DARWIN EU® startet mit ersten Partnern


Die europäische Arzneimittelbehörde (EMA) hat erste Partner ausgewählt, die mit DARWIN EU®, dem Data Analysis and Real-World Netzwerk, zusammenarbeiten. Zu den ausgewählten Partnern gehören sowohl öffentliche als auch private Institutionen.

Auch auf twitter hat die EMA die Zusammenarbeit mit den ersten Datenpartnern angekündigt. (Foto: Screenshot EMA twitter Account)

Zugriff auf reale Versorgungsdaten

Diese „Datenpartner“ haben nun Zugriff auf reale Gesundheitsdaten aus einer oder mehreren Quellen wie Krankenhäusern, Praxen, Krankenkassen oder krankheitsspezifischen Patientenregistern.

Die Daten werden für Studien verwendet, „um auf reale Beweise (Real World Evidence) zuzugreifen, die wissenschaftliche Bewertungen und regulatorische Entscheidungen unterstützen. Evidenz aus der realen Welt bezieht sich auf Informationen, die aus der Analyse von Daten aus der echten Versorgung stammen, bei denen es sich um routinemäßig gesammelte Daten über den Gesundheitszustand eines Patienten oder die Bereitstellung von Gesundheitsleistungen aus einer Vielzahl von anderen Quellen als traditionellen klinischen Studien handelt,“ wie die EMA erklärt.

Im Rahmen der Zusammenarbeit werden die Ergebnisse der Analysen natürlich zur Verfügung gestellt. Weitere Datenpartner sollen in den kommenden Jahren dazu kommen — mindestens zehn neue Datenpartner pro Jahr. Im Jahr 2023 wird ein Aufruf zur Interessenbekundung für potenzielle neue Datenpartner gestartet.

Windeler: Kritik an „Real World-Irgendwas“

Oder ganz kurz zusammengefasst: Real World Data ist wichtig für die Versorgungsforschung. Jürgen Windeler, Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), gilt als einer der größten Kritiker des Konzepts. Zumindest 2016 im Rahmen des Instituts Herbstsymposiums meinte er:

„Aus dieser Veranstaltung nehme ich mit, den Begriff „Real World Data” und „Real World Evidence” zu verlassen. Ich werde auch versuchen, ihn nicht mehr zu benutzen, weil er faktisch für Daten aus nicht-randomisierten Studien (Non-RCTs) steht. Ich glaube auch, dass wir gut daran tun, ihn deshalb beiseite zu legen, weil er diese alberne Implikation befördert, dass randomisierte Studien sozusagen nichts mit „Real World” und nicht-randomisierte Studien alles mit „Real Life” zu tun hätten. Er vermittelt ein falsches, auch ein interessegeleitetes Bild, und deswegen macht es Sinn, den Begriff zu verlassen.“

Doch er betonte auch, „dass man natürlich auf „Real-World”-Daten zurückgreifen muss, die sich im Übrigen in allen Dossiers des IQWiG finden, etwa bei folgenden Fragen: Welche Durchdringung erreichen Arzneimittel? Wie viele Patienten sind davon betroffen? Was kostet der Wirkstoff, die Vergleichstherapie oder Best supportive Care?

Für solche Fragen sind nicht-randomisierte Studiendaten die Norm. Für andere Fragestellungen aber, die zu Nutzen und Schaden, gibt es andere Instrumente in diesem Methodenbaukasten. Sie bestehen in vergleichenden aussagefähigen Studien. Davon ist die randomisierte Studie aus einer Reihe von Gründen die beste.“

In Jahresbericht 2019 wiederholte er seine Kritik im Vorwort:

„’Real World’-Irgendwas und Big Data haben rein gar nichts geholfen. Im Gegenteil: Zwei hochrangig publizierte Arbeiten, die ihre „Erkenntnisse“ mithilfe künstlicher Intelligenz generiert hatten, mussten rasch wieder zurückgezogen werden. Dabei wird auch klar: Unter schwierigen Umständen ist schnelles Handeln und sind schnelle Ergebnisse gefragt. Und trotzdem sind Qualitätsanforderungen nicht zu vernachlässigen.

