DiGA: Höchste Standards beim Nutzennachweis


Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) müssen ihren Nutzen nachweisen. Doch welche Studie ist am besten dafür geeignet?

Grafik: DGIM

 

„Aus unserer Sicht eignen sich prospektive, idealerweise randomisierte und kontrollierte Interventionsstudien am ehesten, um unmittelbare Effekte einer DiGA nachzuweisen“, meint Prof. Dr. med. Martin Möckel. Er ist Ärztlicher Leiter der Notfallmedizin und der Chest Pain Units am Campus Mitte und am Virchow-Klinikum sowie Prodekan für Studium und Lehre der Berliner Charité ist. Und er hat mit der Arbeitsgruppe „DiGA/KI in Leitlinien“ der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e.V. (DGIM) sich die Voraussetzungen bei den DiGA-Studien angeschaut. Ein Fazit: Aus wissenschaftlicher Perspektive ist der Forschungsbedarf zu digitalen Gesundheitsanwendungen sehr groß.

Momentane Situation der DiGA

34 DiGA sind im Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gelistet, davon sechs für internistische Krankheitsbilder. Viele der dort aufgeführten Produkte verfügen über nur eine vorläufige Zulassung, vier wurden bereits wieder gestrichen. Dauerhaft zugelassen werden DiGA erst, wenn sie in Studien ihren medizinischen Nutzen oder eine patientenrelevante Struktur- und Verfahrensverbesserung in der Versorgung nachgewiesen haben.

Auch anhand belastbarer Outcome-Parameter kann der Nutzen nachgewiesen werden. Laut der Digitale-Gesundheitsanwendungen-Verordnung sind weitere Kriterien eine Verkürzung von Wartezeiten, ein vereinfachter Zugang zu medizinischen Leistungen oder eine Steigerung der Therapietreue.

Ansätze der Arbeitsgruppe

Kann eine DiGA wirklich helfen, den Bauchumfang zu verringern, einen Langzeit-Blutzucker abzusenken oder Schwere der Reizdarm-Symptome zu reduzieren oder wirkt allein die Verschreibung einer solchen Gesundheits-App als Placebo? Diesen Fragestellungen ist das Team der AG „Digitale Gesundheitsanwendungen/KI in Leitlinien“ nachgegangen.

„Die Untersuchung von DiGA in wissenschaftlichen Studien ist eine Herausforderung, da bei ihrer Anwendung viele Aspekte ineinandergreifen. Dazu zählen beispielsweise die Motivation und die technischen Fähigkeiten der Anwendenden oder aber die Fähigkeit der Verordnenden, die DiGA und ihren Nutzen zu erklären“, erklärt Möckel.

Ansatz Interventionsstudien

Randomisierte und kontrollierte Interventionsstudien sind am ehesten geeignet, ist das Ergebnis der Arbeitsgruppe. Bei diesem Studientyp erhält eine sogenannte Interventionsgruppe Zugang zu einer bestimmten Gesundheits-App. Ihr gegenüber steht eine Vergleichsgruppe, die nach den Vorgaben entweder eine Behandlung ohne digitale Unterstützung, gar keine Behandlung oder eine vergleichbare DiGA erhält. Je nach Konstruktion der Interventions- und der Kontrollgruppe werden dabei unterschiedliche Effekte geprüft. Für die Interpretation der Ergebnisse ist es wichtig, dass die Methodik präzise berichtet und diskutiert und auch das Nutzungsverhalten der Studienteilnehmenden ausführlich dargestellt wird.

Außerdem müssen andere Punkte beachtet werden: die Auswahl der Probandinnen und Probanden, die Definition der Endpunkte oder die mögliche Abbruch-Rate unter den Studienteilnehmenden. Dies gelte dann entsprechend auch für die nachfolgenden Phase-IV-Studien, die im Unterschied zu den hochkomplexen Arzneimittelstudien auch durch die Krankenkassen durchgeführt und in nationalen und internationalen Journalen publiziert werden könnten, führt die Arbeitsgruppe weiter aus.

Der aktuelle DGIM-Vorsitzende Professor Dr. med. Ulf Müller-Ladner ergänzt noch: „Insgesamt liegen noch wenige Daten zum Nutzen der internistischen DiGA vor. Auch über ihre Wirksamkeit in der Routineanwendung wissen wir noch wenig, da noch keine Untersuchungen etwa auf Basis von Abrechnungsdaten veröffentlicht wurden. Es ist nun Aufgabe der Hersteller der digitalen Gesundheitsanwendungen, diese Lücke zu schließen und den medizinischen Nutzen nach hohen wissenschaftlichen Standards nachzuweisen. Wenn ihnen das gelingt, könnten DiGA als eine niederschwellige, moderne und evidenzbasierte Therapie-Option die Versorgung sinnvoll ergänzen.“

Die Arbeitsgruppe spricht sich dafür aus, dass es einheitliche und anerkannte Standards zur Durchführung und Bewertung der Studien gibt. Dies würde auch bedeuten, dass es wie bei den Medikamenten für jede DIGA ein „label“ für die Anwendung gibt, um die Kostenerstattung durch die Krankenkassen für die betroffenen Patientengruppen abrechnungssicher zu ermöglichen.

 

 

Die Untersuchung ist in der Fachzeitschrift „Die Innere Medizin“ erschienen, in der die AG-Mitglieder die Designs verschiedener laufender DiGA-Zulassungsstudien ausgewertet und mit methodischen Überlegungen abgeglichen haben.

König, I.R., Mittermaier, M., Sina, C. et al. Nachweis positiver Versorgungseffekte von digitalen Gesundheitsanwendungen – methodische Herausforderungen und Lösungsansätze. Innere Medizin (2022).

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