
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken schätzt die GKV-Finanzlage u.a. so ein: „Auch in den ersten drei Monaten des Jahres 2025 sind die Ausgaben wieder deutlich stärker als die Einnahmen gewachsen. Das erhöht den Druck auf die Zusatzbeiträge mit Blick auf das kommende Jahr und unterstreicht den Handlungsbedarf …“ (Foto von Dmitrii E. auf Unsplash)
Trotz der positiven Bilanz bleibt die finanzielle Lage angespannt – auch mit Blick auf die Arzneimittelausgaben
Dazu passt, dass Bundesgesundheitsministerin Nina Warken anlässlich des Treffens der EU-Gesundheitsministerinnen und -minister (EPSCO) betonte, dass Reformen nicht nur national, sondern auch auf europäischer Ebene dringend notwendig sind, um die Versorgungssicherheit mit Arzneimitteln langfristig zu stabilisieren.
GKV-Finanzergebnis Q1/2025: Überschuss nur scheinbar Entlastung
Im ersten Quartal 2025 lagen die Einnahmen der gesetzlichen Krankenkassen bei 88,3 Mrd. Euro, die Ausgaben bei 86,5 Mrd. Euro. Der daraus resultierende Überschuss wird jedoch vorrangig zur Auffüllung der Finanzreserven verwendet, die mit rund 3,6 Mrd. Euro aktuell nur die Hälfte der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestreserve erreichen.
„Die guten Zahlen täuschen“, sagte dementsprechend auch Warken. Der weiterhin deutlich stärkere Ausgabenanstieg im Vergleich zu den Einnahmen verschärft den Druck auf die Zusatzbeiträge und macht kurzfristige Entlastungen ebenso notwendig wie langfristige Strukturreformen. Eine Expertenkommission arbeitet derzeit an Vorschlägen zur Stabilisierung der Beitragssätze – schneller als im Koalitionsvertrag vorgesehen.
Ausgabensteigerung in nahezu allen Leistungsbereichen
Die Ausgaben der Krankenkassen stiegen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 7,8%. Besonders dynamisch entwickelten sich:
- Krankenhausbehandlungen: +9,5% bzw. +2,4 Mrd. Euro
- Arzneimittelversorgung: +6,1% bzw. +826 Mio. Euro
- Arzneimittel in der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung: +29,7% bzw. +187 Mio. Euro
- Ambulant-ärztliche Behandlungen: +7,0% bzw. +874 Mio. Euro
- Behandlungspflege: +13,8% bzw. +344 Mio. Euro
- Schutzimpfungen: +14,4 % bzw. +104 Mio. Euro
- Rehabilitation und Vorsorge: +9,1% bzw. +102 Mio. Euro
Diese Entwicklungen verdeutlichen die strukturellen Belastungen der GKV, insbesondere bei leistungsintensiven Bereichen wie Klinikvergütungen, Arzneimitteln und der ambulanten Versorgung.
Zusatzbeiträge steigen: strukturelle Reformen angekündigt
Der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz lag zum Quartalsende bei 2,92% – deutlich über dem offiziell bekanntgegebenen Satz von 2,5%. Viele Krankenkassen sehen sich gezwungen, höhere Zusatzbeiträge zu erheben, um die massiv gesunkenen Rücklagen auszugleichen. Gleichzeitig wurde für das Jahr 2024 ein Defizit von 6,6 Mrd. Euro festgestellt, ein neuerlicher Beleg für den Reformdruck im System.
EPSCO-Rat: Warken fordert Versorgungssicherheit und Pharma-Resilienz
Parallel zur Veröffentlichung der GKV-Zahlen setzte die Bundesgesundheitsministerin beim EPSCO-Rat in Luxemburg klare Akzente für eine europäische Gesundheitspolitik mit Fokus auf Arzneimittelsicherheit. „Bei der Antibiotikaversorgung sind wir zu 80 Prozent auf außereuropäische Lieferanten angewiesen. Das wollen wir ändern“, sagte Warken.
Im Mittelpunkt des Treffens stand der Vorschlag der EU-Kommission für einen „Critical Medicines Act“, der die Abhängigkeit von Drittstaaten reduzieren und die Produktionskapazitäten innerhalb Europas stärken soll. Ergänzend dazu verfolgt das Pharmapaket das Ziel, Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Pharmaindustrie zu fördern.
Neue Rahmenbedingungen für Pharmaindustrie im Fokus
Neben der Versorgungssicherheit adressierte der Rat auch die neue Kommunalabwasser-Richtlinie, die Arzneimittelhersteller finanziell belasten könnte. Kläranlagen sollen künftig aufgerüstet werden, die Industrie soll mindestens 80 Prozent der damit verbundenen Kosten übernehmen – ein Aspekt, dessen tatsächliche Auswirkungen laut EU-Kommission noch einmal überprüft werden sollen.
Ausblick: Nationale und europäische Reformen müssen Hand in Hand gehen
Die aktuelle Finanzlage der GKV und die angespannte Situation in der Arzneimittelversorgung zeigen auf: Nur mit einem koordinierten Zusammenspiel aus kurzfristiger finanzieller Entlastung, langfristigen Strukturreformen und europäischer Industriepolitik lässt sich die Versorgung aufrechterhalten. Für die pharmazeutische Industrie bleibt es zentral, die politischen Weichenstellungen auf nationaler wie europäischer Ebene aktiv zu begleiten.
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