
Mit seinem aktuellen Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht zwei Verfassungsbeschwerden gegen Regelungen des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes zurückgewiesen. Herstellerabschlag und Preismoratorium seien legitime Eingriffe zur Sicherung der finanziellen Stabilität der GKV. (Foto von Wesley Tingey auf Unsplash)
Das Bundesverfassungsgericht hat zwei Verfassungsbeschwerden von pharmazeutischen Unternehmen gegen zentrale Elemente des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes abgewiesen. Die von der Branche kritisierten Eingriffe in die Preisgestaltung bei Arzneimitteln – insbesondere der Herstellerabschlag und das verlängerte Preismoratorium – seien mit dem Grundgesetz vereinbar, urteilte der Erste Senat. Für pharmazeutische Verbände ist die Entscheidung ein fatales Signal für den Standort Deutschland.
Urteil: Gemeinwohlziel der Kassenfinanzierung überwiegt
Gegenstand der Beschwerden waren u.a. der erhöhte Herstellerabschlag (12% auf Arzneimittelpreise im Jahr 2023), das bis Ende 2026 verlängerte Preismoratorium sowie neue Regelungen zur Festlegung von Erstattungsbeträgen, etwa die sogenannten „Leitplanken“ für patentgeschützte Arzneimittel. Die Beschwerdeführer:innen sahen sich dadurch in ihrer Berufsfreiheit (Art. 12 GG) und dem Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG) verletzt.
Das Gericht bewertete die Regelungen jedoch im Lichte des „überragend wichtigen Gemeinwohlziels“, nämlich der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Staatliche Eingriffe seien in diesem Bereich grundsätzlich zulässig. Vor allem vor dem Hintergrund, da pharmazeutische Unternehmen als Leistungserbringer Teil eines solidarisch finanzierten Systems sind, der nicht dem freien Markt unterliege. Weder der Herstellerabschlag noch das Preismoratorium überschritten laut Gericht die Schwelle zur Unzumutbarkeit. Auch sei kein schützenswertes Vertrauen auf Preisstabilität zu erkennen.
Teile der Beschwerden – etwa gegen die „Leitplanken“, den früheren Geltungsbeginn von Erstattungsbeträgen oder den Kombinationsabschlag – wies das Gericht bereits als unzulässig ab, da die Beschwerdeführer vorab nicht den fachgerichtlichen Rechtsweg ausgeschöpft hatten.
Pharma Deutschland: „Einseitige Lastenverteilung“
Pharma Deutschland kritisiert das Urteil: „Die Entscheidung bekräftigt einen gesetzgeberischen Kurs, der die Innovationskraft der Industrie untergräbt“, so Hauptgeschäftsführerin Dorothee Brakmann. Die überzogene Preisregulierung gefährde nicht nur den Zugang zu neuen Therapien, sondern auch die Grundversorgung. Der Verband fordert eine Rückkehr zu „verlässlichen, investitionsfreundlichen Rahmenbedingungen“ – auch mit Blick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Standorts.
vfa: „Innovation und Versorgungssicherheit gefährdet“
Auch der Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa) äußert sich kritisch. Präsident Han Steutel sieht die Grundrechte der Unternehmen weiterhin nicht ausreichend gewürdigt: „Wenn jeder Eingriff mit Kostenzielen gerechtfertigt wird, ist langfristig die Versorgungssicherheit gefährdet.“ Die Politik müsse jetzt handeln und Planungssicherheit schaffen. Zugleich verwies Steutel auf weitere anhängige Verfahren, die juristisch noch Klärung bringen könnten.
Einordnung: Preisregulierung bleibt politisch und rechtlich umstritten
Mit dem aktuellen Beschluss stärkt das Bundesverfassungsgericht erneut die Eingriffsmöglichkeiten des Gesetzgebers bei der Steuerung der Arzneimittelkosten. Bereits in früheren Entscheidungen (etwa zur AMNOG-Reform) hatte das Gericht betont, dass der Gesetzgeber im System der GKV einen besonders weiten Gestaltungsspielraum besitzt.
Allerdings bleibt die Kritik aus der Branche nicht nur wirtschaftlich motiviert: Die Verbände werfen der Politik vor, strukturelle Probleme der GKV, wie die Überversorgung oder Fehlanreize in anderen Leistungsbereichen, zu ignorieren und stattdessen gezielt bei patentgeschützten Arzneimitteln zu sparen. Das Urteil könnte daher auch künftige Reformvorhaben politisch befeuern – und juristisch weiter umstritten bleiben.
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