
Prof. Dr. Ken Herrmann, Direktor der Klinik für Nuklearmedizin am Universitätsklinikum Essen und Weißbuch-Autor, betont: „Eine reine Umverteilung bestehender nuklearmedizinischer Ressourcen wird dem steigenden Bedarf nach radiopharmazeutischer Diagnostik und Therapie nicht gerecht. Um bestehende Strukturen zu erhalten und auszubauen benötigen wir eine spezielle Förderkategorie für nuklearmedizinische Einrichtungen im Rahmen der Krankenhausfinanzierung.“ (Foto von Eric Lin auf Unsplas)
Das vom IGES Institut veröffentlichte Weißbuch „Radioligandentherapie in Deutschland“ zeigt deutliche Versorgungslücken und strukturelle Hürden, die eine flächendeckende Nutzung dieser innovativen Behandlungsform derzeit erschweren.
Barrieren bei gleichzeitigem Potenzial
Laut Weißbuch-Autor Prof. Dr. Ken Herrmann (Uniklinikum Essen) laufen weltweit über 200 klinische Studien zu Radiopharmazeutika – mit vielversprechendem Potenzial insbesondere in der Onkologie.
In Deutschland sind aktuell zwei Radioligandentherapien (RLT) zugelassen, u.a. zur Behandlung von Prostatakrebs. Doch dem wachsenden Bedarf steht ein Rückgang stationärer Kapazitäten gegenüber: Die Zahl nuklearmedizinischer Betten sank von 921 (2010) auf 748 (2022). Auch fehlen Investitionen, Fachpersonal und passende Erstattungsregelungen.
Zusätzliche Barrieren sieht das Weißbuch bei der ambulanten Bildgebung, die oft nicht oder nur stationär erstattet wird. Regional ungleiche Verfügbarkeiten von Tracern und Diagnostik-Angeboten verschärfen die Situation. Die ambulante spezialfachärztliche Versorgung (ASV) könnte laut IGES eine zentrale Rolle für den Zugang zu RLT spielen – allerdings bestehen auch hier regionale Defizite und bürokratische Hürden.
Das Institut fordert deshalb gezielte Fördermaßnahmen für nuklearmedizinische Einrichtungen sowie eine stärkere Verzahnung ambulanter und stationärer Versorgung. Nur durch koordiniertes Handeln aller Akteure könne der Zugang zu modernen nuklearmedizinischen Therapien künftig gewährleistet werden.
Radioligandentherapie als Gamechanger: Nuklearmedizin fordert neue Strategien – auch von Pharma
Die Nuklearmedizin steht vor einem Innovationsschub, der das Fachgebiet weit über seine klassische Rolle in der Diagnostik hinausführen könnte. Radioligandentherapien gelten dabei als vielversprechende Option für die gezielte Krebstherapie – und eröffnen auch Pharmaunternehmen neue Chancen im Bereich personalisierter, strahlenbasierter Wirkstoffe.
Für die Industrie bedeutet das: Wer in der Nuklearmedizin künftig mitspielen will, braucht nicht nur starke Forschung und klinische Studien, sondern auch Strategien für Marktzugang, Infrastrukturentwicklung und eine enge Verzahnung mit der Versorgungspraxis. Und frühzeitig den Dialog mit Krankenhäusern, Kostenträgern und Regulierungsbehörden suchen.
Das Problem: Auch pharmazeutische Unternehmen, die Radiopharmazeutika entwickeln, sehen sich mit einem fragmentierten Markt und heterogenen Versorgungsrealitäten konfrontiert.

Grafik: IGES

Grafik: IGES
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