
Im 1. Halbjahr 2025 hat die Europäische Kommission 55 neue Arzneimittel zugelassen, nach 35 in der gleichen Vorjahreszeit. Die Entwicklung wurde wesentlich getragen von 23 neuen Biosimilars und hier besonders von Denosumab-Biosimilars. (Foto von National Cancer Institute auf Unsplash)
Die Entwicklung wurde wesentlich getragen durch die 23 neuen Biosimilars, für die Brüssel grünes Licht gegeben hatte. Ohne Biosimilars gerechnet, ergibt sich im Vergleich zum 1. Halbjahr 2024 ebenfalls ein, wenn auch moderater Zuwachs (32 vs. 27 Zulassungen). Und für das Gesamtjahr zeichnet sich ein Rekordergebnis ab.
Unsere Auswertung erfasst die nach dem zentralisierten EU-Verfahren für den Europäischen Wirtschaftsraum (EU plus Island, Liechtenstein und Norwegen) erteilten Zulassungen neuer Arzneimittel, einschließlich Biosimilars. Nicht mitgezählt wurden Generika. Identische Zulassungen unter mehreren Handelsnamen (Duplikate) wurden nur einmal gezählt.
Grünes Licht für 14 neue Denosumab-Biosimilars
Im Zentrum der Biosimilar-Zulassungen stand der monoklomale Antikörper Denosumab, mit Prolia und Xgeva (beide von Amgen) als Referenzarzneimittel. Den „Originalen“ entsprechend, wurden die Biosimilars zu Prolia zur Behandlung von Patient:innen mit Osteoporose zugelassen, die Xgeva-Biosimilars zur Vorbeugung von skelettbezogenen Komplikationen bei fortgeschrittenen Krebserkrankungen und zur Anwendung bei Riesenzelltumoren des Knochens.
Sandoz machte bereits 2024 mit Jubbonti (Referenzarzneimittel: Prolia) und Wyost (Biosimilar zu Xgeva) den Anfang, jetzt folgen die Wettbewerber: Allein im 1. Halbjahr 2025 gab die EU-Kommission ihr Plazet für weitere 14 Arzneimittel mit dem RANKL-Hemmer, davon jeweils 7 mit Prolia bzw. Xgeva als Referenz.
Zulassungen erhielten die Unternehmen: Samsung Bioepis (Handelsnamen: Obodence und Xbryk), Celltrion (Stoboclo, Osenvelt), Accord Healthcare (Osvyrti, Jubereq), Gedeon Richter (Junod, Yaxwer), Biocon (Evfraxy, Vevzuo), die mehrheitlich zu Fresenius Kabi gehörende mAbxience (Izamby, Denbrayce) sowie Zentiva (Zadenvi, Enwylma). Voraussichtlich noch in diesem Jahr werden die ersten Denosumab-Biosimilars in der EU auf den Markt kommen. So haben Sandoz und Accord den Launch für November 2025 in Aussicht gestellt.
Weitere Zulassungen gab es für drei Biosimilars zum AMD-Augenarzneimittel Eylea (Aflibercept): Ahzantive und sein Duplikat Baiama von Klinge und Formycon, Eydenzelt von Celltrion sowie Pavblu von Amgen. Aurobindo erhielt über seine Tochtergesellschaft CuraTeQ Zulassungen für Zefylti, ein Biosimilar zu Neupogen (Filgrastim), für Dyrupeg, ein Biosimilar zu Neulasta (Pegfilgrastim) sowie für Dazublys, ein Biosimilar zu Herceptin (Trastuzumab).
Außerdem gab die EU-Kommission grünes Licht für zwei weitere Biosimilars zum Immunsuppressivum Stelara (Ustekinumab): Qoyvolma von Celltrion und Yesintek von Biocon. Ebenfalls zugelassen wurde Avtozma von Celltrion, ein Biosimilar zu RoActemra (Tocilizumab).
Insgesamt wurden im Berichtshalbjahr 23 Biosimilars zugelassen. Das sind fast dreimal so viele wie im 1. Halbjahr 2024 (8) und bereits deutlich mehr als im Gesamtjahr 2024 mit 16 Biosimilar-Zulassungen.
Die Top 3 Indikationen
Die Zulassungen im Berichtshalbjahr verteilen sich auf 14 Indikationsgruppen. Mehr als die Hälfte der Zulassungen (30) entfallen auf die Top Drei Indikationen:
An der Spitze standen diesmal Arzneimittel für das Muskel- und Skelettsystem mit 15 Zulassungen, darunter finden sich auch die 14 Denosumab-Biosimilars. Arzneimittel für Krebspatienten (Antineoplastische Substanzen), die sonst häufig das Indikationsgruppen-Ranking anführen, nehmen mit 11 nur den 2. Platz ein. Auf Platz drei folgen Immunsuppressiva mit 5 Zulassungen.
