Zi-Vorstandsvorsitzender Dr. Dominik von Stillfried fordert angesichts der notwendigen Strukturänderungen in der stationären Versorgung einen durchgreifenden „Ambulantisierungsturbo“. (Foto von Ante Samarzija auf Unsplash)
Während Länder wie Frankreich, Italien oder Schweden durchschnittlich 3 Krankenhausbetten und 109 stationäre Behandlungsfälle pro 1.000 Einwohner aufweisen, sind es hierzulande 8 Betten und 212 Behandlungsfälle. Diese Struktur sorgt angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels und steigender Kosten für Kritik und Reformforderungen.
Ein zentraler Lösungsansatz ist die Verlagerung stationärer Behandlungen in den ambulanten Bereich. Laut einer aktuellen Datenauswertung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) könnten niedergelassene Ärzt:innen das jährliche Ambulantisierungspotenzial von bis zu 3 Millionen stationären Fällen problemlos auffangen.
Überschaubare Mehrbelastung für Fachgruppen
Die Datenauswertung zeigt, dass die Übernahme ambulantisierbarer Behandlungen selbst bei stark frequentierten Fachgruppen eine moderate Mehrbelastung darstellt. Internist:innen müssten beispielsweise weniger als einen zusätzlichen Behandlungsfall pro Tag übernehmen (204 Fälle pro Jahr). In der Urologie könnten von 734.000 stationären Fällen etwa 311.000 (42,4%) ambulant erbracht werden. Dies entspräche pro operativ tätiger Urolog:in einem jährlichen Zuwachs von rund 106 Fällen – eine Steigerung um lediglich 2,3%.
Kostensenkung und Entlastung
Die Verlagerung stationärer Behandlungen in den ambulanten Bereich bietet nicht nur medizinische, sondern auch wirtschaftliche Vorteile. Ambulante Leistungen sind erheblich günstiger und können so die Beitragszahler:innen der gesetzlichen Krankenversicherung spürbar entlasten. Dr. Dominik von Stillfried, Vorstandsvorsitzender des Zi, betonte, dass die steigenden Beitragskosten durch teure Klinikbehandlungen nicht länger vermittelbar seien.
Er findet: „Auch in Anbetracht der immer weiter explodierenden Beitragskosten für gesetzlich Versicherte sind die oftmals um ein vielfach teureren Klinikbehandlungen, die weitaus günstiger auch ambulant durchgeführt werden können, weder zeitgemäß noch den bereits heute maximal belasteten Beitragszahlenden weiter ernsthaft zu vermitteln. Klar ist aber auch, dass die Vergütung für diese Fälle in der ambulanten Versorgung angemessen und ausreichend differenziert sein muss. Denn nicht nur die Krankenhäuser müssen im Zeitalter der Ambulantisierung ihre Infrastruktur modernisieren. Auch die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte investieren in die Zukunft der medizinischen Versorgung und müssen vor allem entsprechendes Personal vorhalten“
Notwendige Reformen und Investitionen
Von Stillfried betont, dass die Ambulantisierung auch strukturpolitisch unausweichlich sei. Um dieses Potenzial auszuschöpfen, seien jedoch angemessene Vergütungsmodelle für ambulante Leistungen notwendig. Gleichzeitig müssten sowohl Krankenhäuser als auch niedergelassene Ärzt:innen ihre Infrastruktur anpassen. Letztere sind auf moderne Praxisausstattung und qualifiziertes Personal angewiesen, um die steigende Nachfrage zu bewältigen.
Die konsequente Ambulantisierung stationärer Behandlungsfälle birgt das Potenzial, das deutsche Gesundheitssystem effizienter und zukunftsfähiger zu gestalten. Angesichts der Belastungen für Personal und Versicherte ist es an der Zeit, diesen „Ambulantisierungsturbo“ politisch und strukturell zu zünden.
Grafik: Zi
Kurze Übersicht der Kernpunkte:
- Ambulantisierungspotenzial: Niedergelassene Ärzt:innen können jährlich bis zu 3 Millionen bisher stationär versorgte Behandlungsfälle übernehmen.
- Geringer Zusatzaufwand: Fachgruppen wie Internist:innen hätten im Schnitt weniger als einen zusätzlichen Behandlungsfall pro Tag.
- Fachgruppenbeispiele: Urolog:innen könnten 42,4% (311.000) der stationären Behandlungsfälle übernehmen, was pro Ärzt:in rund 106 zusätzliche Fälle jährlich bedeutet.
- Kosteneffizienz: Ambulante Behandlungen sind im Vergleich zu stationären kostengünstiger und entlasten gesetzlich Versicherte.
- Forderung: Zi-Vorstand drängt auf stärkere Ambulantisierung und angemessene Vergütung für ambulante Leistungen.
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