
Eigeninitiative kann die Resilienz stärken und damit die Fähigkeit, mit Herausforderungen und Rückschlägen umzugehen. (Foto von Chang Duong auf Unsplash)
Die Erkenntnis, dass die kommenden Jahre für jeden wirtschaftlich und politisch herausfordernd sein werden, ist inzwischen keine „breaking news“ mehr. Ein Report von Foresight Factory* hat nun analysiert, dass sich daraus bei den meisten Menschen aber nicht ein Opfer- oder Frustrationsgefühl entwickelt. Im Gegenteil: Es kommt eine Stimmung der (Eigen-)Initiative auf, um das eigene Leben viel mehr selbst zu bestimmen und neue Chancen zu entdecken.
Für das Thema Gesundheit ergeben sich daraus Begriffe wie gesundheitliche Selbstständigkeit und Eigenverantwortung, generelle Verbesserung der Gesundheit, wachsendes Gesundheitsbewusstsein und Langlebigkeit.
Die globalen Veränderungen sind enorm: die durch den Krieg in der Ukraine herauf beschworenen Ängste und Unsicherheiten, die durch die Wahl von Donald Trump sich abzeichnende neue Weltordnung, geopolitische Spannungen z. B. durch die Eskalation im Nahen Osten und Chinas Machtansprüche gegenüber Taiwan, aber auch die durch neue technische Möglichkeiten, wie künstliche Intelligenz (KI), die auf das Berufsleben einwirken.
Foresight Factory, Marktforscher in Sachen Konsumverhalten, sagen, dass sich Konsumenten mittlerweile „belagert“ fühlen könnten. Aber die Analysen bestätigen etwas überraschend anderes: „Die meisten suchen einen Weg nach vorne. Anstatt sich von dem Wandel und den täglichen Frustrationen (modern-day frustrations) zum Opfer stempeln zu lassen, setzen sie ihre eigene Initiative ein, um neue Wege zu suchen und sich über Normen Gedanken zu machen, die ihnen nicht länger helfen.“
Das Leben auf innovativen Wegen selbst kontrollieren
Der Report von Forsight Factory macht Bereiche aus, in denen sich dieser Drang zu mehr Initiative zeigt. Hier einige der wichtigsten:
- Gesünderer Lebensstil
Was der Trend, mehr Kontrolle und Initiative zu ergreifen für den Bereich Gesundheit bedeutet, zeigen die Global Consumer Trends 2025 von Innova Market Insights auf. Gesundheit zählt zu den wichtigsten Problemen, um die sich die Menschen Gedanken machen: bei 35% ist es eine bezahlbare gesunde Ernährung, bei 34% das Fehlen einer guten Gesundheitsversorgung und bei 33% die Auswirkungen der Luftverschmutzung auf die Gesundheit. Grundsätzlich sind die Konsumenten bereit, in ihre Gesundheit, um sich auch mental und emotional gut zu fühlen, mehr Geld zu investieren. Sie suchen nach Produkten, die ihnen dabei helfen. Außerdem versuchen sie, sich jeden Tag aus Momenten des Glücklichseins und des Innehaltens Kraft zu holen. Wichtig dabei: Mangelt es an der Qualität von Produkt oder Angebot erodiert das Vertrauen in eine Marke sehr schnell.
Generell stellt die Untersuchung einen Trend zu einem gesünderen Lebensstil fest. Der reicht ziemlich weit. Er beinhaltet die Reduzierung von Essensabfällen, mehr Recycling und weitere Aktivitäten, die der Gesundheit zugutekommen, z. B. Treffen mit guten Freunden oder Wanderungen in der Natur.
- Länger leben (Longevity)
Es gibt den großen Wunsch, die Lebensspanne zu verlängern. Konsumenten übernehmen dafür zunehmend Eigeninitiative, um gesund älter zu werden. In diesem Bestreben greifen sie verstärkt auf präventive und spezialisierte Lösungen sowie reaktive Behandlungen zurück, formulieren die Marktforscher. Wie sich der Trend entwickelt, lässt sich anhand verschiedener Daten erkennen. Euromonitor International Top global consumer Trends 2025 hat bei über 40.000 Konsumenten weltweit gefragt: 52% wollen in den nächsten fünf Jahren gesünder werden als sie derzeit sind. Viele wollen dazu Vitamine und Nahrungsergänzungsmittel einsetzen. 54% wissen, welche Mittel – der Gesamtmarkt für diese meist frei verkäuflichen Medikamente soll 2025 auf 139,9 Mrd. US-Dollar steigen – sie für die Verbesserung ihrer eigenen Gesundheit verwenden müssen.