Zulassungen für 9 neue Orphan Drugs
Von den Neuzulassungen des 1. Halbjahres 2025 hatten 9 (11) zum Zeitpunkt der Zulassung den Status eines Arzneimittels für seltene Leiden (Orphan Medicinal Products); das heißt, der zuständige Ausschuss COMP empfahl, für diese Arzneimittel den Status aufrechtzuerhalten.
Mit den neuen Orphan Drugs eröffnen sich neue Therapieoptionen für Patient:innen mit
- kleinzelligem Bronchialkarzinom im fortgeschrittenen Stadium (ES-SCLC): Hetronifly (Serplulimab) von Henlius und Accord Healthcare;
- peripherer Thyreotoxikose infolge MCT8-Mangels (Allan-Herndon-Dudley-Syndrom): Emcitate (Tiratricol) von Rare Thyroid Therapeutics, laut EMA die erste zugelassene Therapie für diese Indikation;
- primär biliärer Cholangitis: Lyvdelzi (Seladelpar) von Gilead;
- transfusionsabhängiger Anämie aufgrund von myelodysplastischen Syndromen: Rytelo (Imetelstat) von Geron;
- dystropher Epidermolysis bullosa mit Mutation(en) im COL7A1-Gen: Vyjuvek (Beremagene geperpavec) von Krystal Biotech, laut EMA die erste topische Gentherapie für diese extrem seltene Erkrankung;
- Duchenne-Muskeldystrophie: Duvyzat (Givinostat) von Italfarmaco;
- Hyperphenylalaninämie (HPA) aufgrund einer Phenylketonurie (PKU): Sephience (Sepiapterin) von PTC Therapeutics;
- inoperablem, lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem HER2-positivem (IHC 3+) biliärem Karzinom (Biliary Tract Cancer, BTC): Ziihera (Zanidatamab) von Jazz;
- zystischer Fibrose: Alyftrek (Deutivacaftor, Tezacaftor, Vanzacaftor) von Vertex.
Ausgewählte Innovationen des 1. Halbjahres
Weitere Highlights unter den Neuzulassungen des 1. Halbjahres 2025 waren u. a.:
- Welireg (Belzutifan) von MSD. Die EMA bezeichnet den HIF-2α-Hemmer als das erste (systemische) Arzneimittel zur Anwendung bei Tumoren, die mit der lebensbedrohlichen Von-Hippel-Lindau-Krankheit (VHL) assoziiert sind. Welireg ist außerdem zur Behandlung des fortgeschrittenen klarzelligen Nierenzellkarzinoms bei Erwachsenen angezeigt.
- Tepezza (Teprotumumab) von Amgen, laut EMA das erste Arzneimittel zur Behandlung einer schweren endokrinen Orbitopathie (TED), auch bekannt als Graves‘ Eye Disease, eine seltene Autoimmunerkrankung.
- Leqembi (Lecanemab) von Eisai, das erste in der EU zugelassene Alzheimer-Medikament, das gegen die Amyloid-beta-Ablagerungen im Gehirn gerichtet ist. Es ist bei frühem Alzheimer indiziert. Die Anwendung ist beschränkt auf erwachsene Patienten mit klinisch diagnostizierter leichter kognitiver und leichter Demenz aufgrund der Alzheimer-Krankheit mit bestätigter Amyloid-Pathologie, die Apolipoprotein E ε4 (ApoE ε4)-Nichtträger oder heterozygote ApoE ε4-Träger sind (zum Verlauf des Zulassungsverfahrens für Leqembi siehe den folgenden Abschnitt).
17 Monate Verfahrensdauer für neue Arzneimittel, 13 für Biosimilars
Aus den Angaben der Europäischen Kommission zum Zulassungsdatum und dem in den EPARs genannten Einreichungsdatum konnte auch für diese Auswertung die jeweilige effektive Verfahrensdauer errechnet werden. Allerdings lagen für einige der im Monat Juni zugelassenen Arzneimittel die EPARs auch Ende Juli noch nicht vor. Daher beschränkt sich diese Auswertung auf die ersten fünf Monate 2025.
