Gesundheitssystem: Das „Hamsterrad“ wegbekommen


Der noch amtierende Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sieht die Ärzt:innen und Patient:innen in einem Hamsterrad gefangen.

Lauterbach sieht das Gesundheitssystem und die Versorgung in einem Hamsterrad gefangen. (Foto von Sunira Moses auf Unsplash)

Gesundheit im Hamsterrad: Lauterbach kritisiert Fehlanreize im System

Im Interview mit dem Deutschlandfunk spricht Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach Klartext  (und es zeigt sich, dass ein Gesundheitsökonom im Gesundheitswesen vielleicht doch nicht so schlecht ist): Mit rund 18 Arztbesuchen pro Kopf liegt Deutschland doppelt so hoch wie der EU-Durchschnitt – ein Zeichen für ein überlastetes und fehlgesteuertes Gesundheitssystem. 

Ärzte und Kliniken geraten durch das aktuelle Finanzierungssystem unter wirtschaftlichen Druck und behandeln zunehmend Fälle, die medizinisch nicht zwingend nötig wären. Lauterbach nennt das ein „Hamsterrad“, das zulasten der wirklich Kranken geht. Seine Lösung: eine Reform der Krankenhausfinanzierung, mehr Prävention, digitale Vernetzung durch die elektronische Patientenakte – und vor allem: Qualität statt Quantität.

Das Interview mit Lauterbach in Zahlen:

  • Deutschland verzeichnet rund 18 Arztbesuche pro Person und Jahr.
  • Im Vergleich dazu liegt der EU-Durchschnitt bei nur etwa 9 Besuchen pro Person und Jahr.
  • Das bedeutet: In Deutschland geht jede:r statistisch gesehen doppelt so oft zum Arzt wie im europäischen Durchschnitt.

 

Folgen: das „Hamsterrad“ der Gesundheitsversorgung

  • Ärztinnen und Ärzte müssen möglichst viele Patient:innen sehen, weil das Honorarsystem stark auf Fallzahlen basiert.
  • Dadurch entstehe ein ökonomischer Anreiz, viele – nicht immer medizinisch notwendige – Behandlungen durchzuführen.
  • Gleichzeitig fehlt dann Zeit für wirklich kranke oder chronisch erkrankte Menschen, die eigentlich eine intensivere Betreuung brauchen.
  • Auch Krankenhäuser geraten unter Druck: Mehr Fälle = mehr Einnahmen, was zu einem Teufelskreis führt, bei dem strukturelle Qualität und Fachbereiche wie Kinderheilkunde oder Notfallversorgung leiden.

 

Was dagegen getan werden soll:

Lauterbach skizziert mehrere Reformansätze:

1. Umstellung der Finanzierung: Weg von der Fallpauschale (DRG-System), hin zu einer strukturellen Finanzierung: Krankenhäuser sollen für das Vorhalten medizinischer Kapazitäten und für Qualität bezahlt werden – nicht nur für die Menge der Fälle.

2. Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA): Sie soll helfen, unnötige Arztbesuche zu vermeiden, da alle relevanten Informationen zentral verfügbar sind. Und sie fördert eine bessere Abstimmung der Behandlungen zwischen Haus- und Fachärzten.

3. Stärkung der Prävention: Vermeidung chronischer Erkrankungen (z. B. Diabetes, Herz-Kreislauf) durch Früherkennung und Präventionsmaßnahmen, um langfristig Kosten zu senken und die Anzahl notwendiger Arztkontakte zu reduzieren.

4. Bessere Steuerung der Patientenströme: Lauterbach deutet an, dass es in Zukunft mehr Lenkung geben könnte, z. B. durch Hausärzt:innen als erste Anlaufstelle oder digitale Angebote zur Einschätzung der Dringlichkeit.

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