
„Das heutige Urteil des BGH unterstreicht unsere Rechtsauffassung einmal mehr“, jubiliert Walter Hess, CEO DocMorris. „Wir haben unseren Kunden stets Rezept-Boni zu unseren Lasten gewährt und werden dies nun auch wieder tun...“ (Foto: Screenshot Website / PM—Report)
Mit dem Urteil des BGH zeichnet sich ein Richtungswechsel im Apothekenmarkt ab. Die Frage wird sein, ob der Gesetzgeber langfristig ein Gleichgewicht zwischen europäischem Wettbewerb und nationaler Versorgungsstruktur herstellen kann.
Während Anbieter wie DocMorris Boni erneut einführen, warnt die deutsche Pharmaindustrie vor den Folgen für die wohnortnahe Versorgung.
Dorothee Brakmann, Pharma Deutschland:
„Die Entscheidung des BGH erhöht den Druck auf die Vor-Ort-Apotheken und schwächt so deren Position im deutschen Gesundheitssystem.“
Thomas Preis, Präsident der ABDA:
„Rabatte und Boni gehören nicht in die Arzneimittel- und Gesundheitsversorgung.“
Walter Hess, CEO DocMorris:
„Der Bonus reduziert diese Belastung. Damit können kranke Menschen bei ihren Gesundheitsausgaben sparen, ohne dass zusätzliche Kosten für das Gesundheitssystem entstehen.“
Hintergrund des Verfahrens
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 17. Juli 2025 entschieden, dass die frühere arzneimittelrechtliche Preisbindung in Deutschland auf ausländische Versandapotheken in den Jahren 2012–2013 nicht anwendbar war. Damit folgt der BGH der Linie des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), der bereits 2016 geurteilt hatte, dass die deutsche Preisbindung gegen das EU-Recht verstößt.
Konkret ging es im aktuellen Verfahren um Bonusangebote eines niederländischen Versandhändlers aus der Zur-Rose-Gruppe. Dieser hatte in den Jahren 2012/2013 bei Rezept-Einlösungen Boni bis zu 9 Euro pro Arzneimittel gewährt. Geklagt hatte der Bayerische Apothekerverband (BAV). Während das Landgericht München und das OLG München zunächst die deutsche Preisbindung bestätigt hatten, hob der BGH die bisherigen Entscheidungen nun auf (Az.: I ZR 74/24).
Bewertung aus der Branche: Sorge um Versorgungssicherheit
Pharma Deutschland betont in einer Stellungnahme die strategische Bedeutung der Vor-Ort-Apotheken. Diese trügen wesentlich zur flächendeckenden Versorgung bei, die angesichts wachsender Gesundheitsanforderungen weiter gestärkt werden müsse. Hauptgeschäftsführerin Dorothee Brakmann warnt vor einem zunehmenden Ungleichgewicht im Markt: „Die Entscheidung des BGH erhöht den Druck auf die Vor-Ort-Apotheken und schwächt so deren Position im deutschen Gesundheitssystem.“
Auch der Präsident der ABDA, Thomas Preis, kritisiert die Entscheidung. Er verweist auf das nach wie vor geltende sozialrechtliche Preisbindungsregime nach § 129 Abs. 3 SGB V, das weiterhin für GKV-Versicherte gilt. Rabatte und Boni passten nicht zur besonderen Stellung von Arzneimitteln als beratungsintensive und risikobehaftete Produkte.
Rechtliche Einordnung: Preisbindung nur noch im Sozialrecht
Das Urteil des BGH bezieht sich ausschließlich auf die ehemals im Arzneimittelgesetz verankerte Preisbindung, die 2020 mit dem Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz gestrichen wurde. Die aktuell gültige Preisbindung ergibt sich ausschließlich aus dem Sozialgesetzbuch.
Der BGH sah keine hinreichenden Belege dafür, dass eine gesetzliche Preisbindung erforderlich war, um die flächendeckende Arzneimittelversorgung zu sichern. Laut Gericht habe der Kläger – der BAV – keine ausreichenden Daten vorgelegt, die einen Zusammenhang zwischen Rezeptboni und Apothekenschließungen belegen.
DocMorris reagiert: Rückkehr der Rezept-Boni
DocMorris kündigte noch am Tag des Urteils an, erneut Rezept-Boni einzuführen. Kund:innen erhalten demnach bei Rezeptbestellungen einen Geldbetrag gutgeschrieben, der quartalsweise ausgezahlt wird. Unternehmenschef Walter Hess betont die entlastende Wirkung für Patient:innen: Die durchschnittliche Zuzahlung pro Packung sei in den letzten Jahren auf 3,30 Euro gestiegen: Boni könnten hier für Entlastung sorgen, ohne das Gesundheitssystem zusätzlich zu belasten.
Ausblick: Weitere Verfahren möglich
Ob der BGH in einem künftigen Verfahren auch die sozialrechtliche Preisbindung überprüfen wird, bleibt offen. Experten wie Rechtsanwalt Timo Kieser halten dies im aktuellen Fall für unwahrscheinlich, schließen aber nicht aus, dass sich der BGH bei anderer Gelegenheit damit befassen könnte.
Erhalten Sie jetzt uneingeschränkten Zugriff auf alle interessanten Artikel.
- Online-Zugriff auf das PM-Report Heftarchiv
- Aktuelle News zu Gesundheitspolitik, Pharmamarketing und alle relevanten Themen
- 11 Ausgaben des PM-Report pro Jahr inkl. Specials
