Vitamin-Marken in Bezug auf die Neuromarketing-Erfolgsrezepte geprüft: A.Vogel, Berocca und Burgerstein. Dabei lag der Fokus in der Studie auf der emotionalen Wahrnehmung der drei Marken:

Bei Berocca spielt die Wunsch-Emotion „Inspiration“ mit fast 30% Anteil an den gesamten Markenemotionen die bedeutendste Rolle. Mit einem Inspirations-Anteil von 25% reiht sich A.Vogel auf Platz zwei ein, Burgerstein erzielt einen Wert von 20%.

In der Studie wurde auch gemessen, wie viel Emotion die drei Marken ganz allgemein auslösen: Der Emotionsvolumen-König ist Burgerstein mit insgesamt einem Wert von über 40. A.Vogel kommt auf einen Emotionsvolumen von 32.7  und Berocca auf 27.1.

„NEM-Hersteller sollten auf Apothekenexklusivität setzen“

In einem Interview im Special Selbstmedikation (PM—Report 9/22) beantworten Ulrike Bock (Senior Research Manager), Maximiliane Klein (Research Manager) und Jasmin Kratz (Senior Product Manager) von aposcope die zentralen Fragen rund um NEM.

PM–Report: Wie sollten sich NEM-Hersteller an Apotheker:innen und PTA richten?

Der Wissensdurst der Apotheker:innen und PTA ist enorm: 71% der Befragten aus der Vor-Ort-Apotheke wünschen sich Schulungen/Fortbildungen zum Thema NEM. Online-Formate wie z. B. Webinare werden dabei mit am häufigsten gewünscht. Insoweit sollten Hersteller, soweit sie es nicht ohnehin bereits tun, diesem konkreten Schulungsbedürfnis gerecht werden.

PM–Report: Was braucht eine erfolgreiche Marketingstrategie?

Wir denken, dass eine erfolgreiche Marketingstrategie sowohl die Kundschaft als auch das Apothekenteam mitnehmen muss. Laut Studie sind neben Schulungen/Fortbildungen auch Aspekte wie Produktproben für das Apothekenteam und die Kundschaft, die Bewerbung der Produkte bei der Endkundschaft und Give-Aways wichtig. Das zeigt, dass die Teams eine abgestimmte und sinnvolle Strategie erwarten.

PM–Report: Was wünschen sich Apothekenteams für die Beratung zu NEM-Marken?

Viele Apothekenteams setzen darauf, dass sie als Teil der Kommunikationsstrategie rechtzeitig von den Herstellern über Produkte und alle relevanten Beratungsthemen informiert werden. Deshalb braucht es Beratungsunterstützung in Form von vorherigen Schulungen/Fortbildungen, aber auch Fachinformationen für das Apothekenteam und Infobroschüren/Flyer für die Kundschaft.

PM–Report: Wann empfehlen Apothekenteams ein konkretes NEM?

Apothekenteams empfehlen gern: Wenn die Kundschaft keinen konkreten Produkt-/Markenwunsch hat und sie selbst von dem NEM überzeugt sind. Am häufigsten wird zum Beispiel Personen mit einem schwachen Immunsystem, Antibiotika-Patient:innen und Schwangeren/Stillenden zusätzlich zu einem NEM geraten. Hier haben verschiedene unserer Studien gezeigt, dass Potenzial auf Herstellerseite verschenkt wird. Verschiedene Formate, z. B. Samplingboxen, die nicht nur mit bis zu zehn Kontaktpunkten über Marken aufklären, ermöglichen häufig das eigene Testen von Produkten. In den Befragungen stellen die PTA heraus, dass dies die Beratungsqualität und Empfehlungshäufigkeit deutlich verstärkt.

PM–Report: Warum sollten NEM-Hersteller auf Apothekenexklusivität setzen?

Die Apothekenteams sind der Meinung, dass die Auswahl von NEM einer ausführlichen Beratung bedarf und dass das Angebot von NEM im Mass Market deswegen gefährlich ist. Daher sollten NEM-Hersteller auf Apothekenexklusivität setzen. Zudem geben 86% der Entscheider:innen an, dass sie schon einmal NEM-Marken, die im Mass Market erscheinen, aus dem Apothekensortiment genommen haben. 

Es geht den Apotheken dabei um die Glaubwürdigkeit einer Marke und den heilberuflichen Anspruch, der in der Apotheke – im Gegensatz zum Mass Market – damit einhergeht. Die Reaktionen der Apotheken zeigen, dass die Apotheke sich eben nicht als einfacher Handelskanal und Absatzort versteht, sondern sich auch selbst einen anderen Stellenwert bei Herstellern wünscht.

 

Hintergrund

Bei der Abgrenzung von Arzneimitteln zu Produktkategorien wie Nahrungsergänzungsmitteln, Medizinprodukten oder Kosmetika gibt es Grauzonen und wirtschaftliche Interessen, um zwar Wirkversprechen aussprechen zu können, aber keinen lästigen Zulassungsprozess absolvieren zu müssen.

Das BfArM wies u.a. in 2019 darauf hin, dass viele Produkte, die als Nahrungsergänzungsmittel oder Kosmetika vermarktet werden, tatsächlich Arzneimittel sind. Durch die falsche Produktzuordnung würden diese Produkte jedoch ohne Zulassung, also ohne eine behördliche Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit, in den Verkehr gebracht.

Dabei gilt: Gesundheitsbezogene Angaben sind nur nach erfolgreichem Durchlaufen eines Zulassungsverfahrens zulässig. Nährwertbezogene Angaben müssen die im Anhang der Health Claims-Verordnung festgelegten Bedingungen erfüllen. Wird ein Lebensmittel mit Nährwert- und/oder gesundheitsbezogenen Angaben beworben, müssen diese Aussagen wahr und zutreffend sein.

Gesundheitsbezogene Angaben (u.a. Angaben, die sich auf die Rolle eines Nährstoffs oder eines anderen Stoffs beziehen, z.B. „Calcium wird für die Erhaltung normaler Knochen benötigt“) wurden nach ihrer Zulassung in eine von der Europäischen Kommission erstellte Positivliste aufgenommen. Sie können, sofern das Lebensmittel die jeweils geltenden Voraussetzungen erfüllt, allgemein verwendet werden, es sei denn, die im Einzelfall zugrunde liegenden Daten unterliegen dem Datenschutz. Alle nicht zugelassenen - bis auf die noch nicht abschließend geprüften – gesundheitsbezogenen Angaben sind seit dem 14. Dezember 2012 auf Lebensmittelverpackungen verboten.

Noch nicht abschließend bewertet sind beantragte Angaben zu Pflanzeninhaltsstoffen (sog. „Botanicals“).

Alle zugelassenen Angaben werden im EU-weiten Unionsregister für jedermann zugänglich gespeichert. Das englischsprachige Register der Nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben über Lebensmittel ist über die Website der EU-Kommission zu finden. Dort sind auch die Angaben einsehbar, die nicht zugelassen wurden.

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