Zunehmend vertrauen Konsumenten zur Überwachung ihres Fitness- und Gesundheitslevels auf Wearables und andere Fitness Tracker. 2024 nutzten bereits etwas über 25% der Generation Z und über 30% des Millennials Wearables, bei Fitnesstrackern waren es jeweils fast 35%. Bei älteren Mitbürgern liegt die Nutzung deutlich geringer, jeweils zwischen 10% und 20%.
Euromonitor hat herausgefunden, dass die steigende Initiative den Anspruch an die Leistungen und Produkte steigen lässt. Es reicht nicht mehr, ein allgemeines Bedürfnis zu befriedigen, Lösungen müssen auf den einzelnen Konsumenten zugeschnitten sein und seine spezifischen Wünsche erfüllen. Um die Bedeutung und Wirksamkeit der empfohlenen Methoden zu bestätigen, sind wissenschaftliche Belege oder überprüfbare Ergebnisse gefragt. Als hilfreich werden auch personalisierte Gesundheitsbewertungen und real-time-Tracking angenommen.
- Präventive Medizin
Um Krankheiten erst gar nicht entstehen zu lassen und sie zu stoppen, bevor sie Schaden anrichten kann, wählen Konsumenten einen proaktiven Weg. Sie nutzen die frühe Identifikation möglicher Risiken, ändern ihren Lebensstil, managen ihre Gesundheit selbst und setzen auf Hilfen wie KI, prädiktive Analytik und personalisierte Lösungen.
Präventive Medizin umfasst die frühe Diagnose drohender Erkrankungen, wie Diabetes oder Krebs, noch bevor sich die ersten Symptome zeigen sowie die Kontrolle bestehender chronischer Erkrankungen durch Wearables und Fernüberwachung. Eine personalisierte Gesundheitsrisikobewertung, die auf dem genetischen Profil und dem Lebensstil basiert, warnt Ärzt:innen von Anfälligkeiten der Person und informiert über mögliche präventive Maßnahmen.
Den weltweiten Markt für präventive Medizin schätzt das Marktforschungsunternehmen Mordor Intelligence für 2025 auf 366,91 Mrd. US-Dollar. Bis 2030 soll der Markt um jährlich 12,64% wachsen und 2030 einen Wert von 665,31 Mrd. US-Dollar erreichen.
- Genome Editing
Die auf Hochtouren laufende Forschung im Bereich Gen Editing schürt große Hoffnungen, einen durchschlagenden Erfolg von Gentherapien zu erzielen. Das Ziel ist es, genetische Fehler (Mutationen) durch zielgerichtete Genkorrektur und Genmodifikation zu beheben, damit ein bestimmtes gewünschtes Genprodukt (wieder) hergestellt werden kann. Viele versprechen sich von der Korrektur an der DNA Krankheiten heilen zu können, für die es bisher keine Therapien gibt.
Konsumenten und Patienten ergreifen vermehrt die Initiative, solche Verfahren zur Behandlung genetisch bedingter Erkrankungen angewendet zu bekommen und verwenden vom Arzt verschriebene Tools, um langfristige Kontrolle über ihre Beschwerden zu bekommen.
Der Markt für Genome Editing wird von Towards Healthcare für das Jahre 2025 auf 10,98 Mrd. US-Dollar prognostiziert. Bei einem jährlichen Wachstum von 16,95% soll die Marktgröße bis 2033 auf 38,43 Mrd. US-Dollar ansteigen.
- Entkomme dem Algorithmus
Konsument:innen wollen sich von der Monotonie eines über-programmierten Lebens befreien. Die Fähigkeit eines Algorithmus, personalisierte Inhalte zu schaffen, war bisher eines der hervorstechendsten Features. Inzwischen ruft seine Allgegenwart ein Gefühl des Seelenlosigkeit und Langeweile hervor. Das als „Fun“ empfundene Internet wird von „Slops“ (minderwertige, von künstlicher Intelligenz generierte Online-Inhalte) überschwemmt. Im Report heißt es: „Spam-Content, der nach Mittelmäßigkeit schreit.“
40% der Briten und 38% der US-Amerikaner denken, dass sich die Inhalte der Sozialen Medien in den letzten fünf Jahren verschlechtert hat. Und der zunehmende Einsatz von KI werde vermehrt dazu beitragen, dass es Inhalten an Originalität fehle und merkwürdig gleiche Ergebnisse produziere. Die Konsumenten würden mehr und mehr realisieren, dass das zu einer Einschränkung der kulturellen Vielfalt führe.
