
Auf der Website erhalten Versicherte evidenzbasierte Bewertungen zu IGeL in der ärztlichen Praxis. Für die Bewertung des möglichen Schadens und Nutzens einer IGeL recherchiert das Wissenschaftsteam in medizinischen Datenbanken und wertet diese systematisch aus. (Foto: Screenshot Website / PM—Report)
Von 60 untersuchten IGeL-Angeboten erhielten 31 eine negative Bewertung, bei mehr als 20 weiteren ist der Nutzen unklar. Lediglich drei Leistungen wurden positiv beurteilt.
„Die jüngsten Bewertungsergebnisse des IGeL-Monitors zeigen erneut, dass viele IGeL nicht halten, was sie versprechen: Viele Selbstzahlerleistungen schaden mehr als sie nützen. Uns besorgt, dass die Patientinnen und Patienten in den ärztlichen Praxen oftmals nicht über das Schadensrisiko aufgeklärt werden. Die Praxen sollten verpflichtet werden, unabhängig erstellte wissenschaftsbasierte Bewertungen und Informationen regelhaft anzubieten“, fordert Dr. Stefan Gronemeyer, Vorstandsvorsitzender des Medizinischen Dienstes Bund. Darüber hinaus sollten IGeL nicht an dem Tag erbracht werden dürfen, an dem sie angeboten werden.
Der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen bezeichnete die Situation im Gespräch mit dem Deutschlandfunk als „besorgniserregend“. Problematisch sei nicht nur, dass Patientinnen und Patienten für Behandlungen zahlen, deren Risiken den Nutzen übersteigen. Hinzu komme, dass notwendige Kassenleistungen teils verdrängt würden und gesetzlich Versicherte oft nur noch Termine erhielten, wenn sie zusätzlich IGeL buchten. „Praxen dürfen nicht zu Gesundheitsbasaren werden“, so Dahmen.
Ein Beispiel sind Hyaluronsäure-Injektionen ins Kniegelenk. Laut dem MD zeigen Studien seit Jahrzehnten keinen klaren Nutzen, wohl aber erhöhte Risiken wie Infektionen oder Entzündungen. Dennoch würden sie weiterhin häufig angeboten.
Milliardenmarkt für Praxen
Laut Berechnungen des MD geben gesetzlich Versicherte jährlich rund 2,4 Mrd. Euro für IGeL-Leistungen aus. Allein im Bereich der Orthopädie entfallen rund 400 Mio. Euro auf entsprechende Angebote. Besonders verbreitet sind Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchungen, etwa der Augeninnendrucktest oder Ultraschalluntersuchungen.
Die Preise reichen von 20 bis 100 Euro pro Behandlung, einzelne Leistungen können deutlich teurer sein. Viele Patient:innen hoffen auf zusätzlichen Schutz oder eine bessere Vorsorge, obwohl laut Experten häufig kein belegbarer medizinischer Mehrwert besteht.
Forderung nach klareren Regeln
Dahmen plädierte für strengere Vorgaben: Jede Praxis solle verpflichtet sein, evidenzbasierte Informationen zu fragwürdigen Leistungen vorzuhalten: ähnlich einem Beipackzettel bei Medikamenten. Zudem brauche es ein Update des Patientenrechtegesetzes, damit ausschließlich medizinisch sinnvolle Behandlungen angeboten würden.
Bereits unter der Ampel-Koalition war eine gesetzliche Regelung im Rahmen des Versorgungsgesetzes vorbereitet, die nun nach Ansicht Dahmens dringend umgesetzt werden müsse. Auch Ärztekammern und Kassenärztliche Vereinigungen stünden in der Pflicht, bestehende Regeln konsequenter durchzusetzen.
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