
Torsten Christann findet: Wir müssen Gesundheit so digital denken wie das Reisen. Mit klaren Prozessen. Mit durchgängigen Systemen. Und vor allem mit einem kompromisslosen Fokus auf die Bedürfnisse der Patient:innen. (Foto von David Preston auf Unsplash)
In seiner neuen Kolumne zieht unser Autor einen überraschend treffenden Vergleich zwischen Reise und Gesundheitswesen.
Liebe Leserinnen und Leser,
willkommen zurück zu meinen Digital Health Notizen – ich hoffe, Sie hatten ein schönen, wenn auch momentan sehr heißen Sommeranfang! Ich war mit meiner Familie unterwegs, wir haben die Pfingstferien für eine kleine Reise genutzt. Während wir am Flughafen warteten, ins Flugzeug stiegen und über Ländergrenzen hinweg reisten, fiel mir eines besonders auf: Wie reibungslos, digital und effizient das Reisen heute funktioniert. Vom digitalen Check-in über die Boarding-Pass-App bis hin zur Gepäckverfolgung auf dem Smartphone – alles ist nur wenige Klicks entfernt, selbsterklärend, schnell, nahtlos.
Und dann, zurück in Deutschland, holt mich der Alltag wieder ein. Arzttermin vereinbaren? Warteschleife. Rezept einlösen? Bei Hilfs- und Heilmitteln immer noch Papier. Gesundheitsdaten teilen? Lieber nicht dran denken.
Wie kann es sein, dass wir auf Reisen mit wenigen Fingertipps durch internationale Prozesse navigieren – und gleichzeitig in einem der immer noch modernsten Gesundheitssysteme der Welt beim Thema Digitalisierung regelmäßig ins Straucheln geraten?
Beim Fliegen ist alles digital durchgetaktet. Ich weiß, wann ich wo sein muss, mein Boardingpass ist in meiner Wallet, ich bekomme Push-Nachrichten, wenn sich das Gate ändert, und kann mein Gepäck tracken, als wäre es ein Paket. Und das Beste: Das Ganze funktioniert zuverlässig – mit Standardprozessen, verständlichen Apps und einem klaren Nutzerfokus.
Im deutschen Gesundheitswesen hingegen wirkt vieles nach wie vor wie aus einem analogen Zeitalter: die ePA? Kompliziert zu aktivieren. Das E-Rezept? Funktioniert nur in bestimmten Apotheken – wenn überhaupt. Und: Wer das E-Rezept über die offizielle gematik-App einsehen möchte, muss sich durch sage und schreibe 25 einzelne Schritte arbeiten – allein für das Set-up und die erste Anzeige. Ein Viertelhundert Interaktionen, bevor man überhaupt weiß, ob das Rezept korrekt übermittelt wurde.
Stellen Sie sich vor, Ihre Airline-App würde Sie in 25 Einzelschritten durch den Check-in führen, bevor Sie erfahren, ob Ihr Flug pünktlich ist. Niemand würde so etwas benutzen – aber genau das passiert im Gesundheitswesen täglich.
Verstehen Sie mich nicht falsch – es gibt sie, die Innovationen: Start-ups mit tollen Ideen, Pilotprojekte mit echtem Nutzen, motivierte Teams in Kassen, Kliniken und Praxen. Aber allzu oft bleiben diese Lösungen isoliert. Es fehlt an Skalierung, an übergreifender Strategie, an echter Integration in die Versorgung.
Woran liegt’s? Vielleicht daran, dass wir im Gesundheitswesen zu oft „für die Akte“ und zu selten für den Menschen entwickeln. Während Airlines und Flughäfen Nutzererlebnis und Effizienz als zentrale Ziele verinnerlicht haben, wirken viele Digitalprojekte im Gesundheitswesen wie ein schlechter Kompromiss zwischen Regulierung, Datenschutz und Technikträumen. Dabei bräuchten wir doch beides: Sicherheit und Einfachheit. Struktur und Komfort. Technik – aber menschenzentriert gedacht.
Wenn ich aus dem Urlaub also eine Erkenntnis mitnehme, dann diese: Wir müssen Gesundheit so digital denken wie das Reisen. Mit klaren Prozessen. Mit durchgängigen Systemen. Und vor allem mit einem kompromisslosen Fokus auf die Bedürfnisse der Patient:innen – so selbstverständlich wie beim Check-in am Flughafen.
Bis dahin heißt es: dranbleiben. Digitalisieren. Implementieren. Und nicht vergessen: Auch die beste App ersetzt nicht das persönliche Gespräch, aber sie kann helfen, den Weg dorthin leichter zu machen.
In diesem Sinne – schön, dass Sie wieder mitgelesen haben. Ich buche mir jetzt über eines der sehr nutzerfreundlichen Online-Portale unseren nächsten Urlaub. Wir sehen uns in ein paar Wochen wieder. Bis dahin: Bleiben Sie gesund und digital neugierig!
Ihr Torsten Christann

Torsten Christann
Managing Partner Digital Oxygen GmbH
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