Pharma mischt mit beim DiGA-Thema


Im Handelsblatt war Ende März zu lesen, dass in Sachen DiGA „man aber von vielen eingeschlafenen Projekten hört.” Luisa Wasilewski erklärt, woran das liegen könnte. 

Mitmischen bei den DiGA: Für Pharma die Möglichkeit, das Innovationsportfolio mit einem Produkt ohne Nebenwirkungen zu erweitern und den Kontakt zu Ärzt:innen im Vertrieb zu intensivieren. (Foto von Jordan McDonald auf Unsplash)

DiGA: Aktuelle Marktentwicklungen, zukünftige Potenziale und Chancen

Eingeordnet von Luisa Wasilewski, Geschäftsführerin Brainwave

Immer mehr Pharmafirmen involvieren sich aktiv (wenn auch oft im Hintergrund) im DiGA-Markt. Von Vertriebspartnerschaften, welche wir am häufigsten sehen, über Entwicklungspartnerschaften, White-Label-Kooperationen bis hin zu Akquisitionen. Nicht selten verfolgen diese Strategien längerfristig den Multi-DiGA-Ansatz oder eine EU-DiGA-Strategie.

Entwicklung DiGA-Markt

Für die Pharmabranche bieten DiGA die Möglichkeit, das Innovationsportfolio mit einem Produkt ohne Nebenwirkungen zu erweitern, den Kontakt zu Ärzt:innen im Vertrieb zu intensivieren, aber auch wertvolle Daten über die Patient:innen zu gewinnen. In Theorie sind Pharmafirmen gut geeignet, DiGA-Geschäftsmodelle umzusetzen.

Doch hat sich über die ersten DiGA-Jahre eher eine verhaltene Stimmung und fehlende Digital-Kompetenzen gezeigt. So sehen wir heute keine Eigenentwicklungen am Markt aus Big-Pharma – auch wenn viele dieser Firmen in den letzten Jahren zumindest die Idee strategisch evaluiert oder Projekte intern angestoßen haben.

Im Bereich mittelständische Pharmafirmen tut sich jedoch einiges und so arbeiten mehrere Firmen aktuell daran, eine DiGA an den Start zu bringen. Wichtig ist, dass die Pharmafirmen inzwischen besser verstehen, wie das geschehen kann und eine komplette Eigenentwicklung sieht man dort eher selten. Kooperationen stehen heute im Vordergrund. Hier gilt es genau einzuschätzen, welche Kompetenzen von intern eingebracht werden und an welchen Stellen ein erfahrenes Partnerunternehmen sinnvoll ist.

Worauf sollte also geachtet werden?

Über die Jahre ist deutlich geworden, dass die Entwicklung und Inverkehrbringung eines digitalen Therapeutica (DTx) nicht gleichzusetzen ist mit einem „normalen“ Arzneimittel. Es werden teilweise gänzliche neue Kompetenzen gebraucht, wie in der Produktentwicklung aber auch langfristige Instandhaltung der Technologie bzw. App.

Auch die Planung und Umsetzung einer DiGA-Studie unterscheidet sich tiefgreifend von einem Medikament, so gibt es hier z. B. teilweise noch keine bewährten Messparameter für den Beweis des medizinischen Mehrwerts. 

Hinzu kommt, dass der DiGA-Vertrieb auch mit bestehender Vertriebsmannschaft erst erlernt werden muss. Eine:m Ärzt:in zu erklären, was ein Medikament ist und wie Wirkstoffe grundlegend arbeiten wird heute so nicht mehr gebraucht. Bei einer DiGA jedoch muss oft erst der gänzliche DTx-Ansatz und die Technologie/App erklärt werden, bevor es um die medizinischen Themen geht.

Lohnt sich das für Pharma?

Aus unserer Sicht kann es sich absolut für Pharma lohnen. Die Stärke der Pharmafirmen ist ihre Durchhaltefähigkeit, finanziell und prozessual. Studien umzusetzen, Zertifizierungsprozesse zu durchlaufen – keine Ungewöhnlichkeit im Pharmamarkt. Auch die finanziellen Mittel sind hier eher vorhanden als im hart umkämpften Startup-Markt. Zuletzt sehen wir eine große Stärke im Ärtz:innen-Netzwerk und bestehenden Vertriebsteams. Pharmafirmen wissen, wie man mit Ärzt:innen spricht und können eine Arzt-fokussierte Vertriebsstrategie ausarbeiten. Dies fällt anderen DiGA-Herstellern eher schwer und das wird auch deutlich in den Verschreibungszahlen. 

Vorteile mit Kooperationen schaffen

Mit smarten Kooperationen, wie White-Label Apps von bereits zertifizierten Herstellern, können Technologie-bezogene Hürden im Zertifizierungsprozess umgangen werden. Auch gibt es inzwischen einige gute Entwicklungshäuser, die bereits erfolgreich laufende DiGA vorweisen können. Im Bereich Studienkonzepte, CROs und Studienumsetzung sollte auch ein Partner mit einem positiven Track-Rekord gewählt werden. Wer den DiGA-Markt erstmal „nur“ sanft testen möchte, kann für DiGA-Hersteller als Vertriebspartner (z. B. Pohl-Boskamp) agieren und so interne DiGA-Vertriebskompetenzen aufbauen.

Fazit

Die Pharmabranche wird zukünftig eine entscheidende Rolle dabei spielen, Veränderungen im DiGA-Bereich voranzutreiben. Vor allem mittelständische Pharma-Unternehmen haben einen Anreiz, eine aktivere Rolle zu übernehmen, da Kooperationen dort größere Umsatzauswirkungen haben können. Aber auch große Unternehmen könnten sich in den nächsten 2-3 Jahren platzieren und wir erwarten eine Konsolidierungswelle von kleineren bestehenden Anbietern.

Über den Pharmasektor hinaus sind weitere Partnerschaften, beispielsweise mit Krankenhäusern/Krankenhausketten oder Rehakliniken denkbar, die vom Vorteil interner Multiplikatoren profitieren können. Noch sehen wir jedoch wenige solcher Kooperationen.

 

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Luisa Wasilewski

Geschäftsführerin/CEO Brainwave Hub

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