Krankenhausreform: Wirklich auf der Zielgeraden?


Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sieht sich mit der Krankenhausreform auf der Zielgeraden. Dagegen hatten sich mehrere Gesundheitsverbände gemeinsam ausgesprochen. In den Medien wird Lauterbach „schlechter Stil“ vorgeworfen.

Die Verbände kritisieren bei der Krankenhausreform u.a. die überbordende Bürokratie, die dazu führt, dass immer weniger Zeit für die Patientenversorgung bleibt. (Foto von Daniele D'Andreti auf Unsplash) 

Lauterbach schwört sich ein

So bekräftigte Lauterbach nach dem Treffen mit den Verbänden am 11. April:

„Wir sind auf der Zielgeraden. Wir haben eineinhalb Jahre intensiv an dieser riesigen Reform gearbeitet. Und sie ist gut geworden. Wir ziehen das jetzt durch. Der Bund wird nicht wackeln. Dass es diese Reform braucht, darüber waren wir uns heute alle einig. Wir haben das Krankenhaussystem bislang im Blindflug geflogen und keine Daten über die Verteilung der Leistungen gehabt. Das ändert sich nun. Wir werden einen drastischen Umbau sehen.“

Diskussion mit den Ländern

Bisher sieht es nicht gut aus: Am 17. April hat Lauterbach mit den Ländern diskutiert, die massiv Kritik üben.

Kritik von Gesundheitsverbänden

Vielleicht gerade wegen dieses drastischen Umbaus sind Vertreter der Länder, Kommunen und Gesundheitsverbände alarmiert. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV), die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und die ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände haben sich mit ihrer Kritik zusammen getan.

Einer ihrer Kritikpunkte lautet, dass „die Freiberuflichkeit als Kernelement der ärztlichen, zahnärztlichen und apothekerlichen Versorgung und die Trägervielfalt in der Krankenhauslandschaft … mittlerweile stark gefährdet sind. Anstatt die bestehenden Strukturen zu stärken und zu stabilisieren, will der Minister in überflüssige neue Strukturen investieren wie beispielsweise Gesundheitskioske. Notwendige Mittel für die Versorgung fehlen damit.“

KBV-Vorstandsvorsitzender Dr. Andreas Gassen urteilt: „Viel zu kompliziert, nicht zu Ende gedacht und mit kaum absehbaren gewaltigen Folgen. So lassen sich aktuell fast alle Gesetzentwürfe aus dem Hause Lauterbach beschreiben. Mal abgesehen davon kommt noch die Unsicherheit hinzu, in welchem offiziellen oder inoffiziellen Stadium sich bekannt gewordene Referentenentwürfe denn befinden. Gemeinsam ist den Entwürfen, dass sie eine standardisierte und zentrierte Versorgung favorisieren – und zwar mit Standards, deren Sinnhaftigkeit sich aus Versorgungssicht nicht erschließt. Die ärztlichen und psychotherapeutischen Praxen werden von selbstständigen Freiberuflern geführt, die im Rahmen ihrer Möglichkeiten an ihrem Standort und mit ihrem Personal individuell passend das Bestmögliche machen. Das passt in keine bundesweite Schablone – das wird entweder nicht verstanden oder nicht gewollt …“

„Schlechter Stil“ bei der Kommunikation

In den Medien gab es Einigkeit darüber, auf welche Art und Weise Lauterbach mit den Verbänden kommuniziert. Die vier Verbände kritisieren den „mangelnden Respekt, den der Minister der Selbstverwaltung und damit letztendlich auch den Patienten, für die sie sich Tag für Tag einsetzt, entgegenbringt. Immer wieder bezeichnet er Organisationen mit gesetzlich festgelegten Aufgaben als „Lobbygruppen“ und verweigert Gespräche mit ihnen.“ Das sehen einige Medien genauso und sprechen ihm einen „schlechten Stil“ zu.

In der Süddeutschen Zeitung (Buch Zwei, Wochenendausgabe 8./9. Oktober 2022) ist Lauterbach bereits als “Dr. No” betitelt worden und Lauterbach sagt selber über sich auf die Besuche der Lobbyisten angesprochen: „Die beißen hier auf Granit.” 

Zur Erinnerung: Was soll mit der Krankenhausreform geändert werden

Mit der Krankenhausreform soll die Behandlungsqualität gesteigert, die flächendeckende Versorgung gesichert sowie die ambulante Versorgung entökonomisiert und entbürokratisiert werden.

