Zusatznutzen: „Die“ IQWiG-Methodik


Wie ein Zusatznutzen von neuen Medikamenten festgelegt wird, wird seit Jahren teilweise kritisch diskutiert. Das IQWiG hat seine eigene Methodik untersucht. 

Das IQWiG schaut noch, ob eine Überarbeitung der Methodik notwendig ist. Aus den vorliegenden Ergebnissen des Berichts „wird allerdings deutlich, dass sich eine mögliche Anpassung auf die höchsten Ausmaßkategorien fokussieren sollte.“ (Foto von Christina Victoria Craft auf Unsplash)

Hintergrund der Methodik

Seit der Einführung des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG) 2011 wird in Deutschland der Zusatznutzen neuer Arzneimittel bewertet. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat hierfür Effektgrößen und Schwellenwerte für verschiedene Kategorien patientenrelevanter Zielgrößen definiert, darunter:

  • Mortalität
  • Schwere Symptome und Nebenwirkungen
  • Gesundheitsbezogene Lebensqualität
  • Nicht schwerwiegende Symptome und Nebenwirkungen

 

Diese Kategorien werden weiter in Ausmaße (gering, beträchtlich, erheblich) unterteilt, wobei höhere Ausmaßkategorien größere Effekte auf Endpunkte in klinischen Studien erfordern. Besonders häufig findet diese Methodik Anwendung in der Onkologie, die etwa drei Viertel der bewerteten Endpunkte stellt.

Zentrale Ergebnisse der Untersuchung

Das Arbeitspapier analysierte 1747 Endpunkte aus Dossierbewertungen zwischen 2011 und 2022. Die Ergebnisse zeigen:

  • Erfüllung der Erwartungen: 
In der Mehrzahl der Endpunktkategorien entsprechen die tatsächlichen Effektgrößen den festgelegten Schwellenwerten oder übertreffen diese.
  • Abweichungen bei höheren Ausmaßkategorien: 
Bei der höchsten Kategorie „erheblich“ für die Sterblichkeit war der Median der Effektschätzungen (0,54) zwar leicht größer als der erwartete Wert (0,50). Dennoch wurden in mehr als der Hälfte der Fälle die Erwartungen nicht erfüllt. Ähnliches zeigt sich bei anderen Endpunkten wie Symptomen und Nebenwirkungen.
  • Unterhalb der höchsten Kategorien: 
In niedrigeren Ausmaßkategorien blieben die Effektgrößen überwiegend unterhalb der definierten Schwellenwerte.

 

Konsequenzen für die Pharmaindustrie

Die Ergebnisse dieser Untersuchung könnten für pharmazeutische Unternehmen weitreichende Auswirkungen haben:

Herausforderungen bei der Entwicklung neuer Medikamente:

  • Die hohen Schwellenwerte für die höchste Ausmaßkategorie stellen eine erhebliche Hürde dar, insbesondere in der Onkologie, wo häufig bereits zugelassene Standardtherapien verglichen werden. Das Risiko, die Erwartungen nicht zu erfüllen, kann die Attraktivität bestimmter Forschungs- und Entwicklungsprojekte mindern.

 

Auswirkungen auf Preisverhandlungen:

  • Der Zusatznutzen eines Arzneimittels ist ein zentraler Faktor für die Preisgestaltung im AMNOG-Prozess. Abweichungen von erwarteten Effektgrößen könnten zu niedrigeren Preisabschlägen führen.

 

Notwendigkeit gezielter Studiendesigns:

  • Die Pharmaindustrie wird zunehmend dazu gedrängt, Studiendesigns zu entwickeln, die spezifisch auf die Anforderungen der IQWiG-Methodik abgestimmt sind. Dies könnte die Kosten und Dauer der Arzneimittelentwicklung erhöhen.

 

Prüfung und mögliche Anpassungen

Das IQWiG kündigte an, die Methodik insbesondere für die höchsten Ausmaßkategorien kritisch zu prüfen. Dies könnte zu einer Überarbeitung führen, die:

  • Die Anforderungen für höhere Kategorien konkretisiert oder anpasst.
  • Die Validität und Praxistauglichkeit der Methodik verbessert.

 

Fazit

Die Methodik des IQWiG zur Nutzenbewertung bleibt für die pharmazeutische Industrie ein maßgeblicher Faktor, der Forschung und Vermarktung in Deutschland beeinflusst. Anpassungen könnten einerseits die Realisierbarkeit höherer Kategorien verbessern, andererseits jedoch neue Anforderungen und Herausforderungen schaffen. Die Balance zwischen Evidenzanforderungen und praktischer Umsetzbarkeit bleibt entscheidend für Innovationen in der Pharmaindustrie.

Kritik vom vfa

Der vfa sieht diese Entwicklung kritisch:

„Die Methodik des Instituts bewegte sich von Beginn auf Abwegen, da sie keinen internationalen Standard der evidenzbasierten Medizin darstellte. Auch in der aktuellen Untersuchung werden die umstrittenen Grundannahmen nicht hinterfragt. Und dies, obwohl die Ergebnisse zeigen, dass die Methode zu konservativ ist und seltenere Erkrankungen benachteiligt.

Vom Gemeinsame Bundesauschuss (G-BA) wird der Methodenvorschlag des IQWiG zwar aus guten Gründen seit nun 13 Jahren bei der Nutzenbewertung nicht übernommen, dennoch können verzerrte Empfehlungen des Instituts auch die G-BA-Bewertungen negativ beeinflussen.

Der vfa sieht daher die aktuelle Untersuchung als Anlass, die IQWiG-Methodik grundlegend zu hinterfragen – ohne nationale Alleingänge und in einem offenen wissenschaftlichen Austausch.“

 

Das vollständige Arbeitspapier trägt den Titel „Ausmaßmethodik Zusatznutzen – Empirie aus Dossierbewertungen“ mit detaillierten Einblicken in die Methodik und ihre Umsetzung.

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