- In der Zeit von Anfang Januar bis Ende Mai wurden 37 Arzneimittel zugelassen, für 36 konnten die Verfahrensdauer ermittelt werden. Diese betrug im Durchschnitt 469 Tage und damit etwas über 15 Monate.
- Biosimilars hatten mit durchschnittlich 398 Tagen eine deutliche kürzere Verfahrensdauer als Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen mit 514 Tagen. In anderen Worten: Biosimilar-Hersteller erhielten die Zulassung nach durchschnittlich 13 Monaten, Anbieter von Novitäten mussten im Schnitt fast 17 Monate auf die Zulassung warten.
- Die kürzeste Verfahrensdauer hatte mit nur 233 Tagen Kavigale (Sipavibart) von AstraZeneca (Einreichung am 01.06.2024, Zulassung am 20.01.2025). Das Arzneimittel wird angewendet zur Präexpositionsprophylaxe einer Coronavirus-19-Erkrankung bei Erwachsenen und Jugendlichen, die aufgrund einer Erkrankung oder immunsuppressiver Behandlungen immungeschwächt sind. Kavigale hatte sich für ein Verfahren mit beschleunigter Bewertung (Accelerated Assessment Procedure) qualifiziert. Dadurch verkürzt sich die (nominelle) Bearbeitungszeit bei der EMA von 210 auf 150 Tage. Diese beginnt ab Validierung des Antrags bzw. dem Start der Bewertung und endet mit der Abgabe der Opinion durch den CHMP. Die Fristen, die dem Antragsteller für die Beantwortung der "List of Questions" (LoQ) und/oder der "List of Outstanding Issues" (LoOI) eingeräumt werden (Clock Stops) werden nicht auf die 150 Tage Bewertungszeit angerechnet. Im Falle von Kavigale vergingen vom Beginn der Bewertung beim CHMP (20.06.2024) bis zur CHMP-Opinion (12.12.2024) 175 Tage; dazwischen lagen zwei Clock Stops. Nach weiteren 39 Tagen und damit deutlich vor Ablauf der 67-Tage-Frist, ließ die Europäische Kommission das Arzneimittel am 20.01.2025 zu.
- Mit 827 Tagen sehr lang dauerte das Verfahren für Leqembi. Das Alzheimer-Arzneimittel von Eisai (Einreichung am 09.01.2023) hatte auf dem Weg zur Zulassung gleich mehrere Hürden zu überwinden, die den Zulassungsprozess verlängerten: Eine Negative Opinion des CHMP am 25.07.2024, deren Revision auf Antrag von Eisai durch eine Zulassungsempfehlung am 14.11.2024 und schließlich eine erneute Prüfung auf Ersuchen der EU-Kommission im Hinblick auf Informationen über die Sicherheit des Arzneimittels, die nach der Verabschiedung der Positive Opinion verfügbar wurden. Am Ende bestätigte der CHMP im Februar 2025 seine Positive Opinion, woraufhin die EU-Kommission das Arzneimittel schließlich am 15.04.2025 zuließ.
Rekordbilanz erwartet
Auch das zweite Halbjahr begann lebhaft. Noch im Juli (Stand 25.07.25) hat die EU-Kommission 8 weitere Arzneimittel zugelassen. Zudem registrierten wir bis zum Stichtag 22 Positive Opinions, die noch auf die Entscheidung durch die EU-Kommission warteten.
Da die EU-Kommission den CHMP-Empfehlungen nahezu immer folgt, kann man bereits ein Potenzial von 85 Zulassungen für 2024 in die Bücher schreiben (63 bereits erfolgte Zulassungen + 22 CHMP-Empfehlungen). Zum Vergleich: Im Gesamtjahr 2024 registrierten wir 70 Zulassungen.
Die CHMP-Mitglieder tagen nach der Pause im August noch viermal in diesem Jahr im Plenum, und zumindest die Ergebnisse der September- und der Oktobersitzung dürften von der Kommission noch 2025 bearbeitet werden.
Doch schon jetzt können wir für 2025 ein Rekordergebnis an zentralen EU-Arzneimittelzulassungen erwarten. Dies gilt jedenfalls für unsere Auswertungen, für die wir auf einen Zeitraum von zehn Jahren zurückblicken können. Der bisherige Rekord lag bei 75 Zulassungen im Jahr 2018.
Die Halbjahresbilanz wurde für Sie zusammengestellt von Bertold Schmitt-Feuerbach und basiert auf diesen Quellen:
Union Register of Medicinal Products (Europäische Kommission), EPARs (EMA-Website, Rubrik Medicine), CHMP Meeting Highlights (EMA-Website, Rubrik Committees).
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