
Im Zentrum der gesundheits- und sozialpolitischen Generalaussprache des Deutschen Ärzteages stehen die gesundheitspolitischen Vorhaben der neuen Bundesregierung. (Foto von Sasun Bughdaryan auf Unsplash)
Aktualisierung 4. Juli 2025:
Vor dem Hintergrund des Koalitionsvertrages von CDU, CSU und SPD wird die Einführung eines Primärarztsystems in Deutschland kontrovers diskutiert. Der Spitzenverband Fachärztinnen und Fachärzte Deutschlands (SpiFa) macht deutlich, dass ein verpflichtendes hausärztliches Gatekeeping bei allen Patientinnen und Patienten mit der Fachärzteschaft genauso wenig zu machen ist, wie die Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante Regelversorgung. Der SpiFa plädiert für eine bedarfsgerechtere Patientenversorgung und für eine gut strukturierte Zusammenarbeit zwischen Haus- und Fachärzten im Sinne der Patientinnen und Patienten.
Ein plumpes hausärztliches Gatekeeping ist hierfür ungeeignet, kritisiert der SpiFa-Vorstandsvorsitzende Dr. med. Dirk Heinrich:
„Niemand braucht in unserem Gesundheitssystem Hausärzte als Türsteher für den Zugang zu Prävention, Vorsorge, notwendiger Diagnostik und Behandlung. Das werden unsere Patientinnen und Patienten nicht akzeptieren. Es ist deswegen nicht schlau, Zugangshürden für Vorsorge und Prävention und eine bedarfsgerechte Versorgung aufzubauen. Haus- und Fachärzte müssen künftig strukturierter und besser zusammenarbeiten. Das muss das Ziel einer Reform sein.
Patientengruppen, die regelhaft fachärztlich versorgt werden, beispielsweise wegen einer chronischen Erkrankung, sollten nicht auf eine hausärztliche Überweisung angewiesen sein. Das ist bürokratische und teure Förmelei, die zusätzlich kostenträchtige und unnötige Arzt-Patienten-Kontakte erzeugt, statt abzubauen. Hausärzte sollen mit den niedergelassenen Fachärztinnen und Fachärzten gemeinsam dafür sorgen, dass Patienten nur im Krankenhaus behandelt werden, wenn sie eine Krankenhausbehandlung wirklich benötigen.“
Der 129. Deutsche Ärztetag 2025
Für die Bundesgesundheitsministerin war es ihre erste Rede vor dem Deutschen Ärztetag. So warb die Ministerin für eine gute Zusammenarbeit auf Augenhöhe, eine bessere Patientensteuerung durch ein Primärarztsystem, einen verantwortungsvollen Umgang mit KI sowie die Vorteile der elektronischen Patientenakte. Ziel für sie ist es zudem, die Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Gesundheitsberufe zu stärken und dafür auch die bürokratischen Hürden für Ärzt:innen abzubauen.
An die Ärzteschaft appellierte Warken: „An gemeinsamen Themen und Herausforderungen herrscht kein Mangel. Lassen Sie uns diese Aufgaben mit Mut und Zuversicht angehen. Lassen Sie uns diese Aufgaben gemeinsam angehen! Denn wir brauchen Reformen von allen Beteiligten. Hier möchte ich auch besonders an Sie – die Ärzteschaft – appellieren, diese notwendigen Veränderungen mit uns gemeinsam anzugehen. Ohne Sie geht es nicht, wir bauen auf Sie!“
Hausärztinnen- und Hausärzteverband: Pro Hausarztmodell
Der Bundesvorsitzende Dr. med. Markus Beier spricht sich für das Modell aus und betont im Dlf-Interview, dass die Hausarztpraxen das auch stemmen können. Dafür müsse man aber den Quartalsbezug ändern.
Warken hatte beim Ärztetag angekündigt, dass die Hausarztpraxen wieder zur ersten Anlaufstelle für Patient:innen werden sollen. Termine bei Fachärzt:innen wird demnach auch durch die Hausarztpraxis vermittelt. Doppeluntersuchungen und lange Wartezeiten sollen so vermieden werden. Der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. med. Klaus Reinhardt, findet die geplante Reform ebenso gut wie Beier und möchte Warken unterstützen.
Das Interview zum Nachhören (8:34).
Für Pharma könnte das folgende Fragen aufwerfen:
- Neue Wege in der Arzt-Patient-Kommunikation
- Fokus auf hausarztzentrierte Therapieketten
- Veränderter Zugang zu Fachärzt:innen – und zu Verordnungen
Anderen Themen auf dem Ärztetag
Im Zentrum der gesundheits- und sozialpolitischen Generalaussprache des Deutschen Ärztetages stehen die gesundheitspolitischen Vorhaben der neuen Bundesregierung. Die 250 Abgeordneten werden diese diskutieren und möchten Impulse für deren praktische Umsetzung setzen.
- Reform der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ):
Mit großer Mehrheit wurde beschlossen, die gemeinsam mit dem PKV-Verband entwickelten Entwürfe für eine novellierte GOÄ an das Bundesgesundheitsministerium zu übergeben. Die Ärzteschaft fordert die Politik auf, die Novellierung zügig umzusetzen, um eine zeitgemäße Vergütung ärztlicher Leistungen sicherzustellen.
- Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI):
Der Ärztetag befürwortet den verantwortungsvollen Einsatz von KI in der Medizin, betont jedoch die Notwendigkeit, ärztliche Perspektiven stärker zu berücksichtigen. KI soll unterstützend wirken, ohne die ärztliche Entscheidungsfreiheit einzuschränken.
- Stärkung der Patientensicherheit:
Die Delegierten appellierten an Bundesregierung, G-BA und Arbeitgeber im Gesundheitswesen, die Bemühungen zur Stärkung der Patientensicherheit gezielt zu fördern. Dazu gehören der Abbau von Bürokratie und die Förderung der Qualität in der Versorgung.
- Kindergesundheit umfassend schützen:
Der Ärztetag forderte verstärkte Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Besonderes Augenmerk soll auf Prävention und frühzeitige Intervention gelegt werden.
- Weitere Beschlüsse:
Zusätzlich wurden Beschlüsse zur nutzerorientierten Gestaltung der elektronischen Patientenakte, zur Weiterentwicklung der Krankenhausreform und zur Förderung des ärztlichen Nachwuchses gefasst. Die Ärzteschaft setzt sich für ein solidarisches und zukunftsfähiges Gesundheitswesen ein, das den Herausforderungen der Zeit gewachsen ist.
Die vollständigen Beschlüsse und weitere Informationen sind auf der Website der Bundesärztekammer verfügbar.
In der aktuellen Folge von Sprechende Medizin - der Podcast spricht BÄK-Präsident Reinhardt vorab über wichtige Themen, die auf dem Ärztetag beraten werden.
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