- Positiver Aktivismus
Konsument:innen realisieren, dass ein schnellerer Service nicht unbedingt zu einem leichteren und angenehmeren Leben führt. Automation könne manchmal die menschliche Interaktion aushöhlen und das Vergnügen zerstören. Es habe sich gezeigt, dass die Hinwendung viele Marken zu mehr Convenience nicht den erwarteten Erfolg gebracht habe. Laut Report können moderne Dienstleistungsangebote in einem Gefühl von Distanz und Kontrollverlust resultieren. Eine wachsende Zahl von Konsumenten lehnen KI-Hilfe ab. Es werden Aktivitäten bevorzugt, die mehr bewusstes Handeln erfordern und damit ein Pausieren, Reflektieren und eine genauere Auseinandersetzung ermöglichen.
- Der Aufbau von Beziehungen
Obwohl wir in einer hyper-vernetzten Welt leben, hat sich das Gefühl der Isolation weit verbreitet. Laut einer Umfrage bei Angehörigen der Gen Z (zwischen 1995 und 2020 Geborene) sehen weltweit 40% Einsamkeit als ein persönliches Risiko an, in Europa sind es sogar 46%. Die Suche nach Kontakten befördert die Kommerzialisierung und Professionalisierung der Beziehungs-Industrie. Ob Plattformen oder Freizeitangebote – die desillusionierenden Erfahrungen mit Dating-Apps lassen Konsumenten nach neuen Wegen für Beziehungen suchen. Das umso mehr, seitdem es sich herumgesprochen hat, dass soziale Kontakte die körperliche und geistige Gesundheit fördern.
Die Erkenntnis, dass selbst die Initiative zu ergreifen, sich auf viele Bereiche positiv auswirkt, ist allerdings so neu nicht. Forschungsergebnisse belegen, dass das Leben in die eigenen Hände zu nehmen, den Erfolg im Beruf steigert und die Karriere fördert (Grant, J.M.: Proactive behavior in organizations, Journal of Management, 26(3), 435-462). Darüber hinaus kann Eigeninitiative die Resilienz stärken und damit die Fähigkeit, mit Herausforderungen und Rückschlägen umzugehen (Masten, A.S.: Ordinar Magic: Resilience processes in development, American Psychologie, 56(3), 227-238). Proaktive Menschen verfügen außerdem über ein höheres Maß an Lebenszufriedenheit sowie psychisches Wohlbefinden und bessere soziale Netzwerke.
*Foresight Factory: Trending 2025, The Era of Initiative. Für den Report wurden von 46.000 Verbrauchern:innen in 27 Ländern Daten erhoben, täglich 4.000 wirtschaftliche Indizes überwacht, fortlaufend unterschiedliche Quellen wie Posts in sozialen Medien, Daten von Google Suchen und Forecasts vertrauenswürdiger Institutionen und Organisationen analysiert.
Fortschreitender Verlust von Vertrauen
Die Unternehmensberatung Accenture beschreibt die Situation von Konsumenten in ihren Life Trends 2025 so: Das Internet, digitale Technologien und KI habe bei vielen Konsumenten zu Chaos und Frustrationen geführt, weil der einstmals gefühlte Mehrwert verloren gehe. Und weil vorher vertrauenswürdige Quellen für Produkte, Services und Informationen immer weniger effektiv werden. Suchergebnisse würden mit schlechten Inhalten, zusammenhanglosen Hinweisen und nicht erwünschten Produktempfehlungen überladen, was die Navigation im Internet extrem schwierig mache. Die Flut von Inhalten, Posts, Suchergebnissen und Werbebotschaften lasse das Vertrauen in das Web schwinden. Laut der Untersuchung von Accenture fragen sich fast 50% der Menschen, ob die aufgerufene Information real und die gezeigte News wirklich echt ist. Oder ob es sich um Fake News handelt. Und um sich greifende Betrügereien und wenig vertrauenswürdige Influencer würden die Skepsis zusätzlich befördern. Der Verlust von Vertrauen lasse bei allen Interaktionen ein Zögern und Zaudern aufkommen, was das Online-Erlebnis der Konsumenten zerstöre.
Urteilt Accenture: „Der Abbau des Vertrauens in Inhalte lässt die Menschen nach neuen Wegen für eine Entdeckungsreise suchen. Viele haben die Geduld mit Suchmaschinen verloren …“ Dabei haben Umfragen gezeigt, dass bei 62% Vertrauen einer der wichtigste Faktor bei der Auswahl eines Produktes oder Angebots ist. Die Berater kommen zu dem Ergebnis, dass es letztlich auf die Eigeninitiative des Konsumenten ankommt: „Schließlich muss der Kunde selbst herausfinden, ob das Produkt real oder fake ist. Wenn es fake ist, ist der Kunde für immer verloren. Der entscheidende Punkt ist, Vertrauen mit dem Kunden aufzubauen.“
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