Vier Jahre DiGA: Ersatzkassen fordern mehr Akzeptanz


Und sie fordern noch mehr, nämlich Korrekturen bei der Preisgestaltung, dem Zugang und der Zulassung.

Um das Potenzial stärker auszuschöpfen, fordert der vdek die Einbindung der DiGAs in bestehende Behandlungsprozesse und in medizinische Leitlinien – das wäre in der Tat ein tolles Geschenk. (Foto von Bermix Studio auf Unsplash)

 

Eine Einschätzung dazu von Torsten Christann, Managing Partner Digital Oxygen

Vier Jahre ist es nun her, dass mit dem DiGA-Verzeichnis ein weltweit einzigartiges Vorhaben im deutschen Gesundheitswesen gestartet ist: Die Etablierung digitaler Therapie-Optionen neben den klassischen Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln – die App auf Rezept hat Geburtstag.

Viele Glückwünsche hat sie zu ihrem Jubiläum nicht bekommen, dafür viele Kommentare, Einschätzungen und Resümees ihres noch jungen Daseins. Auch der vdek – der Verband der Ersatzkassen – hat der DiGA zum Geburtstag ein Eckpunktepapier geschenkt.

Packen wir dieses Geschenk doch mal gemeinsam aus:

  • Die vdek Kassen haben über 375.000 Freischaltcodes über die letzten vier Jahre ausgestellt, also DiGA-Rezepte eingelöst. Das ist bei einem jährlichen Rezeptvolumen von ca. 450 Millionen in Deutschland und einem Versicherten-Anteil von 38% der vdek-Kassen ein schönes, aber kein sonderlich umfangreiches Geschenk – DiGA-Verordnungen machen damit 0,054% des Rezepte-Volumens des vdek über 4 Jahre aus.
  • Der vdek betont, dass der Start „vor vier Jahren ein positives Signal für die Digitalisierung des Gesundheitswesens in Deutschland“ war – frei nach dem Geburtstagslied „Wir freuen uns, dass Du geboren bist.“
  • Gleichzeitig sieht der vdek aber auch, dass „notwendige Korrekturen im Hinblick auf Preisgestaltung, Zugang und Zulassung unternommen werden“ müssen, um die Potenziale der DiGA auszuschöpfen. Dass die Potenziale bei 0,054% des Verordnungsvolumens noch nicht ausgeschöpft scheinen, kann man gut nachvollziehen.
  • Um das Potenzial stärker auszuschöpfen, fordert der vdek die Einbindung der DiGAs in bestehende Behandlungsprozesse und in medizinische Leitlinien – das wäre in der Tat ein tolles Geschenk. Bisher sind DiGAs nur Teil einer Leitlinie, nämlich der S3-Leitlinie zur Prävention und Therapie der Adipositas.
  • Als weiteren Hebel zur Erhöhung der Akzeptanz schlägt der vdek eine „frühzeitige Einbindung der gemeinsamen Selbstverwaltung in den Zulassungsprozess“ vor, insbesondere bei den DiGAs mit Risikoklasse IIb – weil hier ein höheres Gefahrenpotential vorläge. Dieses Geschenk erschließt sich beim Auspacken nicht sofort, da DiGAs zur Zulassung eine gültige CE-Zertifizierung benötigen und gerade auch Medizinprodukte der Risiko-Klasse IIb ein sehr strenges und umfangreiches Zulassungsverfahren mit einer benannten Stelle durchlaufen müssen – das Gefahrenpotential ist also schon bewertet und das Produkt als sicher befunden worden.

 

DiGA: Die Preisgestaltung

Dann wünscht der vdek den DiGAs fairere und planbarere Preise, da die DiGA-Hersteller im ersten Jahr der Zulassung die Erstattungspreise selber festlegen dürften. Als Negativ-Beispiel wird die DiGA Levidex zur Behandlung von Multipler Sklerose mit einem Preis von 2.077 Euro genannt. Diese DiGA ist ein absoluter Ausreißer nach oben (die nächste DiGA folgt mit einem Preis von 855 Euro) in einer Indikation, in der alle Therapie-Optionen sehr teuer sind.