Die Punkte im Überblick:

  • Krankenhäusern den ökonomischen Druck nehmen: Durch eine Vorhaltevergütung sollen bedarfsnotwendige Krankenhäuser künftig weitgehend unabhängig von der Leistungserbringung zu einem relevanten Anteil gesichert werden. Kurzfristig wird die Berechnungsgrundlage für die Bezahlung der Krankenhäuser (Landesbasisfallwert) angepasst.
  • Zusatzausgaben für kostspielige Aufgaben decken: Für Stroke Units, Traumatologie, Pädiatrie, Geburtshilfe, Intensivmedizin, Koordinierungsaufgaben, Unikliniken, Notfallversorgung sollen zusätzlich Versorgungszuschläge gewährt werden.
  • Bedarfsnotwendige Krankenhäuser im ländlichen Raum unterstützen: Geplant sind höhere Sicherstellungszuschläge.
  • Qualität der Versorgung verbessern: Kriterien für 65 Leistungsgruppen werden definiert und sämtliche Leistungen der Krankenhäuser eindeutig einer der Leistungsgruppen zugewiesen.
  • Planungsmöglichkeiten der Länder verbessern: Länder entscheiden, welches Krankenhaus welche Leistungsgruppen anbieten soll – und welche nicht.
  • Wohnortnahe Grundversorgung sichern: Durch sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen (Level 1i) sollen zusätzlich zu den Krankenhäusern, die einen Sicherstellungszuschlag erhalten, wohnortnah stationäre Krankenhausbehandlung mit ambulanten und pflegerischen Leistungen verbunden werden.

 

Das entsprechende Gesetz soll am 24. April vom Bundeskabinett beschlossen werden. Ab Mai könnten Versicherte per Online-Klinik-Atlas recherchieren, welcher Eingriff in ihrer jeweiligen Region in welcher Klinik wie häufig vorgenommen werde. Informationen über das gesamte Spektrum der Leistungen, sortiert nach sogenannten Leistungsgruppen, kämen dann im Herbst.

Zuspruch vom GKV-Spitzenverband

Stefanie Stoff-Ahnis, Vorständin des GKV-Spitzenverbandes, ist mal pro Gesundheitspolitik: 

„Die nun angekündigte klare Ausrichtung der Krankenhausplanung an dem tatsächlichen Bedarf der Bevölkerung ist ebenso richtig wie überfällig. Krankenhäuser sind kein Selbstzweck, sondern sie dienen der guten Versorgung der Bevölkerung. Mit dem angekündigten Bedarfsplanungstool kann digital ermittelt werden, wo in Deutschland welche Arten von Kliniken, also Grundversorgung und Spezialversorgung, in welcher Anzahl und Größe benötigt werden. Bisher wurde zu viel darüber gesprochen, was die vorhandenen Kliniken benötigen, um so weiterzumachen wie bisher. Gelegenheitsversorgung passt nicht zu einer zukunftsorientierten Krankenhausversorgung. Künftig wird hoffentlich darüber gesprochen und entsprechend gehandelt, was die Menschen benötigen, um bedarfsgerecht versorgt zu werden. Ausgangspunkt von Veränderungen müssen die medizinischen Bedarfe der Patientinnen und Patienten sein und nicht die Interessen der etablierten Kliniken.“

Aber sie kritisiert die geplante Finanzierung:

„Auf- und Umbau von Krankenhäusern ist eine originäre Aufgabe des Staates und zuvorderst der Bundesländer. Die Finanzierung der Behandlungen und Operationen ist hingegen die Aufgabe der Krankenkassen. Während die Krankenkassen ihrer Finanzverantwortung mit Jahr für Jahr steigenden Milliardenbeträgen voll nachkommen, haben die Bundesländer die Kliniken bei der Investitionsfinanzierung hängen gelassen. Vor dem Hintergrund dieser eindeutigen Aufgabenteilung ist es absolut inakzeptabel, dass der Staat den Transformationsfonds zum Umbau der Krankenhäuser lediglich zur Hälfte finanzieren will und plant, die andere Hälfte den Beitragszahlenden der gesetzlichen Krankenkassen aufzubürden. Mit ihren Finanzierungsplänen tritt die Bundesregierung in einer ohnehin angespannten Finanzsituation der GKV eine Kostenlawine los, die auf die Beitragszahlenden der gesetzlichen Krankenkassen zurollt. Dies lehnen wir nachdrücklich ab.“

KarlText

Was ist das Krankenhaustransparenzgesetz? Wie profitieren Patientinnen und Patienten davon? Und was wird im Krankenhausatlas stehen, der 2024 im Rahmen der Krankenhausreform veröffentlicht wird? Diese Fragen beantwortet Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach in einer neuen Folge in seinem YouTube-Format KarlText.

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