Methodisch schlecht gestützte, erst recht falsche Ergebnisse sind immer noch schädlicher als Nichtwissen. Wir alle sind deshalb gut beraten, bei Fragen zu Nutzen und Schaden von medizinischen Interventionen zur Behandlung von COVID-19 auf die Ergebnisse qualitativ hochwertiger klinischer Studien zu setzen. Der kurzfristige Hype um das Anti-Malaria Mittel (Hydroxy-)Chloroquine, der aus völlig inadäquaten „Studien“ resultierte, mag dafür ein beredtes Beispiel sein.

Es ist zu hoffen, dass viele Verantwortliche in dieser Zeit den Wert solider Erkenntnisse wieder schätzen lernen, und sich dafür einsetzen, dass solche Erkenntnisse geschaffen werden können. Es geht darum, den Wert angemessener Prüfverfahren (neu) zu entdecken und als eine notwendige Sicherungsmaßnahme für Qualität und Wirtschaftlichkeit in unserem Gesundheitssystem anzuerkennen.“

Drei erste Studien initialisiert

Mit dem Anschluss von Datenpartnern hat die EMA den Start der ersten drei Studien eingeleitet, die von DARWIN EU® bereitgestellt werden:

  • Eine Studie konzentriert sich auf die Epidemiologie seltener Blutkrebsarten, um Informationen über ihre Prävalenz in Europa zu erhalten.
  • Die zweite Studie befasst sich mit der Arzneimittelanwendung von Valproat.
  • Und die dritte befasst sich mit der Verwendung von Antibiotika, um zukünftige Arbeiten zur antimikrobiellen Resistenz zu informieren.

 

Die EMA wird zu gegebener Zeit über weitere Einzelheiten dieser Studien berichten, einschließlich der Veröffentlichung von Protokollen und Berichten im EU-PAS-Register. Anvisiert ist, dass DARWIN EU® bis 2025 etwa 150 reale Evidenzstudien pro Jahr veröffentlicht.

Über DARWIN EU®:

DARWIN EU® ist ein föderiertes Netzwerk, das dem europäischen Zulassungsnetzwerk für Arzneimittel angeschlossen ist. Das Netzwerk setzt sich aus den zuständigen nationalen Behörden in den EU-Mitgliedstaaten, der EMA und der Europäischen Kommission zusammen. Bei Bedarf soll Zugang zu Ergebnissen aus der Analyse von Daten aus realen Gesundheitsdatenbanken in der gesamten EU gewährt und Unterstützung der Entscheidungsfindung während des gesamten Lebenszyklus eines Arzneimittels gewährt werden. Kenntnisse über Krankheiten, die Anwendung von Arzneimitteln und darüber, wie sich Arzneimittel in der klinischen Praxis verhalten, können die Entwicklung, Zulassung und sichere und wirksame Anwendung von Arzneimitteln durch Patienten unterstützen. Die EMA verwaltet DARWIN EU® und wird durch das Erasmus University Medical Center Rotterdam überwacht, das im Februar 2022 zum DARWIN EU® Koordinationszentrum ernannt wurde. Das Netzwerk wird als Wegbereiter für den vorgeschlagenen European Health Data Space (EHDS) fungieren und letztendlich eine Verbindung zu den EHDS-Diensten herstellen, um die Verwendung des EHDS in der Arzneimittelregulierung in Europa zu ermöglichen.

Die Datenquellen sollten unterschiedliche Gesundheitssituationen für die Verwendung von Arzneimitteln (primäre, sekundäre, fachärztliche Verwendung) sowie insgesamt die EU-Bevölkerung darstellen. Nicht-EU-Datenquellen können für die Aufnahme in Betracht gezogen werden, wenn sie einen Mehrwert für Analysen der Evidenz aus der Praxis schaffen und die Ergebnisse für die Entscheidungsfindung zu Arzneimitteln bereichern.

Die Auswahl der Datenpartner erfolgt nach Priorisierungskriterien nach Rücksprache mit dem DARWIN EU® Advisory Board.

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