Außerdem gehört zur Wahrheit dazu, dass die DiGA-Hersteller den Preis mittlerweile in vielen Indikationen nicht mehr selbst festlegen dürfen, sondern an Höchstpreise gebunden sind, deren Berechnungssystem dafür sorgt, dass der Höchstpreis mit jeder neuen DiGA in der Indikation sinkt. 

Der durchschnittliche Preis einer DiGA im ersten Jahr liegt bei ca. 535 Euro, also weit unter den zitierten 2.000 Euro. Weil in den Preisverhandlungen zum finalen Erstattungspreis auf Druck der Krankenkassen dann Preisabschläge von im Schnitt 58% auf die DiGA-Hersteller zukommen, wünscht der vdek den DiGAs also planbarere (sprich auch schon im ersten Listungsjahr niedrigere) Preise. Dies ist dann doch wohl eher ein Wunsch für die Kassen als für die DiGA-Hersteller.

Gefordert: 2-wöchige Testphase

Der vdek hat einen weiteren Wunsch für die DiGAs parat, nämlich die Einführung einer 2-wöchigen Testphase, um die Kosten einer Nicht-Nutzung von DiGAs zu verhindern – brechen doch ca. 30% der Patient:innen die DiGA-Nutzung nach kurzer Zeit ab. 

Diese Non-Compliance ist selbstredend nicht gut für die Gesundheit der Patient:innen und in der Tat eine Verschwendung von Versichertengeldern. Allerdings werden in Deutschland laut vfa ca. 50% der verordneten Arzneimittel nicht bis zum Ende eingenommen – hier fordern die Kassen allerdings keine Rück- oder Minderzahlung, wenn der Blister nicht bis zum Ende aufgebraucht wurde. Bei den DiGAs kann man das halt sehr gut im Einzelfall messen und belegen, bei Arzneimitteln nicht. Aber ist das ein guter Grund, eine DiGA-Verordnung bei Therapie-Abbruch nicht (voll) zu zahlen?

Streichung der zweitägigen Bewilligungsfrist

Der vdek wünscht (sich und) den DiGAs auch, dass die gerade eingeführte Bewilligungsfrist von zwei Tagen für ein DiGA-Rezept wieder gestrichen wird. Diese Frist führe „zu Unsicherheiten und fördert Spannungen bezüglich der Fristeinhaltung“. 

Die Frist wurde vom Gesetzgeber unter anderem darum eingeführt, weil die Krankenkassen für die Bewilligung einer DiGA im Schnitt 2 bis 3 Wochen benötigten. Dies hatte zur Folge, dass viele Patient:innen nur verspätet mit der benötigten Therapie beginnen konnten bzw. die Aktivierung der DiGA gar nicht mehr vorgenommen haben, als der Code endlich eintraf, da es zu erheblichen Unsicherheiten bezüglich der Freischaltung gekommen war. Wo hier die Verbesserung beim Schritt zurück von der verbindlichen Freischaltfrist liegt, ist nicht klar ersichtlich.

Fazit

Der vdek hat die Wünsche zum Jubiläum der DiGA sicher gut gemeint, ob diese aber auch dafür sorgen werden, dass das Resümee zum 5-jährigen Geburtstag positiver ausfällt, ist aus meiner Sicht nicht uneingeschränkt zu bejahen. 

In diesem Sinne wünsche ich den DiGAs und unserem Gesundheitswesen, dass die digitalen Therapie-Optionen nicht nur erhalten bleiben, sondern sich ihre Nutzung weiter etabliert. Denn es gibt viele gute Gründe – demografischer Wandel, Fachkräfte-Mangel, etc. – warum digitale Angebote und Therapien zur Aufrechterhaltung einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung essenziell sind. In diesem Sinne: Happy Birthday, DiGA.

 

Der Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek) ist Interessenvertretung und Dienstleistungsunternehmen aller sechs Ersatzkassen, die zusammen über 28 Millionen Menschen in Deutschland versichern: Techniker Krankenkasse (TK), BARMER, DAK-Gesundheit, KKH Kaufmännische Krankenkasse, hkk – Handelskrankenkasse, HEK – Hanseatische Krankenkasse

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