
Für das neu vorangestellte EU-HTA-Verfahren definiert der G-BA den für Deutschland relevanten Bewertungsumfang. Hierfür werden die schon bestehenden Prozesse zur Einbindung von Fachgesellschaften und der Beteiligung von Patientenvertretungen in der Gremienarbeit genutzt. (Foto von Guillaume Périgois auf Unsplash)
G-BA schafft Schnittstelle zur EU-HTA: neue Verfahrensregeln für Nutzenbewertung
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat seine Verfahrensordnung sowie die Dossieranforderungen überarbeitet, um die europäische Bewertung von Gesundheitstechnologien (EU-HTA) mit der nationalen frühen Nutzenbewertung neuer Arzneimittel in Deutschland besser zu verzahnen.
Das Ziel ist es, pharmazeutischen Unternehmen ein effizienteres Verfahren zu ermöglichen, indem sie künftig auf im Rahmen der EU-Bewertung eingereichte Daten (insbesondere den Joint Clinical Assessment, JCA-Report) verweisen können. Auch der Bewertungsauftrag an das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) wurde entsprechend angepasst.
So informiert der G-BA:
„Die EU-HTA-Verordnung gibt vor, dass Mitgliedsstaaten bereits auf EU-Ebene vorgelegte Unterlagen und Daten nicht zusätzlich auf nationaler Ebene anfordern. Das setzt der G-BA nun in der angepassten Verfahrensordnung durch die vorgesehene Verweismöglichkeit für pharmazeutische Unternehmer auf die im EU-Dossier vorgelegten Angaben um. Dabei trifft den G-BA weiterhin keine Amtsermittlungspflicht.
Das heißt, der pharmazeutische Unternehmer muss die Informationen übermitteln, die für die Nutzenbewertung zugrunde gelegt werden sollen. Sollten beispielsweise im EU-Dossier alle Unterlagen und Daten zum medizinischen Zusatznutzen im Verhältnis zur zweckmäßigen Vergleichstherapie entsprechend den nationalen Anforderungen vollumfänglich enthalten sein, sind bis auf die Verweise keine weiteren Angaben notwendig.“
EU-HTA-Verordnung: Einordnung für Deutschland
Deutschland verfügt mit dem AMNOG-Verfahren bereits über eine etablierte und methodisch strukturierte Nutzenbewertung. Durch die Umsetzung der EU-HTA-Verordnung (EU 2021/2282), die seit Januar 2025 gilt, entsteht erstmals ein verbindlicher europäischer Rahmen für die klinische Bewertung von Arzneimitteln. Der G-BA setzt zentrale Elemente dieser Verordnung um, ohne auf seine nationale Bewertungsautonomie zu verzichten. So bleibt es bei der Verpflichtung der pharmazeutischen Unternehmen, alle für die Nutzenbewertung relevanten Informationen aktiv bereitzustellen – auch wenn der Verweis auf bestehende EU-Daten zulässig ist.
Ausblick für Pharma
Für Pharmaunternehmen ergibt sich daraus mittelfristig ein erleichterter Zugang zur nationalen Nutzenbewertung. Vorausgesetzt, das EU-Dossier enthält alle erforderlichen Angaben nach deutschem Standard. Das erste Verfahren mit vorangestellter EU-Bewertung wird im Frühjahr 2026 erwartet. In einer Übergangsphase laufen Verfahren mit und ohne EU-HTA-Beteiligung parallel. Aus Gründen der Gleichbehandlung gelten daher zunächst weiterhin die bestehenden Dossieranforderungen.
Für Unternehmen empfiehlt sich eine frühzeitige strategische Auseinandersetzung mit der neuen Schnittstelle: Welche Daten lassen sich im EU-Verfahren nutzbar machen? Wie lassen sich nationale Anforderungen effizient abbilden? Perspektivisch könnten weitere methodische Anpassungen folgen, vor allem bei Subgruppenanalysen und Sicherheitsdaten, die das Zusammenspiel zwischen europäischer und nationaler Bewertung weiter vereinfachen.
Hintergrund:
Die Verordnung (EU) 2021/2282 über die Bewertung von Gesundheitstechnologien gilt seit dem 12. Januar 2025. Sie ermöglicht eine gemeinsame klinische Bewertung von Arzneimitteln und Medizinprodukten durch die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Die EU-Bewertungsberichte beschreiben die klinischen Daten und Effekte zu dem neuen Arzneimittel oder Medizinprodukt. Die Schlussfolgerungen über den klinischen Zusatznutzen einer Gesundheitstechnologie werden weiterhin durch die Mitgliedsstaaten getroffen.
Um die gemeinsamen HTA-Bewertungen mit dem weiterhin national durchzuführenden Verfahren der frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln zu verzahnen, hat das Bundesgesundheitsministerium (Verordnungsgeber) im März 2025 eine Erste Verordnung zur Änderung der Arzneimittel-Nutzenbewertungsverordnung (AM-NutzenV) beschlossen. Geregelt wird damit, wie die Inhalte des auf EU-Ebene eingereichten Dossiers ins nationale Verfahren eingebracht werden. Zudem präzisiert die AM-NutzenV die Zeitabläufe, um die europäischen Bewertungsberichte im deutschen Nutzenbewertungsverfahren zu berücksichtigen.
Über die Verfahrensordnung regelt der G-BA seine Entscheidungen. Die aktuelle Anpassung wurde aufgrund der Verordnung (EU) 2021/2282 sowie durch die Änderung der in der AM-NutzenV definierten Vorgaben notwendig.
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