
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken betont in ihrer Rede in Richtung Apothekerschaft: „Ziel der Reform ist es, auch langfristig ein flächendeckendes Apothekennetz für eine wohnortnahe Arzneimittelversorgung zu erhalten und die Kompetenzen der Apotheken noch umfassender als bisher für die Gesundheitsversorgung zu nutzen, beispielsweise in der Prävention.“ (Foto von Nguyen Minh auf Unsplash)
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken hat beim 75. Deutschen Apothekertag in Düsseldorf die geplante Apothekenreform vorgestellt. Das Ziel ist es, Apotheken mehr Kompetenzen und wirtschaftlichen Spielraum zu geben, Bürokratie abzubauen und die Versorgung vor allem im ländlichen Raum zu sichern. Während die Pharmabranche die Pläne begrüßt, üben Hausärztinnen und Hausärzte scharfe Kritik.
Mehr Verantwortung und weniger Bürokratie
Warken betonte in ihrer Rede, die Apotheken seien eine „tragende Säule der Arzneimittelversorgung“. Mit der Reform sollen sie mehr Eigenverantwortung übernehmen, neue Aufgaben in der Prävention erhalten und von bürokratischen Hürden entlastet werden. Vorgesehen sind unter anderem:
- Anpassungen der Apothekenvergütung, künftig auch über Verhandlungslösungen
- Wiedereinführung handelsüblicher Skonti
- Stärkung ländlicher Apotheken durch höhere Notdienstpauschalen und Zuschläge
- Entlastungen im Alltag, etwa durch mehr Flexibilität beim Austausch von Arzneimitteln, bei Öffnungszeiten und Laborpflichten
- Ausbau pharmazeutischer Dienstleistungen und Einbindung in die elektronische Patientenakte
- Erweiterte Impfangebote sowie die Möglichkeit zur Abgabe bestimmter verschreibungspflichtiger Medikamente ohne ärztliche Verordnung
- Eine sofortige Anhebung des Apotheken-Fixums, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, wird angesichts der angespannten Finanzlage der GKV jedoch nicht umgesetzt.
Und gerade der letzte Punkt sorgte für Enttäuschung bei den Delegierten. Warken versprach aber, sie werde die Erhöhung des Apotheken-Fixums „auf Wiedervorlage legen“.
Unterstützung aus der Pharmabranche
Pharma Deutschland begrüßte die Reformpläne. Hauptgeschäftsführerin Dorothee Brakmann hob besonders die Ausweitung der Impfungen hervor: „Gerade bei Schutzimpfungen kommt es darauf an, viele Menschen einfach und schnell zu erreichen. Apotheken sind dafür genau die richtige Anlaufstelle.“
Die Branche sieht darin einen wichtigen Hebel, um Impfquoten nachhaltig zu steigern, und kündigte Unterstützung bei der Umsetzung an, etwa mit Aktionen wie der bundesweiten „Langen Nacht des Impfens“. Auch die geplante Entlastung bei Retaxationen und flexiblere Öffnungszeiten werden positiv bewertet.
Scharfe Kritik der Hausärztinnen und Hausärzte
Der Hausärzteverband lehnt zentrale Punkte der Reform entschieden ab. Die Bundesvorsitzenden Nicola Buhlinger-Göpfarth und Markus Beier warnten vor einem „gefährlichen Vorhaben“:
Vor allem die geplante Möglichkeit, dass Apotheken bei bestimmten Erkrankungen eigenständig verschreibungspflichtige Medikamente abgeben dürfen, sehen die Hausärztinnen und Hausärzte kritisch. Dies überschreite eine „rote Linie“ und gefährde die Patientensicherheit, da notwendige ärztliche Untersuchungen umgangen würden.
Auch die Ausweitung der Impfangebote wird skeptisch betrachtet. Bisher sei die Nachfrage nach Impfungen in Apotheken gering, Studien zeigten zudem höhere Impfquoten in hausärztlich koordinierten Programmen. Die Reform drohe das Gesundheitswesen weiter zu fragmentieren.
Markt- und Versorgungsperspektive
Aus ökonomischer Sicht sollen die Reformen Planungssicherheit schaffen und den Erhalt der wohnortnahen Arzneimittelversorgung sichern. Insbesondere für Apotheken in strukturschwachen Regionen sind Zuschläge und flexiblere Betriebsmodelle vorgesehen, um drohenden Schließungen entgegenzuwirken.
Für die Pharmaindustrie eröffnet die stärkere Rolle der Apotheken neue Zugänge zu Patientinnen und Patienten: etwa über erweiterte Präventions- und Impfangebote oder über die engere Anbindung an die elektronische Patientenakte. Langfristig könnte die Reform die Versorgungsstrukturen stärker dezentralisieren und Apotheken zu einem noch wichtigeren Bestandteil integrierter Gesundheitsnetze machen.
Mit der vorgestellten Apothekenreform will die Bundesregierung die Rolle der Apotheken im Gesundheitssystem ausbauen und ihre Wirtschaftlichkeit sichern. Während die Pharmabranche Chancen für Prävention und Versorgung sieht, warnt der Hausärzteverband vor Risiken für die Patientensicherheit. Die Debatte dürfte den weiteren Verlauf des Apothekertags prägen.
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